Enttäuscht und kurz vor dem Ausflippen

stroke="currentColor" stroke-width="1.5" stroke-linejoin="round" stroke-linecap="round" /> 6 Kommentare

Wie lan­ge wird in Deutschland schon unüber­hör­bar nach Schnelltests geru­fen? Und jetzt, da die Damen und Herren unse­rer Regierung eine Teststrategie ange­kün­digt und dann wie­der auf­ge­scho­ben haben, erfah­ren wir, dass weder die Strategie noch die Tests, sobald zur Verfügung ste­hen wer­den. Das soll noch bis April dau­ern. Merkel per­sön­lich hat­te gesagt, dass für die Erarbeitung einer Teststrategie der Monat März vor­ge­se­hen sei. Also, nichts vor April?!

Keine Tests, weil sie noch nicht bestellt wurden?

Bildchef Julian Reichelt empört sich ver­ständ­li­cher­wei­se dar­über, dass die Regierung (Spahn) zwar von Testangeboten gere­det hat­te, jedoch aber­mals ver­gaß, dass die Tests auch ein­ge­kauft wer­den müs­sen, damit sie deutsch­land­weit in geeig­ne­ter Menge zur Verfügung ste­hen. Das soll jetzt eine Task-​Force erle­di­gen. Gut, dass dem Bundesgesundheitsminister das noch recht­zei­tig ein­ge­fal­len ist. 

Wie groß muss der Ärger über einen Fachminister sein, bis er von selbst den Hut nimmt? Im Deutschland unter Merkel sind Rücktritte aus der Mode gekom­men. Mecklenburg-​Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig fal­tet Angela Merkel und Jens Spahn zusam­men, weil ein­fach nichts klappt. Einmal mehr ist von Versagen die Rede. Wer hat schon noch die Kraft und die Motivation, das abzu­strei­ten oder gar zu wider­le­gen? Zum Glück hat Merkel Spahn gestoppt. Ich hat­te zuerst gedacht, es läge „nur” am feh­len­den Testkonzept. Aber nein, die Tests selbst feh­len natür­lich auch. Da hat die Sorgfaltspflicht, die Merkel gegen­über ihrem Minister ein­ge­nom­men hat, wenigs­tens ihren Stellenwert gezeigt. 

Zulassungen und Qualitätsfragen

Inzwischen gibts es 6 Selbsttests, die Zulassungen erhal­ten haben. Hoffentlich wer­den die Selbst- oder Schnelltests, die jetzt im Eilverfahren durch die besag­te Task-​Force beschafft wer­den, nicht von ähn­li­cher Güte sein, wie vie­le der Masken, die im Nachhinein preis­lich aber auch qua­li­ta­tiv eine nega­ti­ve Rolle spielten.

Gut fin­de ich, dass neben „Aldi” auch Drogeriemärkte wie „dm” pla­nen, in oder vor ihren Geschäften Testcenter zu eröff­nen. Diese pri­va­ten Initiativen wer­den wir noch schät­zen ler­nen, wenn sich erwei­sen soll­te, dass die Zahl offi­zi­el­ler Testcenter zu gering ist und die­se auch so schnell nicht aus­ge­baut wer­den kön­nen. Die ört­li­chen Voraussetzungen müs­sen nun ein­mal auch gege­ben sein. 

Öffnungsplan auf einer DIN A4 Seite

Die Öffnungsperspektiven sind vie­len in Deutschland nicht trans­pa­rent genug. Jedenfalls wird der auf eine DIN A 4‑Seite pas­sen­de Plan heu­te ver­ris­sen. Was ich ver­stan­den habe ist jeden­falls, dass im Plan sogar von Tests die Rede ist. Die benö­tigt man näm­lich um in Abhängigkeit vom Ergebnis bestimm­te Dinge tun zu kön­nen. Vorgesehen ist die­ser Punkt für den Monat März. Da fragt sich der geneig­te Beobachter, wie das gehen soll, wenn die­se Tests erst im April ver­füg­bar sein soll­ten. Nun ja, tages­ak­tu­el­le Schnelltests wer­den viel­leicht nicht gebraucht, weil das Wetter im März Außengastronomie noch nicht zulas­sen wird. Ähnlich könn­te es beim Sport lau­fen. Da ist Wetter ja auch nicht unwich­tig. (Anm.: Das ist kein Zynismus, son­dern Ironie)

Sascha Lobo kriegt sich inzwi­schen gar nicht mehr ein. Seine neue Kolumne heißt denn auch: „Sätze zum Ausflippen”, Subtitel: „Staatsversagen in der Politik”. Zum Großteil kann ich sei­nen Ärger nach­voll­zie­hen. Die gemach­ten Fehler wer­den schließ­lich allein schon des­halb öffent­lich, weil die orga­ni­sa­to­ri­schen Mängel in der Hitze der gesam­ten Debatte unver­meid­ba­rer Weise öffent­lich wer­den. Ob es nun um Impfungen oder Tests geht, die in Berlin krie­gen nichts auf die Rille. 

Mir ist inzwi­schen egal, ob eigent­lich der klein­klei­ne Föderalismus, die bocki­ge Ministerpräsidentenkonferenz, die bizar­re Bürokratie, die kaputt­ge­spar­te Infrastruktur, die stän­di­ge Angst vor dem Geschrei Rechter und Rechtsextremer, die völ­li­ge Fehleinschätzung des Pandemieverlaufs, das par­tei­po­li­ti­sche Getöse zum all­er­fal­sches­ten Zeitpunkt, der krei­schen­de Schuldenbremsengeiz der GroKo oder das jahr­zehn­te­lan­ge deut­sche Digitalisierungsdebakel hin­ter die­sem pan­de­mi­schen Staatsversagen steckt. Es ist wahr­schein­lich eine Mischung aus allem, ergänzt durch ein paar Überraschungsunfähigkeiten.

Corona – Staatsversagen in der Pandemie: Sätze zum Ausflippen – Kolumne – DER SPIEGEL, Sascha Lobo

Geschrei von Rechten

Wo wir gera­de beim „Geschrei Rechter und Rechtsextremer” sind. Es geht nicht um die Überwachung der AfD durch den Verfassungsschutz. Vielmehr gehts zum einen um die von Lobo geäu­ßer­te Sorge, dass der Frust in unse­rer Bevölkerung für eine nach­hal­ti­ge Beschädigung der Demokratie sor­gen könn­te. Dass wir im Land schon ein erkleck­li­che Zahl von Menschen haben, denen unse­re Demokratie am Allerwertesten vor­bei­geht, ist eine Tatsache. 

Ich fürch­te, dass die Zahl der­je­ni­gen, die sich die­sen Abtrünnigen anschlie­ßen, in die­ser Lage schnell ein unge­ahn­tes Niveau erreicht. Schließlich gehts eben nicht „nur” um die Frustration über die Unfähigkeit unse­res Staates, der uns in der Mehrheit der BürgerInnen unvor­be­rei­tet getrof­fen haben mag. Es geht längst um Existenzen und um hand­fes­te Interessen mäch­ti­ger Gruppen im Land. Es hat sich erwie­sen, dass der Primat der Politik ent­ge­gen anders lau­ten­der Annahmen, noch existiert. 

Ob ich mich dar­über freu­en soll, weiß ich gera­de nicht. 

Leichtfertige Aussagen oder berechtigte Feststellung?

UPDATE 9.3.21
Inzwischen gibt es wei­te­re Informationen über die Zusammenhänge, in denen Wieler die Äußerungen gemacht hat bzw. inwie­weit BILD wie­der mal hin­zu­ge­dich­tet und inter­pre­tiert hat. Ich bin hier ziem­lich unkri­tisch drauf ein­ge­gan­gen.

Unbelegt: Wie euch BILD & die AfD über die Herkunft von Corona-​Patienten täuscht – Volksverpetzer
Faktencheck: 90 Prozent der Covid-​Patienten mit Migrationshintergrund? (cor​rec​tiv​.org)

Es soll im Februar eine Äußerung des RKI-​Chefs Professor Wieler gege­ben haben, die gera­de für zusätz­li­chen Frust sorgt. Er hat­te in einem Gespräch mit Intensivmedizinern dar­über berich­tet, dass ein hoher Anteil von Corona – Intensivpatienten Migrationshintergrund hät­ten. Das ist super ange­kom­men. Vorwiegend natür­lich bei den übli­chen Verdächtigen in unse­rer Medienlandschaft (Epoche Times, Tichys Einblick u.s.w.). Wieler sah sich gezwun­gen, sei­ne Äußerung teil­wei­se klarzustellen. 

Es gibt Stellungnahmen von Vertretern der Intensivmedizin, die nach den erwart­ba­ren Bild-​Zeitungsberichten, von ras­sis­ti­schen Motiven gespro­chen haben. Der ehe­ma­li­ge DIVI-​Chef, Uwe Janssens, sag­te, es sei eine „abso­lut unqua­li­fi­zier­te, dis­kri­mi­nie­ren­de und nahe­zu ras­sis­ti­sche Aussage gegen vie­le Mitmenschen in unse­rer Gesellschaft, die ich in allen Punkten als ver­werf­lich betrachte“. 

Was hat­te Sascha Lobo gleich über die „stän­di­ge Angst” vor rech­tem Geschrei in sei­ner Kolumne beschrie­ben? Ich hal­te sei­nen Punkt für begrün­det. Allerdings soll­te klar wer­den, dass wir sol­che Diskussionen gera­de in die­sen Zeiten nicht gebrau­chen können. 

Verständigungsprobleme oder mangelnde Integration

Ich glau­be übri­gens nicht, dass es bei die­sem Punkt um Verständigungsprobleme geht. Vielmehr habe ich das Gefühl, dass sich vie­le Menschen mit Migrationshintergrund schlicht und ergrei­fend aus ande­ren (viel­leicht auch reli­giö­sen) Gründen nicht an die Corona-​Maßnahmen unse­rer Regierung hal­ten. Wahrscheinlich wird das RKI in die­sem Fall mal dazu in der Lage sein, die Herkunft der Corona-​Intensivpatienten zu ermit­teln. In Israel hal­ten sich ortho­do­xe Juden und Juden mit ara­bi­schen Wurzeln oft­mals nicht an die öffent­li­chen Corona-​Maßnahmen. Die israe­li­sche Regierung geht mit die­sen „Abweichlern” schein­bar viel gelas­se­ner um als wir das zu tun schei­nen. Vielleicht könn­te man dar­über auch mal nachdenken?

Was ja nicht unbe­dingt selbst­ver­ständ­lich ist, wie wir aus der dau­er­haft schlech­ten Qualität gewis­ser Statistiken im letz­ten Jahr ler­nen muss­ten. Ich bin des­halb davon über­zeugt, dass Wielers Aussage nicht aus dem Zusammenhang geris­sen wur­den, son­dern dass er sei­ne jetzt so kri­tisch inter­pre­tier­te Aussage auch so gemeint hat. 


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6 Gedanken zu „Enttäuscht und kurz vor dem Ausflippen“

  1. Die Kenntlichmachung des eth­ni­schen Hintergrundes bei (in die­sem Fall, das gilt ansons­ten auch für ande­re Fälle) Intensivpatienten dient schlicht und ergrei­fend der Schuldzuweisung und ist inso­fern ein­deu­tig rassistisch. 

    Die gan­ze Angelegenheit ist ja kei­ne eth­no­gra­fi­sche Forschungsinitiative zur Erforschung der Verteilung bestimm­ter Krankheiten in ver­schie­de­nen eth­ni­schen Gruppen.

    Dahinter steht ein poli­ti­sches Motiv, und da gibt es IMO auch nichts wei­ter ent­schul­di­gend klar­zu­stel­len. Von daher müss­te ich mir noch nicht ein­mal die „Klarstellung” von Prof. Wieler anschau­en. Vielleicht tue ich es aber trotz­dem, ich lese so ger­ne Textbausteine von den diver­sen Phrasen-​CDs zur medi­en­wirk­sa­men Feststellung von Missverständnissen (immer von Seiten der Rezipienten) im poli­ti­schen Umfeld.

    Manche Leute kön­nen in der Öffentlichkeit ein­fach mal ihren Rand nicht hal­ten, wenn sie es bes­ser sollten.

    Diese Tests übri­gens, die es irgend­wann viel­leicht im April käuf­lich zu erwer­ben geben soll, inter­es­sie­ren mich eher wenig. Mir reicht schon, dass ich per­ma­nent Geld für die­se elen­den medi­zi­ni­schen Masken aus­ge­ben muss.

    Antworten
  2. Habe gera­de einen Beitrag im hr gese­hen, in dem mal in einem der ost-​thüringischen Hotspots geschaut wur­de, was da los ist. 7‑Zage-​Inzidenz über 250. Tatsache ist, nie­mand weiß, war­um es dort zu die­ser ver­gleichs­wei­se hohen Infektionsrate kommt. Mal gibt’s einen loka­len Ausbruch da, mal dort, aber nichts, was jetzt im Einzelnen beson­ders dra­ma­tisch wäre.

    Tatsache scheint all­ge­mei­ner zu sein, dass man nir­gend­wo genau­er zu wis­sen scheint, was zu den jewei­li­gen Infektionsraten und den ent­spre­chen­den Belegungen von Intensivbetten führt. Es gibt offen­sicht­lich kei­ne sys­te­ma­ti­schen Untersuchungen, wie genau Ausbreitungsherde funk­tio­nie­ren. Weswegen ja auch die mona­te­lan­ge Lockdowngeschichte eher dem Gießkannenprinzip folgt und nicht einer durch sys­te­ma­ti­sche Untersuchungen fun­dier­ten Logik.

    Und da ist es mir doch etwas zu zufäl­lig, ein­fach auf­grund von unsys­te­ma­ti­schen – also nur schein­bar empi­ri­schen – Beobachtungen Zusammenhänge mit eth­ni­scher Herkunft presse-​öffentlich herzustellen. 

    Mir ist das ein­fach zuviel Nebenkriegsschauplatz, der eröff­net wird, weil einem nichts Besseres ein­fällt. Auch Herr Wieler sto­chert mit beschla­ge­ner Brille bei dich­tem Nebel im Sumpf her­um. Es wur­den und wer­den immer wie­der nur ungül­ti­ge Schlussfolgerungen aus sin­gu­lä­ren Beobachtungen gezo­gen. Und das ist unzulässig.

    Andererseits – mal zynisch: Mich wür­de natür­lich schon ein­mal inter­es­sie­ren, wie die Verteilung zwi­schen nicht-​migrierten katho­li­schen und eben­sol­chen evan­ge­li­schen Infizierten ist. Ist da even­tu­ell ein Missverhältnis im Vergleich zur nor­ma­len regio­na­len Verteilung? Gibt es da ein paar Fälle, die man auf­zäh­len könn­te? Und wenn ja, was dann? Sanktionen? (Das soll soviel bedeu­ten wie: Es müs­sen ja nicht nur Migranten-​Hintergründige sein, die als Problem erkannt werden)

    M.a.W.: Aus der auf­ge­ris­se­nen Diskussion folgt am Ende gar nichts außer media­lem Gezeter und Genörgel ohne Erkenntnisbasis. Die geneig­ten all­zu bekann­ten Streithähne wer­den erneut mit res­sen­ti­ment­be­la­de­nen „Argumenten” gefüt­tert und arbei­ten sich ein paar Tage am Thema ab – und gehol­fen ist damit niemandem. 

    Und auch genau das rich­tet Schaden an.

    Antworten
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