Eine Minute mit rechtsradikalen Inhalten?

Sind wir wirk­lich so weit, dass wir Sati­re unter­stel­len, rechts­ra­di­ka­le Inhal­te trans­por­tie­ren zu wollen?

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Wow, „rechts­ra­di­ka­le Inhal­te“ (#alles­dicht­ma­chen) errei­chen uns mal von ganz uner­war­te­ter Sei­te. Sie bre­chen in Form einer statt­li­chen Anzahl von sati­ri­schen Kurz­vi­de­os über uns her­ein. Es wirkt, als sei die kom­plet­te Traum Traum­schiffs­be­sat­zung auf Kon­fron­ta­ti­ons­kurs mit der deut­schen Bundesregierung. 

Das Who Is Who der deut­schen Schauspieler*innen stellt qua­si in Echt­zeit mit dem Inkraft­tre­ten des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes Inhal­te ins Netz, die von AfD, Quer­den­kern, ihrer Jubel­pres­se und last but not least Atti­la Hild­mann, über­schweng­lich gelobt und geteilt wurden. 

Genau das – so den­ke ich – stell­te die Basis für den Zir­kus dar, den eini­ge der 51 Haupt­dar­stel­ler nach­träg­lich als Schuss bezeich­ne­ten, der nach hin­ten los­ge­gan­gen ist. Das könn­te man ange­sichts der Auf­re­gung sagen.

Enno Park hat Infor­ma­tik stu­diert und ist als Jour­na­list tätig. Er fin­det, dass in den Vide­os „in ihrer Gesamt­heit rechts­ra­di­ka­le Inhal­te“ trans­por­tiert wurden. 

Park macht sich die Mühe, die gan­ze Ver­werf­lich­keit der als Sati­re getarn­ten Akti­on der Schau­spie­le­rin­nen und Schau­spie­ler zu ent­blö­ßen. So deckt er Par­al­le­len zu Äuße­run­gen und Absich­ten auf, die er bei Pegi­da, AfD und ande­ren rechts­ra­di­ka­len Grup­pen sieht. Wir haben gelernt, dass bei uns die Zuord­nung eines Men­schen zu gesell­schaft­lich der­ma­ßen geäch­te­ten Grup­pen schnel­ler geht als Kat­zen­fi­cken. Zur mög­li­chen Rela­ti­vie­rung [sic?] stell­te Park fest, er habe nicht alle Bei­trä­ge auf Punkt und Kom­ma durchgesehen. 

Park ist eine von (sehr) vie­len Stim­men, die erneut bele­gen, dass Sati­re zum einen längst nicht alles darf, jeden­falls dann nicht, wenn sie Lin­ken nicht passt. Zum ande­ren wird – auch wenn das stän­dig von Grü­nen und Lin­ken bestrit­ten wird, der Mei­nungs­kor­ri­dor immer wei­ter ver­engt wird. Im Zusam­men­hang mit die­sem Fall fällt vie­len jeden­falls der Begriff „Can­cel Cul­tu­re“ ein. Wer sein Sozi­al­ka­pi­tal nicht schlag­ar­tig ver­brau­chen möch­te, wird bewusst dar­auf ver­zich­ten, kri­ti­sche Anmer­kun­gen gegen­über grü­nen und lin­ken Posi­tio­nen zu formulieren.

Von der Auf­re­gung habe ich erst heu­te Mit­tag gehört. Das Rent­ner­le­ben hat manch­mal doch Vor­tei­le. Ich habe mir vie­le der kur­zen Vide­os ange­se­hen. Wie­der ein­mal ver­ste­he ich die­se Auf­re­gung nicht, wie sich Tei­le der Medi­en auf die­ses The­ma gestürzt haben eben­falls nicht. Ich sehe nicht, wie­so die Leu­te die Coro­na-Toten ver­höhnt hät­ten. Ich hat­te es noch nicht geschafft, die unge­wohnt har­sche und total über­trie­be­ne Medi­en­kri­tik am Kanz­ler­kan­di­da­ten­streit der Uni­on zu über­win­den, da folgt gleich der nächs­te Aufreger. 

Nicht, dass jetzt jemand denkt, ich sei gegen das Gesetz und die Maß­nah­men. Im Gegen­teil! Ich muss zuge­ben, dass die auch mich mei­nen, wenn im Inter­net von Schlaf­scha­fen die Rede ist. Trotz­dem füh­le ich mich über­haupt nicht ange­pisst, wenn Rit­chie Mül­ler oder Mar­tin Bram­bach von neu­en Stra­te­gien (unter­schied­li­che Tüten oder Zim­mer fürs Ein- und Aus­at­men) vor­stel­len. Ich kämp­fe schließ­lich mit mei­ner Ver­gess­lich­keit, weil ich den Mund­spray ver­ges­se, um die mög­li­che Viren­last früh­zei­tig zu minimieren… 

Ich bin auch kein Fan von Pro­fes­sor Hen­drik Stre­eck, der eigent­lich nur immer das wie­der­holt, was vie­len Leu­ten als Stra­te­gie zur Ver­harm­lo­sung der Pan­de­mie („Wir müs­sen mit dem Virus leben“) und des­halb wie eine andau­ern­de Pro­vo­ka­ti­on vor­kommt. Ich gehö­re zum Team Dros­ten und emp­fin­de Vor­wür­fe und Unter­stel­lun­gen, die gar in Sam­mel­kla­gen gemün­det haben, als per­sön­li­chen Affront. Ich bin Fan von Karl Lau­ter­bach, heu­te sogar mehr als zu Beginn der Pandemie.

Die Pan­de­mie wird hof­fent­lich bald Geschich­te sein. Wenn wir so wei­ter­ma­chen, dass wir – natür­lich auch jen­seits der Pan­de­mie, jedem Wider­spruch mit schwe­ren Waf­fen (Aso­zia­le Medi­en) begeg­nen, wer­den wir nicht bloß mit ihren direk­ten Fol­gen (gesund­heit­li­che, sozia­le und öko­no­mi­sche) kon­fron­tiert sein. 

Mir kommt es so vor, als müss­ten wir vor allem hier in Deutsch­land neu ler­nen, ande­re Mei­nun­gen aus­zu­hal­ten und die Per­so­nen, die sie äußern, nicht sofort in eine Schub­la­de ein­zu­ord­nen. Es gibt sicher vie­le Grün­de, war­um man­che Men­schen in der Pan­de­mie ängst­lich, viel­leicht sogar über­ängst­lich sind. Sie sind des­halb dank­bar für die Maß­nah­men, die von den Regie­run­gen (welt­weit) getrof­fen wor­den sind. 

Es gibt aller­dings auch Leu­te, die auch aus unter­schied­lichs­ten Grün­den Bevor­mun­dun­gen kri­tisch sehen und die­se ableh­nen. Dass wir weni­ger über Argu­men­te, also über das Für und Wider bestimm­ter Maß­nah­men dis­ku­tie­ren, son­dern idio­ti­scher­wei­se über die Ver­ein­nah­mung durch die eine oder ande­re Sei­te, ist kaum zu ver­ste­hen. Umso schwe­rer wird es näm­lich spä­ter, wenn die Zei­ten wie­der bes­ser sind und wir eine neue gemein­sa­me Basis fin­den müs­sen. In die­ser Not­la­ge nei­gen man­che lei­der dazu, sie etwas vor­schnell aufzugeben. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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4 Gedanken zu „Eine Minute mit rechtsradikalen Inhalten?“

  1. Was ich an der Akti­on beson­ders per­fi­de fin­de, ist das Erschei­nen punkt­ge­nau zur Bun­des­not­brem­se. Ist doch klar, dass dadurch die Moti­va­ti­on vie­ler Skeptiker/​innen ein wei­te­res Mal unter­gra­ben wird, nach dem Mot­to: wenn die­se Pro­mi­nen­ten das alles als Koko­lo­res durch den Kakau zie­hen, muss ich mich ja echt nicht dran halten!

    Der Initia­tor (Wun­der über Wun­der) hat sich wie ich lese in der Ver­gan­gen­heit als Maß­nah­men­geg­ner geoutet. Die Akti­on ist kom­plett intrans­pa­rent, es bleibt unbe­kannt, ob die Teil­neh­men­den Hono­rar bekom­men haben, wer das Gan­ze beauftragt/​bezahlt hat und WANN sie ange­fragt wur­den. Vor ein paar Wochen, als die 3.Welle noch nicht so deut­lich war und all­ge­mein viel über Locke­run­gen dis­ku­tiert wur­de, hät­te ich bes­ser ver­ste­hen kön­nen, dass sie zusag­ten als z.B. vor ein paar Tagen.

    Da die „Lock­down­mü­dig­keit“ sowie­so ein Mas­sen­phä­no­men ist, schlägt die Akti­on zum per­fek­ten Zeit­punkt in die rich­ti­ge Ker­be, um das noch zu ver­schär­fen. Kein Wun­der, dass es orden­lich Gegen­wind gibt – nicht nur von Lin­ken, son­dern eben auch von vie­len Ver­nünf­ti­gen, die ger­ne hät­ten, dass end­lich mal eine Maß­nah­me effek­tiv genug ist, um die Din­ge zu wenden.

    Enno Park hat sich wirk­lich Mühe gege­ben, sei­nen Stan­punkt argu­men­ta­tiv zu begrün­den – und ja, es stimmt nun mal, dass die Rech­ten, die Schwurb­ler und Hild­mann et al die Akti­on fei­ern! Weil der Tenor ihrer eige­nen Hal­tung punkt­ge­nau entspricht. 

    Das macht die Schau­spie­ler nicht zu Rechts­ra­di­ka­len (sagt auch Enno), aber zu Naiv­lin­gen, die zu Guns­ten eines popu­lä­ren Auf­tritts nicht groß nach­ge­dacht haben, vor wel­chen Kar­ren sie sich da span­nen lassen. 

    Das Video von Nadi­na Dubo­is fin­de ich übri­gens ganz gut
    https://​twit​ter​.com/​L​o​k​o​s​c​h​a​t​/​s​t​a​t​u​s​/​1​3​8​5​3​8​5​0​6​9​6​9​9​8​9​9​393

  2. Nun, wie bei so vie­len Sachen fin­de ich ein schwarz-weiß Den­ken in die­ser Hin­sicht nicht beson­ders förderlich.
    Sind die Vide­os gedacht gewe­sen als Über­tra­gung rechts­ra­di­ka­ler Inhal­te? Auf kei­nen Fall.
    Wol­len die Schau­spie­ler hier gezielt Quer­den­ken unter­stüt­zen? Ver­mut­lich nicht, wie die neu­es­ten Infor­ma­tio­nen erge­ben. Zumin­dest nicht alle. Ein kur­zes Video von Kida Kho­dr Rama­dan gab Auf­schluss dar­auf, dass die Acqui­se der Mit­ma­chen­den unter sehr undurch­sich­ti­gen Umstän­den ent­stand. Bei Ande­ren, wie bspw. dem Herrn Lie­fers sehe ich zwar die größ­ten Über­schnei­dun­gen mit Quer­den­ken, aber ich den­ke auch ihm geht es eher um die Öffent­lich­keit und öffent­li­che Pro­vo­ka­ti­on – ver­strickt er sich doch nach und nach immer mehr in wider­spre­chen­den Aussagen.
    Es soll­te also auf per­sön­li­cher Ebe­ne nicht so dras­tisch geur­teilt wer­den. Das ist nie­man­dem gegen­über fair und trägt zu kei­ner posi­ti­ven Ent­wick­lung unse­rer Gesell­schaft bei.

    Auf der ande­ren Sei­te muss man fest­hal­ten, dass kei­nes die­ser angeb­li­chen Sati­re-Vide­os lus­tig war. War es wohl als sati­ri­sche Kri­tik nach oben ange­dacht, ob der Maß­nah­men, pas­sier­te hier das klas­si­sche Die­ter Nuhr-Phä­no­men, wo die unge­schrie­be­ne Regel gebro­chen wird, in der Sati­re nie­mals „nach unten“ zu schie­ßen. Füh­len sich doch die Kran­ken, Schwa­chen und aktu­ell stark physisch/​psychisch belas­te­ten ange­grif­fen. Auch dass man mit die­sen Vide­os die wei­te­re Spal­tung unse­rer Gesell­schaft vor­an­treibt, anstatt auch die­se aufs Korn zu neh­men ist mehr als dumm gelau­fen. Letzt­lich bleibt noch die feh­len­de Ein­schät­zung dar­über, wem die gan­ze Kam­pa­gne (EGAL WIE SIE AUFGENOMMEN WIRD) poli­tisch in die Kar­ten spielt. Näm­lich genau den rechts­po­pu­lis­ten und rechts­ra­di­ka­len. Die ver­ste­hen das nicht als Spaß son­dern als „Mut, end­lich mal die Wahr­heit zu sagen“.

    Letzt­lich lässt sich fest­stel­len, dass egal wel­che Inten­ti­on die Kam­pa­gne hat­te, die­se Umset­zung eine der dümms­ten Ent­schei­dun­gen des Jah­res war. Mei­ner Ansicht nach sogar noch knapp vor Armin Laschet als cDU Kanzlerkandidat.

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