Rassismus im Stadion: Das tut weh.

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Vie­le Eng­län­der sind schwer ent­täuscht. Man kann es ihnen nicht ver­den­ken! Die meis­ten nah­men auch dies­mal ihr his­to­ri­sches Trau­ma beim Elf­me­ter­schie­ßen gelas­sen hin. Nicht zuletzt wegen ihres legen­dä­ren Sportgeistes. 

Wie der so genann­te Fuß­ball­fan selbst mit Spie­lern sei­ner Mann­schaft umgeht, jeden­falls, wenn sie in sei­nen Augen ver­sagt haben, demons­triert über den Fuß­ball hin­aus einen erschre­cken­den gesell­schaft­li­chen Befund. Hass und Belei­di­gung zählt man auf­grund sol­cher Aus­nah­me­si­tua­tio­nen wohl kaum zum Alltagsrassismus. 

Wenn es stimmt, dass der ste­te Trop­fen den Stein höhlt, müss­te jener All­tags­ras­sis­mus, über den so viel gespro­chen wird, der­je­ni­ge sein, gegen den wir mit aller Macht und mit Prio­ri­tät kämp­fen müs­sen. Eine Groß­ver­an­stal­tung wie es eine Euro­pa­meis­ter­schaft im Fuß­ball nun mal ist, eig­net sich aller­dings bes­ser, um Bot­schaf­ten mit dem rich­ti­gen Effet zu ver­se­hen. Als Vor­teil­haft wäre hier fest­zu­hal­ten, dass es die waren, die im Netz nun wie­der ein­mal als Insel­af­fen oder mit sons­ti­gen Lie­bens­wür­dig­kei­ten bedacht werden. 

Bit­te ein­mal kurz dar­über nach­den­ken, bevor du weiterliest.

Es soll­te uns klar sein, dass eng­li­sche Fans kei­ne Aus­nah­me dar­stel­len. In Deutsch­land oder Ita­li­en, Ungarn oder Russ­land, in Frank­reich, Spa­ni­en oder Hol­land sind sol­che schlim­men Exzes­se genau­so zu fin­den wie in ande­ren Län­dern jedes Kontinents. 

Ras­sis­ti­sche Exzes­se fin­den unter unse­ren Augen statt. Obwohl die meis­ten sie – hof­fe ich ein­mal – ableh­nen. Nicht alle sind beru­fen, sich auf die Sei­te derer zu stel­len, die unter ihnen zu lei­den haben. Wir haben wenig, was wir sol­chem Wahn­sinn ent­ge­gen­set­zen kön­nen. Aber wir soll­ten nicht war­ten, bis die Gren­ze zwi­schen Belei­di­gun­gen und kör­per­li­chen Angrif­fen ver­wischt. Es gab im Wem­bley und davor schon an ande­ren Stel­len Bei­spie­le dafür, wie schnell selbst anläss­lich der „schöns­ten Neben­sa­che der Welt“ ras­sis­ti­scher Wahn in offe­ne Gewalt umschlägt. 

Mit Tweets, Blog­posts und Appel­len schaf­fen wir kei­ne Ver­än­de­rung. Manch gut gemein­te und ambi­tio­niert vor­ge­tra­ge­ne Akti­on stößt auf eine zuneh­mend ableh­nen­de Hal­tung. Das Gefühl habe ich. 

Was ganz sicher nicht hilft, sind sol­che Tweets /​Threads. Aber solan­ge die links­in­tel­lek­tu­el­le Schi­cke­ria nur fest dar­an glaubt… Die aso­zia­le Medi­en wir­ken als Brandbeschleuniger.

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Ten­den­ziö­se Denk­an­stö­ße und selbst die erschre­cken­de Beschrei­bung von All­tags­er­fah­run­gen wer­den als beleh­rend oder bevor­mun­dend (miss-)verstanden. Die eng­li­sche, also die­se lau­te und ver­stö­ren­de Aus­prä­gung von ras­sis­ti­schem Hass könn­te man als beson­ders absto­ßen­de Vari­an­te beschrei­ben. Das Fun­da­ment für die­se Art von ver­ba­ler und kör­per­li­cher Gewalt ist aber iden­tisch.

Wenn die Eng­län­der in ganz Euro­pa [sic?] dafür beschimp­fen, was ges­tern und davor in Wem­bley gesche­hen ist, kann man das unter dem aktu­el­len Ein­druck des gest­ri­gen Tages nach­voll­zie­hen. Lei­der gilt aber, dass wir bei uns genug zu tun haben, den Ras­sis­mus im eige­nen Land end­lich wirk­sam zu bekämp­fen. Vor­her müs­sen wir bereit sein, die Lage bei uns rea­lis­tisch zu betrachten.

Der von ras­sis­ti­schem Hass beson­ders betrof­fe­ne deut­sche Ex-Natio­nal­spie­ler Mesut Özil sag­te: „Deut­scher, wenn wir gewin­nen, aber Immi­grant, wenn wir ver­lie­ren“. Lei­der lässt sich das auf die drei eng­li­schen Jungs, die seit ges­tern Abend wohl eine der schwers­ten Pha­sen als Fuß­bal­ler wie auch als Mensch durch­ma­chen, genau­so über­tra­gen. Hät­ten sie die Elfer ver­wan­delt, wäre das heu­te kein The­ma. Die Eng­län­der wür­den jubeln, so oder so ähn­lich, wie wir es nun die Ita­lie­ner tun oder wir es getan hät­ten, wären wir nicht schon im Ach­tel­fi­na­le nicht rausgeflogen. 

Dass im Netz kurz­zei­tig das N‑Wort in die Trends „schaff­te“ ist ein trau­ri­ger Hin­weis dar­auf, dass das, was in Eng­land abgeht, genau­so hier und in ande­ren euro­päi­schen Län­dern Rea­li­tät ist. Ras­sis­mus ist international. 

Ohne Inter­net, vor allem ohne die aso­zia­len Medi­en, wäre ich die Wet­te ein­ge­gan­gen, dass unse­re Gesell­schaf­ten längst wei­ter wären. Ras­sis­mus wäre nicht aus­ge­stor­ben. Aber die Ras­sis­ten hät­ten kei­ne ent­spre­chen­den Platt­for­men, um ihre Dumm­hei­ten und ihren Hass zu verbreiten. 

Jede/​r, die/​der sich ras­sis­ti­scher Äuße­run­gen bedient, soll­te dau­er­haft den Account gesperrt bekom­men. Das wäre mal ein Anfang. Statt­des­sen wie­der­ho­len wir zum Mil­li­ons­ten mal, dass Ras­sis­mus kei­ne Mei­nung ist. Den Ras­sis­ten, die mit gern mit Wör­tern wie Mei­nungs­frei­heit oder Demo­kra­tie han­tie­ren, ohne deren inhalt­li­che Bedeu­tung je begrif­fen zu haben, soll­ten wir das Wort ent­zie­hen. Knall­hart, ohne ein schlech­tes Gewis­sen. Ich sehe dafür lei­der kei­ne rea­le Chan­ce, weil denen, die die Grund­la­ge dafür schaf­fen könn­ten, der Arsch in der Hose fehlt, sich mit denen anzu­le­gen, die über eine gro­ße und wach­sen­de Anhän­ger­schaft ver­fügt. Es ist (gera­de für Demo­kra­ten) ein Armuts­zeug­nis, wenn die Uni­on das AfD-Kli­en­tel nach eige­nem Bekun­den nicht ver­prel­len will, weil man hofft, die­se Wäh­ler zurück­ge­win­nen zu kön­nen. Wer heu­te noch nicht begrif­fen hat, wofür die­se Men­schen ste­hen, der bringt das Zeug dafür mit, den Kampf um die Demo­kra­tie zu ver­lie­ren. Dass es inner­halb der CDU Leu­te wie Maa­ßen gibt, ist schlimm. Laschets Lasch­heit im Umgang mit die­sem Mann ist pro­vo­zie­rend und ernüch­ternd zugleich. 

Über­haupt, die Art der Aus­ein­an­der­set­zun­gen, die vor allem hier in Deutsch­land nach 2015 ent­stan­den ist, die dar­aus ent­stan­de­ne Pola­ri­sie­rung unse­rer Gesell­schaft, hat mich getroffen. 

Wie vie­le Leu­te lie­ßen sich „hin­rei­ßen“ und offen­bar­ten ein Den­ken, dass neben natio­na­lis­ti­schen Zügen offen ras­sis­ti­sche Ten­den­zen zeigte? 

Wie soll das ver­ein­bar sein mit einer (wohl oder übel) sich wei­ter­hin glo­ba­li­sie­ren­den Welt? Im Moment gibt es welt­weit 80 Mil­lio­nen Men­schen, die sich auf der Flucht befin­den. Es steht zu befürch­ten, dass wei­te­re Tei­le unse­res Pla­ne­ten in weni­gen Jahr­zehn­ten (viel­leicht schnel­ler?) durch die Kli­ma­er­wär­mung unbe­wohn­bar sein könn­ten. Mil­li­ar­den von Men­schen wer­den folg­lich auf weni­ger Raum mit­ein­an­der leben müssen. 

Man soll­te mei­nen, die Ein­sicht wach­se, dass unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen für Natio­na­lis­mus und Ras­sis­mus kein Platz ist.

Das ist nett for­mu­liert. Aber Uto­pie bleibt Utopie! 

Wir wis­sen, dass die Wahr­heit die ist, dass sich man­che Men­schen schon unter den gegen­wär­ti­gen Bedin­gun­gen nicht ver­tra­gen und dass Ras­sis­mus und Aus­län­der­feind­lich­keit zuneh­men. Empi­ri­sche Unter­su­chun­gen zei­gen das nicht nur für Deutschland.

In den USA tritt zuta­ge, wes­halb sich dort ein beson­ders aggres­si­ver Ras­sis­mus zeigt. Die Ras­sis­ten spre­chen aus, was wir auf dem euro­päi­schen Kon­ti­nent (Tei­le Ost-Euro­pas aus­ge­nom­men) in die­ser Radi­ka­li­tät nicht gehört oder wahr­ge­nom­men haben. Es geht um den Bedeu­tungs­ver­lust der Wei­ßen, deren ras­sis­ti­sche Eli­ten sich durch die Ent­wick­lung der letz­ten Jahr­zehn­te durch stark wach­sen­de schwar­ze und latein­ame­ri­ka­ni­sche Bevöl­ke­rungs­tei­le bedroht füh­len. Die Radi­kals­ten unter ihnen spre­chen aus, was sich die euro­päi­schen Ras­sis­ten in der Öffent­lich­keit noch nicht zu sagen wagen.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: England Fußball Rassismus Russland

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