Mitgefühl, Empathie. Alles gut und schön.

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Als die Bundeswehr nach Afghanistan geschickt wur­de, nach­dem Schröder den Amis unse­re unein­ge­schränk­te Solidarität ver­si­chert hat­te, war das eher als Racheakt gemeint. So habe ich den Krieg von Anfang an gese­hen. Man woll­te Al Kaida und die Taliban für das blu­ten las­sen, was sie und ihre Führer dem Volk der mäch­tigs­ten Nation der Welt ange­tan hatten. 

Statt sich schnell wie­der zu ver­zie­hen, nach­dem der Job eini­ger­ma­ßen erle­digt war, zog die Politik es vor, das afgha­ni­sche Volk nach­hal­tig von der Tyrannei zu befrei­en und ihnen ein alter­na­ti­ves Gesellschaftssystem zu ver­pas­sen. Nationbuilding im Sinne des American Way Of Life. Ich strei­che die Polemik und erset­ze das durch das Wort Demokratie. Demokratie soll auf kor­rup­tem Boden gedeihen? 

Die Verbündeten spiel­ten jeden­falls mit. Man glaub­te sich in der Pflicht. Ein gerech­ter Krieg wür­de geführt wer­den. Also nicht einer von der Sorte, die weni­ge Jahre spä­ter mit Lug und Trug west­li­cher Regierungen gegen den Irak begon­nen wur­de. Dass ver­bre­che­ri­sche Militärs Zivilisten getö­tet haben und das durch Helden wie Julian Assange öffent­lich gemacht wur­de, scheint heu­te kei­nen mehr zu inter­es­sie­ren. Der Mann fris­tet sein Dasein in einem eng­li­schen Gefängnis, weil kei­ne west­li­che Nation den Mut auf­ge­bracht hat, ihm poli­ti­sches Asyl zu gewäh­ren. Auf Assange war­ten 175 Jahre Gefängnis, weil er Verbrechen der USA auf­ge­deckt hat.

So kam es, dass in den Jahren ins­ge­samt 150.000 deut­sche Soldatinnen ein­ge­setzt wur­den, 59 davon star­ben, 35 im Kampfeinsatz oder durch Attentate. Jene Attentate für die isla­mis­ti­schen Verbrecher welt­be­rühmt sind und sich nicht auf deren hei­mat­li­che Gefilde beschränkten. 

Manche Leute in den USA woll­ten die­sen sinn­lo­sen Kampf gegen die reli­giö­sen Fanatiker eher been­den. Die Entscheidung jedoch blieb Trump über­las­sen, Biden setz­te es um mit bemer­kens­wer­ter Konsequenz. Jetzt sagen Kommentatoren (jeden­falls hier in Deutschland), dass sich die­se Entscheidung Bidens noch als sein schwers­ter außen­po­li­ti­scher Fehler erwei­sen könn­te. Ausgeschlossen ist das nicht, weil alles in ers­ter Linie davon abhängt, wie die Medien ein mög­lichst emo­tio­na­les Framing insze­niert bekommen. 

Die Taliban hat­ten «ver­spro­chen», sich den gro­ßen Städten vor­erst nicht zu nähern. Die Amis haben das geglaubt. Wie die Barbaren in den Regionen, in denen sie bis­her nichts zu sagen hat­ten, wüten wer­den, bleibt zwar abzu­war­ten. Für Optimismus besteht dies­be­züg­lich aller­dings kein Anlass. Es wird berich­tet, dass Hunderttausende von Menschen auf der Flucht sind. Der UNHCR berich­tet, dass allein seit Mai 244.000 Menschen ihre Heimat ver­las­sen haben. Seit Anfang die­ses Jahres waren es bereits fast 400.000.

Deutsche Medien berich­ten der­weil mit beschwich­ti­gen­dem Grundton, dass die Zahl von Flüchtlingen aus Afghanistan stei­gen wer­de. Sollte uns das wun­dern, ange­sichts der Tatsache, dass wir Deutsche das zweit­stärks­te Truppenkontingent nach den USA gestellt haben? Oder hat das mit dem Grad an Verantwortung für die­ses Elende nichts zu tun?

Biden sag­te, dass es jetzt die Aufgabe des afgha­ni­schen Volkes sei, die Dinge im Land zu regeln. Man wer­de das Land mit Militärausrüstung und finan­zi­ell unter­stüt­zen. Mit ande­ren Worten: Rein gar nichts, was wir in den nächs­ten Monaten und Jahren aus Afghanistan hören wer­den – und ich glau­be, das wird nichts Gutes sein! – wird dazu füh­ren, dass die Amis oder einer ihrer Verbündeten mili­tä­risch inter­ve­nie­ren werden. 

Ich fin­de das rich­tig und wir hät­ten uns viel frü­her aus die­ser merk­wür­di­gen Solidarität ver­ab­schie­den müs­sen. Also eigent­lich so, wie wir es doch stän­dig getan haben und wohl auch wei­ter tun. Dass mit dem Einsatz der Bundeswehr, von dem Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (+), SPD, vor Jahren im spe­zi­el­len Fall von Afghanistan ein­mal sag­te, dass unse­re Sicherheit auch am Hindukusch ver­tei­digt wer­de, dürf­te jeden­falls nicht auf ande­re Einsatzorte über­trag­bar sein. Deutsche Soldaten soll­ten – wie es lan­ge selbst­ver­ständ­lich war – kei­ne wie auch immer gear­te­ten Militäreinsätze über­neh­men. Erst dann, wenn Deutschland ange­grif­fen wür­de, ändert sich das. So soll­te es sein, als die Bundeswehr gegrün­det wur­de. Dann kam die unein­ge­schränk­te Solidarität. Allerdings hat­te Rot-Grün die­se Regel schon vor­her außer Kraft gesetzt. 

So bru­tal Bidens Aussage ist, frem­de Nationen soll­ten sich nicht in inter­ne Angelegenheiten eines Landes ein­mi­schen. Schon gar nicht militärisch. 

Dass der Rückzug exis­ten­zi­el­le Auswirkungen auf vie­le Menschen in Afghanistan hat, ist eine beklem­men­de Erkenntnis. Es ist uns nicht mög­lich, all die Menschen vor der Rache der Taliban zu schüt­zen, die jetzt geschützt wer­den müss­ten. Das Minimum an Freiheit, das man­che Afghaninnen und Afghanen in den Jahren schät­zen gelernt haben, kann nicht mit Waffengewalt auf Dauer ver­tei­digt wer­den – so sehr wir uns das auch wün­schen mögen. 

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9 Gedanken zu „Mitgefühl, Empathie. Alles gut und schön.“

  1. Wie vie­le ande­re, hab ich auch davor gewarnt. Man geht nicht ins fer­ne Ausland um da per Gewaltexzess eine «Demokratie» auf­zu­bau­en. Sowas muss heu­te noch immer lau­fen, wie anno dazu­mal bei den Franzosen.
    Es ist schlimm für die Leute dort (aus unse­rer Sicht). Was wäre aber, wenn wir nie da gewe­sen wären?
    Wenn man aber schon so blöd ist und meint das zu schaf­fen, was weder die Briten mit ihrem stol­zen Empire, noch die Russen, noch sonst irgend­wer dort geschafft haben, hin­zu­be­kom­men, dann musss man natür­lich sei­ne Helfer mit eva­ku­ie­ren, wenn alles (wie zu erwar­ten war) schei­tert. Man wäre aber am Besten nie da gewesen!
    Dieses Land war, ist und bleibt so wild und fremd für uns, wie Marxloh für die Polizei in NRW.
    Strucki war ein­fach zu oft von der Harley gestürzt und anschlie­ßend gegen den Glaskasten vom Bundestag gelau­fen, um da noch ein ver­nünf­ti­ges Wort her­aus­brin­gen zu können.
    Das was jetzt in Afghanistan pas­siert, war nur das, was wir als Besatzer bis­her ver­hin­dern woll­ten. Im 30jährigen Krieg hät­te da bei uns auch kei­ner mitgespielt.
    Klingt bar­ba­risch, aber ist so. Für Friede, Freude, Eierkuchen benö­tigst Du auch die Mitspieler. Wenn kei­ner dar­auf Bock hat, läuft das anders.
    Du kannst natür­lich des­we­gen dort immer wie­der ein- und aus­ma­schie­ren, nur ändert sich des­we­gen nix an der Ursache.
    Wann sind uns Deutschen nur die Fragen nach Ursache & Wirkung, sowie Potenz & Tendenz abhan­den gekom­men? Vor 200 Jahren? Kommt das in etwa hin? Wir haben in Afghanistan etwa soviel ver­lo­ren, wie die Amis noch bei uns.
    Ob die Afghanen auch ein Schild «Out Of Bounds!» hän­gen haben lassen?
    Den Terror müss­ten wir erst mal hier in den Griff bekom­men, bevor wir mei­nen, da ander­wei­tig tätig sein zu können. 

  2. Die Ereignisse brin­gen Menschen, die nie dafür waren, dort ein­zu­mar­schie­ren, in die Situation, das Abhauen der west­li­chen Militärs zu bedau­ern. Immerhin hat man den Afghanen einst ver­spro­chen, erst zu gehen, wenn ein sta­bi­ler Rechtsstaat eta­bliert ist. Und vie­le haben auch dar­auf gesetzt, haben sich gebil­det, Abschlüsse gemacht, Existenzen und Unternehmen gegrün­det, ein moder­nes Leben geführt. 

    Was gera­de ganz beson­ders schmäh­lich ist: das Verhalten der Bundesregierung in Bezug auf die Ortskräfte, die sich zu recht vor der Rache der Taliban fürch­ten. Erst 1700 wur­den aus­ge­flo­gen, tau­sen­de war­ten und ver­lie­ren lang­sam die Hoffnung. USA und GB haben extra noch­mal Truppen geschickt, um den Abzug ihrer Landsleute UND der Ortskräfte zu sichern. Es gibt sogar eine «Luftbrücke» mit täg­li­chen Flügen,

    Und Deutschland? Bräsige Stille und dann unkla­res Geschwurbel. Kürzlich hat sich sogar Merkel mit den Taliban getrof­fen, anschei­nend um Zusagen zum «Schutz der ver­blie­be­nen Ortskräfte» zu bekom­men. Ich den­ke mal, da wur­de auch Geld ver­spro­chen, anders ist das Statement von Heiko Maas kaum zu ver­ste­hen, der damit droht «kei­nen Cent mehr zu bezah­len», soll­te da pas­sie­ren, was alle erwar­ten: Dass die Taliban sich an gar nichts hal­ten wie auch bis­her und die Ortskräfte mas­sa­krie­ren, sobald sie ihrer hab­haft werden. 

    Grade gele­sen: Die Luftbrücke der USA will unse­re Regierung NICHT nut­zen.
    Diffus ist von viel­leicht ein bis zwei Charterflügen am Ende des Monats die Rede – ein Tropfen auf den hei­ßen Stein, wenns denn über­haupt passiert. 

    Man hat es offen­bar lie­ber, dass die Leute auf die Fluchtrouten gehen, da hat man evtl. noch die Chance, sie von Erdogan auf­hal­ten zu las­sen – es ist ein der­art beschä­men­des Verhalten, ich fas­se es nicht! 

  3. Auch lus­tig, dass die Evakuierungsflüge der Deutschen am Montag begin­nen sol­len. Stellen wir uns mal die dama­li­ge Ostfront mit «Hoch die Hände, Wochenende!» vor. Es wür­de aller­dings schon ziem­lich wit­zig anmu­ten, falls die Taliban dann Milde wal­ten las­sen wür­den. «Ach das sind halt die Deutschen, die haben das verpennt…»
    Dann steck­ten wir gleich dop­pelt in der Bredouille. 

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