Der „Presseclub“ fragte heute: Klimaziele – Großer Wurf oder große Illusion? Der sechste IPCC–Sachstandsbericht (AR6) (hier die kurze Zusammenfassung) ist in der vergangenen Woche sozusagen hart eingeschlagen.
Link: WGI: Naturwissenschaftliche Grundlagen – de-IPCC
Der vom Menschen verursachte Klimawandel wirkt sich bereits auf viele Wetter- und Klimaextreme in allen Regionen der Welt aus. Seit dem Fünften Sachstandsbericht (AR5) gibt es stärkere Belege für beobachtete Veränderungen von Extremen wie Hitzewellen, Starkniederschlägen, Dürren und tropischen Wirbelstürmen sowie, insbesondere für deren Zuordnung zum Einfluss des Menschen.
Aus den Hauptaussagen des sechsten IPCC-Sachstandsberichts (AR6)
Bestimmt ist es so, dass die Extremwetterereignisse dieses Jahres endgültig Sensibilität und Bereitschaft einer Mehrheit der Menschen erhöht haben, Maßnahmen gegen den Klimawandel zu unterstützen.
Viele Äußerungen verstehe ich so. Andererseits gibt es Führer in großen Ländern (China, Indien, Australien), die den Weg der Dekarbonisierung erklärter Weise nicht mitgehen werden, jedenfalls nicht in dem Terminrahmen, der notwendig ist. Die Aussagen dazu wurden kürzlich unmissverständlich getroffen. Ich habe mich hier über die Lage in China und Indien, gerade was das Thema Kohleförderung angeht, mehrfach geäußert.
Dass es Leute gibt, die das Thema für ideologische Zwecke gekapert haben, ist ein internationales Phänomen. Allerdings halte ich diese „Normalität“ nicht für das Entscheidende. Die Trolle der AfD werden die Entwicklung nicht bremsen. Ob dies die Republikaner in den USA vermögen, bleibt noch abzuwarten. Es ist kaum vorstellbar, dass die grundsätzliche Polarisierung im Land in der Breite auch die Erkenntnisse rund um den Klimawandel einschließen werden. In den USA wäre aus meiner Sicht mit einem neuen Präsidenten (Trump?) denkbar, dass alles noch einmal zurückgedreht würde.
Manchmal denke ich, je stärker wissenschaftliche Gewissheiten zugenommen und durch die Ereignisse dieses Jahres an Bedeutung gewonnen haben, desto mehr spielen demokratietypische Hürden eine große Rolle. Dass das so nicht stimmt, könnte man am Beispiel Chinas festmachen.
Link: Kohleatlas 2020
Eher als politische Grundsätze oder Meinungen sind es die nachvollziehbaren und berechtigten Interessen von Ländern und Regionen, die die Weltgemeinschaft daran hindern, wissenschaftlichen Empfehlungen zu folgen.
Ist es legitim, den Pro-Kopf-Ausstoß je Land zu benutzen, um den Deutschen zu demonstrieren, dass der prozentuale Gesamtanteil an den weltweiten CO2-Emissionen unsere Verantwortung in einem unzulässig günstigen Licht erscheint? Chinesen blasen pro Kopf weniger CO₂ in die Luft als wir Deutsche. Nun – auch mit den bekannten 2 % Anteil liegt Deutschland beim weltweiten Vergleich der Klimasünder ganz weit vorn (6. Stelle). Allerdings kommt es doch immer noch darauf an, welche absoluten Mengen an CO₂ emittiert werden, oder nicht? Einfach ist das nicht. Wenn wir dann noch in die Gleichung einbeziehen, dass wir aufgrund unserer industriellen Entwicklung so viele Jahre vor „den anderen“ dran waren. Wollen wir ernsthaft den Menschen in anderen Ländern den Wohlstand verwehren, den wir über Generationen genossen haben?
Wie soll man riesige Länder wie China oder Indien dazu bringen, die Kohleförderung einzustellen? Dass dort Millionen von Menschen existenziell von diesem Wirtschaftszweig abhängig sind, ist ein Faktum. Daneben steht ein horrender Bedarf an billiger Energie, es gibt Quersubventionierungen (Kohle / Bahn) zwischen diesem Wirtschaftszweig und anderen. Der Aufgabe der Kohleförderung könnte ein wirtschaftlicher Kollaps folgen. Wenn deutsche Umweltschützer behaupten, dass die erneuerbaren Energien auch in den von mir genannten Ländern Vorrang hätten, hat sich dies in diesem Jahr als falsche Aussage erwiesen. Ich erinnere an die Ergebnisse des letzten G-20 Treffens.
Trotzdem haben sich auch Russland und China – beide nur virtuell zugeschaltet – in der Abschlusserklärung verpflichtet, die Kohleverstromung auslaufen zu lassen, aber eben ohne Exit-Datum.
Klimawandel: China, Indien und Russland blockieren 1,5-Grad-Ziel
Es habe lange Diskussionen mit Russland, China und Indien gegeben. Vorerst ohne Erfolg.
Link: Urteil in Australien: Regierung muss Jugend vor Klimaschäden schützen | tagesschau.de
Link: Kohle befeuert Australiens Wut über die Buschbrände | Wirtschaft | DW | 10.01.2020
Link: Kohle: Australien wird zur „Emissions-Supermacht“
Link: Australien – Wichtigste Exportländer 2019 | Statista
Wenn wir es auf europäischer Ebene schaffen, unsere 5,8 Tonnen CO₂ – Emissionen je Einwohner auf null (2050!) zurückzufahren, wäre das eine gute Sache. Aber wie hoch wird der Preis dafür sein? Selbst innerhalb der EU dürfte das, insbesondere nach den Erfahrungen, die wir mit anderen Projekten hinsichtlich dieser schon legendären Uneinigkeit gemacht haben, ein dickes Brett sein. Eines, das wir auf europäischer Ebene mit diesen Werkzeugen nicht gebohrt bekommen werden. Ein Green Deal, der vielleicht nicht das Papier wert ist, auf das er gedruckt wurde.
Lehrreich und ernüchternd ist das Resultat des Gipfels dennoch. Das gegenseitige Vertrauen unter den Mitgliedstaaten ist weiter ausbaufähig und schmilzt, wenn es ums Geld geht. Das zeigen die Verhandlungen über den EU-Haushalt bis 2027. Doch der zur Klimaneutralität nötige Umbau von Wirtschaft, Gesellschaft und Alltag wird ohne Umverteilung kaum gelingen. Und die zurzeit dauernd bemühte „weltweite Führungsrolle“ in der Klimapolitik bleibt eine Floskel, wenn nicht mal im eigenen Klub alle zum Mitmachen bewogen werden können.
Klimaschutz – Die EU muss über Floskeln hinauskommen – Politik – SZ.de / Dezember 2019
70 % der Deutschen wollen viel strengeren Klimaschutz. Das ergab eine Umfrage der Europäischen Investitionsbank (EIB). Waren auch die bei der Umfrage dabei, die vehement gegen Tempo 130 auf den Autobahnen votierten oder die sich von der grünen Verbotspartei bedrängt fühlen, weil sie angeblich ihr Steak, ihre Flugfernreise, ihren SUV oder ihr Wunschhaus im Grünen nicht mehr realisieren können?
Umweltverbände und die Grünen halten vor allem das Ziel für 2030 für unzureichend. Um das Pariser Abkommen umzusetzen, müssten die Klimagase dann schon um 65 Prozent gesenkt sein, sagt zum Beispiel Greenpeace. Die Automobilbranche verweist darauf, dass sie bereits große Anstrengungen unternehme, um umweltfreundliches Fahren zu ermöglichen und der Übergang nicht zu überhastet geschehen solle. Ebenso im Zentrum der Kritik: die immensen Kosten, die auf die Bürger zukommen, aber auch die Anforderungen, den persönlichen Lebensstil zu überdenken.
„Green Deal“ – Europas Kampf gegen den Klimawandel
Von der Leyen hatte in einem Beitrag für die FAZ geschrieben, dass neun von zehn EU-BürgerInnen „entschlossenen Klimaschutz“ forderten. Natürlich wird durch diesen Klimaschutz so gut wie alles teurer. Nicht nur das Autofahren oder die Mieten. Schließlich, da dürfen wir sicher sein, werden noch ganz andere Anforderungen an unsere Portemonnaies gestellt werden. Wie es wohl um den entschlossenen Klimaschutz bestellt sein wird, wenn die Kosten und die damit verbundenen Wohlstandsverluste für alle offenkundig wurden?
Ich will diesen entschlossenen Klimaschutz unbedingt, wenngleich sich meine Litanei und mein Gejammer hier nicht unbedingt danach anhören. Angesichts der Bilder weltweiter Verwüstungen ist mir in diesem Jahr endgültig klar geworden, dass wir auf gar keinen Fall so weitermachen dürfen. Konzentrieren wir uns also auf die Maßnahmen, die wir machen können und hören wir auf, in die Vergangenheit zu schauen oder darauf, was andere tun oder tun sollten. Fangen wir an. Für uns und unsere Nachkommen.
Auf internationaler Ebene (UN?) sollten Gremien permanent tagen und wie weiland bei den Abrüstungsverhandlungen (im heutigen Presseclub kam der Vergleich) genaue Ziele und Meilensteine festgelegt werden, um konkrete Einsparungen von CO₂ Emissionen zu realisieren. Gleichzeitig wären wissenschaftliche Räte zu bilden, die eine ständige Evaluierung der bei den „Abrüstungsverhandlungen“ beschlossenen Maßnahmen vornehmen. Es könnte ein Bonus / Malus – System entwickelt und installiert werden, das Sanktionierungen beinhaltet. Es wäre mühsam, in den Verhandlungen gerechte Quoten und Regeln zu finden und so festzuschreiben, dass sie einen hohen Wirkungsgrad erzielen. Dafür müssen Wissenschaft und Politik im ständigen Gespräch bleiben, natürlich auf internationaler Ebene. Die sporadischen Treffen von führenden Industrienationen ist für diese Aufgabe nicht das geeignete Gremium.
Unterstützen wir politisch nur noch diejenigen, die uns bei der Mutter aller Themen zu überzeugen vermögen. Nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern – auch politisch – das unterstützen, was jetzt am ehesten Bewegung in die richtige Richtung verspricht.
Lassen wir aus Mutlosigkeit die Zügel weiter schleifen, werden spätestens unsere Nachkommen teuer dafür bezahlen.