Die richtigen Knöpfe drücken

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Ist es nicht para­dox, dass es zu unse­rem moder­nen Leben im Infor­ma­ti­ons­zeit­al­ter gehört, uns viel zu leicht beein­flus­sen zu las­sen und auf so man­che Mel­dung ganz schön vor­ei­lig reagieren? 

Wir erken­nen den Feh­ler, auch wenn wir ihn ungern ein­räu­men. Zur öffent­li­chen Kor­rek­tur sehen wir in der Regel kei­ne Ver­an­las­sung. Die Medi­en übri­gens auch nicht.

Im rich­ti­gen Kon­text las­sen „wir“ uns noch ein­mal leich­ter mani­pu­lie­ren. Vor allem, wenn Emo­tio­nen im Spiel sind. 

Die hit­zi­gen Debat­ten über Anti­se­mi­tis­mus auf deut­schen Stra­ßen schien einem grü­nen Abge­ord­ne­ten der rich­ti­ge Moment zu sein, sei­ne per­sön­li­chen Erfah­run­gen mit deut­schem Ras­sis­mus mit einer zwei­mo­na­ti­gen Ver­spä­tung zu bekla­gen. Das Inter­view woll­te sich „Die Zeit“ nicht ent­ge­hen lassen. 

„Ich habe Krieg und Flucht erlebt, aber mich nie so hilf­los gefühlt“

Tareq Alaows: „Ich habe Krieg und Flucht erlebt, aber mich nie so hilf­los gefühlt“ | ZEIT ONLINE

Also, mit ande­ren Wor­ten: Der Ras­sis­mus in Deutsch­land ist schlim­mer als jede Erfah­rung von Krieg und Flucht.

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Man­che wer­den Alaows Aus­sa­ge bloß als eine wei­te­re Bestä­ti­gung des­sen betrach­ten, was ihnen deut­sche Medi­en, lin­ke und grü­ne Akti­vis­ten zeit­lich eng getak­tet erzählen.

Wahr­schein­lich lesen vie­le die Arti­kel, die sie eini­ger­ma­ßen will­kür­lich aus einem über­wäl­ti­gen­den Online-Ange­bot her­aus­fi­schen. Adäqua­te Werk­zeu­ge sind Goog­le News, Feed­rea­der, agg­re­gier­te Nach­rich­ten­sei­ten, Ticker oder Abos. Lei­der wer­den vie­le sich von den aso­zia­len Netz­wer­ken fischen las­sen. Und ja, es ist klar, dass auch die von mir genann­ten Tools von Algo­rith­men gesteu­ert werden. 

Dass lan­ge bekannt ist, wel­che Nach­rich­ten dort an den Top-Posi­tio­nen ver­kauft wer­den, soll­te eigent­lich zu einem Umden­ken geführt haben. 

Die ziel­ge­rich­te­te Anma­che der Algo­rith­men ist immer noch Trumpf. Egal, was man viel­leicht dar­über gele­sen hat. Mei­ne Ori­en­tie­rung hat sich mit dem Aus­stieg aus den aso­zia­len Medi­en ver­än­dert. Schwie­rig bleibt es trotz­dem, nicht den Über­blick zu ver­lie­ren (Quel­len­kri­tik).

Gibt es in Euro­pa, über­haupt auf der Welt, noch ein Land, in dem kras­se Selbst­vor­wür­fe und ‑Zer­flei­schung wg. Ras­sis­mus und Anti­se­mi­tis­mus so omni­prä­sent sind wie in Deutsch­land? Hat­te Deutsch­land sich nicht jahr­zehn­te­lang gera­de­zu damit gebrüs­tet und vom Aus­land dafür loben las­sen, dass Ent­ste­hung und Aus­wir­kung der Sho­ah auf­ge­ar­bei­tet wur­den bzw. dass eine gesell­schaft­li­che Auf­ar­bei­tung der Nazi-Gewalt­herr­schaft nach der Ära der 1968-er end­lich in Gang gesetzt wur­de? Dass man­che Kon­ser­va­ti­ve davon heu­te nichts mehr wis­sen möch­ten, irri­tiert mich immer noch. Aber das wür­de ihr nega­ti­ves Nar­ra­tiv der 68-er Gene­ra­ti­on ja emp­find­lich stören.

Empi­risch belegt ist, dass bis heu­te ca. 20 Pro­zent der Deut­schen emp­fäng­lich für Anti­se­mi­tis­mus und Ras­sis­mus sind, angeb­lich lei­der mit stei­gen­der Ten­denz. Die Ursa­che dafür liegt ver­mut­lich aber weni­ger im Auf­tau­chen der AfD. Es wur­de ver­säumt, kla­re Hal­tung zu kom­mu­ni­zie­ren und es den Rech­ten zu über­las­sen, so dass sie ihre Nar­ra­ti­ve in der Öffent­lich­keit prä­sen­tie­ren konn­ten. Vor allem fehlt es die­sem Staat und den sie reprä­sen­tie­ren­den Poli­ti­kern an Mut und Kon­se­quenz. Ich wünsch­te, sie besä­ßen die Klar­heit eines Ahmad Man­sour. Er hat erst ges­tern bei „Mar­kus Lanz“ ein­mal mehr die rich­ti­gen und vor allem die unmiss­ver­ständ­li­chen Wor­te gefun­den, die sich unse­re Regie­rungs­mit­glie­der end­lich zu eigen machen sollten.

Wir soll­ten stolz auf unse­ren Rechts­staat sein können. 

Er funk­tio­niert an man­chen Stel­len nicht gut. Wenn Bürger*Innen die Recht­spre­chung nicht nach­voll­zie­hen kön­nen, kann das mal vor­kom­men. Aber es pas­siert zu häu­fig. Ich mag mir nicht aus­ma­len, was im Land los sein wür­de, wür­de der vor zwei Jah­ren end­lich aus­ge­wie­se­ne Clan-Chef Miri vor Gericht recht bekom­men und wie­der in Deutsch­land leben dürf­te. Ich hal­te es lei­der nicht für aus­ge­schlos­sen. Vier Kla­gen sind anhän­gig. Aus mei­ner Skep­sis spricht ein Ver­trau­ens­pro­blem, das sich die Ver­ant­wort­li­chen im Staat anrech­nen las­sen müssen. 

93 Poli­zis­ten wur­den dabei ver­letzt, als sie anti­jü­di­sche, vor allem aber gewalt­tä­ti­ge Demons­tra­tio­nen von migran­ti­schen Anti­se­mi­ten ein­däm­men muss­ten. Wie groß ist der Rück­halt für die Poli­zei? Die Fra­ge kann jeder selbst beant­wor­ten. In der Inter­net-Öffent­lich­keit gibt es ihn jeden­falls kaum. Es ist bezeich­nend, dass Unter­stüt­zung der Poli­zei oft nur von rech­ten Het­zern gewährt wird. 

Dass „die Deut­schen“ ande­rer­seits als homo­ge­ne Eth­nie nur noch mit abneh­men­der Ten­denz gibt, spielt eigen­tüm­li­cher­wei­se dann aber kei­ne Rol­le, wenn es um Ras­sis­mus­vor­wür­fe geht. In den USA ver­än­dert sich die eth­ni­sche Zusam­men­set­zung eben­falls stark. Es ist nicht mehr lan­ge hin, bis der wei­ße Bevöl­ke­rungs­an­teil in der Min­der­heit ist. 

Der Supre­me Court mach­te Wahl­be­trug wie­der legal

Ger­ry­man­de­ring, der Zuschnitt der Wahl­krei­se nach poli­ti­schem Wunsch, wur­de wie­der Mode. Einer Stu­die von Ende 2019 zufol­ge wur­den seit dem Urteil mehr als 1600 Wahl­be­zir­ke in jenen Bun­des­staa­ten auf­ge­löst, die unter der Kon­trol­le des Voting Rights Act stan­den. Vor allem für Afro­ame­ri­ka­ner sind die Wege zum nächs­ten Wahl­lo­kal dadurch län­ger geworden.

Die USA, eine kaput­te Demo­kra­tie – Poli­tik – SZ​.de

Die­se Aus­sicht führt mit dazu, dass sich die Repu­bli­ka­ner in rechts­extre­mis­ti­sche Par­tei ver­wan­delt hat. Ihre Mit­glie­der ver­su­chen mit aller Gewalt die Betei­li­gung schwar­zer Bevöl­ke­rungs­tei­le bei den Wah­len zu ver­hin­dern. So unglaub­lich und rück­wärts­ge­wandt dies sein mag, es ent­spricht den Tat­sa­chen. Und das ist nur eine Maß­nah­me der Repu­bli­ka­ner, um den Sta­tus quo not­falls mit Gewalt zu erhal­ten. Man kann nur hof­fen, dass dies in euro­päi­schen Län­dern, auch in Deutsch­land, nicht eben­so dar­stel­len wird.

In Deutsch­land hat jeder vier­te Mensch einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund, sagt die Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bildung. 

Hin­ter jedem Fens­ter
Is a klo­ane gro­ße Wöd
Und viel­leicht des, wos uns trennt hod
Goa ned des, wos zöhlt

Ina Regen, Fenster

Es wird viel gemault und bei mir ent­steht der Ein­druck, dass fast alles schlecht ist, was in Deutsch­land pas­siert. Wären die Zei­ten nicht so furcht­bar, könn­te man dar­über viel­leicht sogar schmun­zeln. Aber…

Es spielt fast kei­ne Rol­le mehr, ob es um Anti­se­mi­tis­mus, Ras­sis­mus, Sexis­mus, Opfer­zah­len wäh­rend der Coro­na-Pan­de­mie, um die Coro­na-Imp­fun­gen, die Coro­na-Maß­nah­men, die maro­de Infra­struk­tur, die Defi­zi­te bei der Digi­ta­li­sie­rung oder um die aktu­ell hoch­ge­jazz­te Über­las­tungs­de­bat­te geht (Inten­siv­ab­tei­lun­gen), irgend­was fin­det sich, um Zwei­fel am Sys­tem zu nähren. 

Das The­ma von Prof. Schrap­pe wur­de von man­chen Medi­en begie­rig auf­ge­grif­fen. Natür­lich wird auch die Aus­sa­ge instru­men­ta­li­siert, dass man­che Medi­en dies nicht getan haben. Genau­er gesagt, noch nicht getan haben. BILD setz­te sich erst auf die­ses The­ma, als ande­re es schon aus­ge­lutscht hatten. 

Der Ein­druck wird geschürt, dass die Inten­siv­me­di­zi­ner dabei gehol­fen hät­ten, uns für wei­te­re Coro­na-Maß­nah­men der Regie­rung gefü­gig machen oder dass sich die Kran­ken­häu­ser sozu­sa­gen an der Pan­de­mie berei­chert haben könnten… 

Wer kann bei die­sem hohen Durch­drin­gungs­ni­veau und dem auf Ver­nich­tung ange­leg­ten Kam­pa­gnen­jour­na­lis­mus (Gif­fey ist übri­gens heu­te als Fami­li­en­mi­nis­te­rin zurück­ge­tre­ten, Focus bemüht sich mit ihren rechts-kon­ser­va­ti­ven Jour­na­lis­ten die Grü­nen zu zer­trüm­mern) wider­ste­hen und wenigs­tens man­che Essenz aus erkenn­bar ein­sei­ti­gen und oft schlecht­mei­nen­den (Des-)Informationsangeboten.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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