Schuldige suchen ist ein erfüllendes Hobby

Die Poli­tik der AfD und der FDP scheint von Schuld­zu­wei­sun­gen geprägt. Mehr haben die nicht drauf! Immer sind es die ande­ren. Die Medi­en haben sich inzwi­schen ange­schlos­sen. Alle wis­sen es bes­ser als die ver­ant­wort­li­chen Poli­ti­ker in Ber­lin und in den Ländern.

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Poli­ti­ker müs­sen sich eine Men­ge gefal­len las­sen. Das konn­te man ges­tern Abend bei „May­brit Ill­ner“ wie­der erle­ben. Sascha Lobo ging den eben­falls anwe­sen­den Kanz­ler­amts­chef Hel­ge Braun in einer nass­for­schen, unver­schäm­ten Art und Wei­se an.

Lobo und Braun saßen sich gegenüber 

Ich möch­te gar nicht bezwei­feln, dass an den Details, die Lobo ange­spro­chen hat, etwas dran war. Aber so soll­ten wir nicht mit unse­ren Poli­ti­kern spre­chen! War nicht gera­de Lobo einer von denen, die angeb­lich ihre Dis­kurs­fä­hig­keit ver­bes­sern woll­ten – dem Gan­zen zulie­be? Das hat­te er sicher vergessen.

Mir hat gefal­len, wie Hel­ge Braun Lobos Unver­schämt­hei­ten abper­len ließ.

Poli­ti­ker sind bekannt dafür, dass sie auf kon­kre­te Fra­gen grund­sätz­lich nie kon­kret ant­wor­ten, son­dern immer aus­wei­chen oder drum her­um­re­den. Das hat Braun nicht gemacht. Er hat Lobo igno­riert. Und – bei aller Wert­schät­zung, die ich für Lobo hege, in die­sem Fall war das genau rich­tig! In die­ser Woche sind mir erneut eine Viel­zahl von Wich­tig­tu­ern und Bes­ser­wis­sern im TV auf­ge­fal­len. Dazu gehör­te neben der Jour­na­lis­tin Susan­ne Gasch­ke, Welt, eben die­ser Sascha Lobo. 

So sehr ich ihren Mann, den lang­jäh­ri­gen SPD-Abge­ord­ne­ten Peter Bartels, für sei­ne gute und beson­ne­ne Arbeit schät­ze, so sehr hal­te ich sei­ne Frau für eine Fehl­be­set­zung. Wie der SPD-Frak­ti­ons­chef bzw. die SPD-Frak­ti­on den ver­dien­ten Bartels als Wehr­be­auf­trag­ter des Bun­des­ta­ges qua­si gegen die lin­ke SPD-Abge­ord­ne­te Eva Högl, aus­ge­boo­tet haben, war in mei­nen Augen unwür­dig.

Penetrante Vorwürfe, die niemandem helfen

Der Kurz­auf­tritt Gasch­kes in Kiel spricht Bän­de über ihre Qua­li­tät als Poli­ti­ke­rin. Und so eine Frau erlaubt es sich, ihre Ex-Kol­le­gen in die­ser Art und Wei­se anzu­ge­hen. So etwas kann man nur tun, weil die Medi­en in jeg­li­cher Hin­sicht einen Frei­brief besit­zen. Die ver­sor­gen die ver­fluch­ten Nörg­ler und Kri­tik­as­ter im Land wäh­rend die­ser schlim­men Pan­de­mie mit Halb­wahr­hei­ten und Behaup­tun­gen, für die sie oft genug nicht ein­mal zur Rechen­schaft gezo­gen wer­den. Ihre Leicht­fer­tig­keit begrün­den sie zu allem Über­fluss damit, dass sie schließ­lich ja die Auf­ga­be hät­ten, die Men­schen im Lan­de zu infor­mie­ren. Zum Glück gibt es noch vie­le, die die­sem Ethos wirk­lich ver­pflich­tet sind. Sonst wäre es im Moment kaum mehr aus­zu­hal­ten. Gell, Herr Feldenkirchen?

Der Allein­un­ter­hal­ter des ZDF, Mar­kus Lanz, führt für mich in die­ser nega­ti­ven Hin­sicht die „ewi­ge Bes­ten­lis­te“ an. Hat der Mann kei­ne Bera­ter, die ihm mal bei­bie­gen könn­ten, wie sei­ne Mimik und Ges­tik die Leu­te ankotzen? 

Und jetzt komm mir bloß kei­ner mit dem AUS-Knopf! 

Drosten macht sich rar

Heu­te habe ich beim Spie­gel ein Inter­view mit Prof. Dros­ten gele­sen. Der Mann macht sich rar, nach­dem er am eige­nen Leib zu spü­ren bekom­men hat­te, wie die deut­schen Medi­en (die Öffent­lich­keit sowie­so) mit denen umge­hen, die sie zuerst „hoch­ju­beln“ und dann bru­tal demon­tie­ren. Im Inter­view gab es eini­ge Stel­len, die mit Wis­sen­schaft und der Pan­de­mie wenig zu tun haben. 

SPIEGEL: Einen grö­ße­ren Scha­den als ­Coro­na-Leug­ner haben im ver­gan­ge­nen Jahr wohl Exper­ten ange­rich­tet, die immer wie­der gegen wis­sen­schaft­lich begrün­de­te Maß­nah­men argu­men­tiert haben, zum Bei­spiel Jonas Schmidt-Cha­na­sit und Hen­drik Stre­eck. Prio­ri­tät müs­se es haben, die Risi­ko­grup­pen zu schüt­zen, hör­te man oft aus die­sem Lager. Dabei ist längst klar, dass das bei hohen Fall­zah­len nicht funk­tio­niert. Wann platzt Ihnen der Kra­gen?

Dros­ten: Wol­len Sie, dass ich jetzt Kol­le­gen nament­lich kri­ti­sie­re? Ich hal­te nichts davon, ad per­so­nam zu gehen.

Chris­ti­an Dros­ten zu Coro­na: »Wir müs­sen durch­hal­ten – und vor allem: auf die Brem­se tre­ten« – DER SPIEGEL

Nie­mand dürf­te die Erklä­rungs­ver­su­che aus der Wirt­schaft und selbst eines Teils der Medi­en über­hört haben, die immer wie­der dar­auf hin­wei­sen, wie wis­sen­schaft­li­che Arbeit funk­tio­niert und wes­halb es eben nicht so ist, dass jede Debat­te, jede Dis­kus­si­on dar­auf schlie­ßen lässt, dass sich die Betei­lig­ten nicht lei­den könn­ten oder sich gegen­sei­tig die Kom­pe­tenz abspre­chen. Wenn es nur nicht so beschwer­lich wäre, dass selbst Wis­sen­schaft­ler, auf die ein Durch­schnitts­bür­ger wie ich natür­lich hoch­schaut, bestimm­te Ereig­nis­se wäh­rend die­ser Pan­de­mie nicht vor­aus­sa­hen und oft genug mit Annah­men ope­rier­ten. Ich fin­de, dass alle oder jeden­falls fast alle, die stän­dig im TV und in den Medi­en ver­tre­ten waren, die­se „Nor­ma­li­tät“ hin­rei­chend beschrie­ben haben. Außer die Medi­en. Von die­sen haben man­che (BILD wie immer vorn­weg) es sich zur Auf­ga­be gemacht, jeden Unter­schied, jede abwei­chen­de For­mu­lie­rung hoch­zu­jazzen und damit erst die Stim­mung im Land erzeugt, die uns an so an unse­re Gren­zen gebracht hat.

Interdisziplinäre Unsicherheiten

Auf der ande­ren Sei­te fin­de ich es irri­tie­rend, wenn von immer ande­ren Wis­sen­schaft­lern, – ich hat­te übri­gens kei­ne Vor­stel­lung davon, wie vie­le es mit den momen­tan gefrag­ten Spe­zi­al­ge­bie­ten in Deutsch­land über­haupt gibt – neue Wege aus der Kri­se beschrie­ben wer­den. Oft­mals sogar mit freund­li­chen Hin­wei­sen dar­auf, wie falsch man die Vor­schlä­ge des einen oder ande­ren Kollegen*innen fin­det. Ob das nun auch zu den übli­chen Usan­cen in die­sem Metier zählt? Ich weiß es nicht. 

Dass die „Leo­pol­di­na“ – unse­re Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten seit eini­gen Mona­ten in die Gesprä­che ein­be­zo­gen wur­de, fand ich gut. End­lich waren nicht mehr „nur“ Viro­lo­gen oder Epi­de­mio­lo­gen gefragt, son­dern die auch von Medi­en gefor­der­ten inter­dis­zi­pli­nä­ren Berei­che. Was dann geschah? Ein Mit­glied trat aus Ärger über die soge­nann­te zwei­te Ad-Hoc Stel­lung­nah­me der „Leo­pol­di­na“ zurück und mach­te aus sei­nem per­sön­li­chen Ärger über den Inhalt kei­nen Hehl. Ich fin­de sol­che Allein­gän­ge, deren Öffent­lich­keits­wir­kung vor­aus­seh­bar ist, schä­big und vor allem über­haupt nicht zielführend.

Jeder Ministerpräsident:in hat einen eige­nen Berater:innenstab. In NRW hat­te Laschet von Beginn an ein inter­dis­zi­pli­nä­res Kol­le­gi­um an sei­ner Sei­te. Ich weiß nicht, ob es des­halb in unse­rem Land bes­ser gelau­fen ist als dort, wo es viel­leicht anders aus­ge­se­hen hat. 

Fehlender Impfstoff (Wie kann das sein?)

Allein die Dis­kus­sio­nen über den „feh­len­den“ Impf­stoff las­sen einen doch schier ver­zwei­feln. Ich mei­ne, das so, dass ich am Ver­stand der­je­ni­gen zweif­le, die nichts ande­res im Kopf haben, als für die aktu­el­le Lage irgend­wel­che Poli­ti­ker zur Ver­ant­wor­tung zu zie­hen. Die Kurz­form der haupt­säch­li­chen Vor­wür­fe ist: Wie kann es in dem Land, in dem der Impf­stoff erfun­den wur­de, sein, dass er nicht zual­ler­erst auch in die­sem Land in benö­tig­ter Men­ge zur Ver­fü­gung steht? Wer das als natio­na­lis­tisch begreift, liegt in mei­nen Augen ganz rich­tig. Die Poli­tik hat immer gesagt, dass sie eine „nor­ma­le“ Zulas­sung des Impf­stof­fes möch­te, u.a. des­halb, damit den in Deutsch­land aber auch anders­wo star­ken Grup­pen der Impf­geg­ner das Was­ser von der Müh­le genom­men wird. Viel­leicht wäre es ver­tret­bar und rich­tig gewe­sen, bei allen der mög­li­chen Aspi­ran­ten unter den Impf­stoff­her­stel­lern mil­lio­nen­fach zu bestellen. 

Bei den finan­zi­el­len Mit­teln, die wir für die Fol­gen der Pan­de­mie allein bei uns ein­set­zen, wäre das mög­li­cher­wei­se ver­tret­bar gewe­sen. Außer­dem hieß es immer, dass jeder Coro­na-Tote einer zu viel sei. Wenn wir den­ken, dass nur die Imp­fung ein wirk­sa­mer Schutz ist, hät­ten wir alles dafür tun müs­sen, dass genü­gend Impf­stoff von vorn­her­ein zur Ver­fü­gung steht? Was für ein Blöd­sinn! Ers­tens erin­ne­re ich mich noch an die Dis­kus­sio­nen, die vor etwa 10 Jah­ren geführt wur­den. Damals hat­te die Regie­rung Mil­lio­nen Dosen des Schwei­negrip­pe-Impf­stof­fes geor­dert. Das vie­le Geld hät­te man auch gleich ver­bren­nen kön­nen. Das Serum wur­de nie in den Men­gen benö­tigt, in denen es beschafft wur­de. Die Medi­en beka­men sich nicht mehr ein ob so viel unbe­dach­ter Hand­lung unse­rer Politik. 

Internationaler Wettkampf (Europe, better germany first!)

Das Impf­the­ma wird von den Medi­en zum inter­na­tio­na­len Wett­kampf auf­ge­bauscht. Es gibt Ran­kings dar­über, wie viel Pro­zent der Bevöl­ke­rung bis­her schon geimpft wur­de. Und Deutsch­land steht nicht vor­ne! Das geht natür­lich über­haupt nicht. 

Mei­ne Schwes­ter (Sto­ma-The­ra­peu­tin) hät­te ges­tern im Kran­ken­haus geimpft wer­den sol­len. Kurz­fris­tig wur­de der Ter­min abge­sagt, weil kein Impf­stoff zur Ver­fü­gung steht. Shit hap­pens! Sie war skep­tisch und woll­te sich trotz­dem imp­fen las­sen. Bei mir wäre das nichts anders. Aber ich sage: Ich war­te, bis ich dar­an bin. Was ist so schwer dar­an, die­sen ein­fa­chen Satz mal auf­zu­schrei­ben, anstatt immer neue Ver­glei­che und Feh­ler­zu­wei­sun­gen in die Welt zu schicken?

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Corona Diskussionen Impfstoff Impfungen Maischberger

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2 Gedanken zu „Schuldige suchen ist ein erfüllendes Hobby“

  1. Ich war­te, bis ich dran bin.
    Ganz unab­hän­gig davon, was ich von dem Beginn der Impf-Pha­se hier bei uns im Land hal­te und wie das neu­er­lich die Fra­ge in mir auf­wirft, ob wir eigent­lich über­haupt noch irgend­et­was rich­tig „kön­nen“, sage ich ein­fach: Ich war­te, bis ich dran bin.

    Recht hast du, und es wür­de ja auch nichts ändern, wenn wir uns jetzt in die Rei­hen der noto­ri­schen Nörg­ler ein­rei­hen. Dadurch wür­de nichts auf irgend­ei­ne wun­der­sa­me Wei­se beschleuningt.

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