Moralische Argumente sind bequem

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Der Kölner Stadt-​Anzeiger zeigt heu­te auf sei­ner Titelseite ganz oben ein Foto von Olaf Scholz bei der Begrüßung durch den sau­di­schen Prinzen. Im Bild erscheint der Titel: „Handschlag für Energie”.

Moralisches Urteil vorab

Weiter unten heißt es: „Kanzler Scholz reis­te zum umstrit­te­nen sau­di­schen Kronprinzen bin Salman”, dar­un­ter die Bildunterschrift. Sie lau­tet: „Mohammed bin Salman (r.) wird beschul­digt, Drahtzieher des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi zu sein”. 

Inhaltlich folgt der Kölner Stadt-​Anzeiger also inzwi­schen dem Vorgehen der Boulevardpresse. Dort wer­den Aufmacher mit vie­ler­lei Unsinn in durch­sich­ti­ger Absicht plat­ziert und – auf noch ein­mal nied­ri­ge­rem Niveau – erst auf Folgeseiten was Inhaltliches verzapft.

Die asozialen Netzwerke bzw. deren Taktgeber haben das angerichtet

Mir fällt immer häu­fi­ger auf, dass Medien (die aso­zia­len ohne­hin) haupt­säch­lich mit mora­li­schen Argumenten ope­rie­ren. Es ist ein­fach, mora­li­sche Standpunkte ein­zu­neh­men, zumal Menschen so leich­ter ansprech­bar und zu über­zeu­gen (oder zu mani­pu­lie­ren [sic?]) sind. 

Wer möch­te schon unmo­ra­lisch sein? Besonders bei den Diskussionen über Russlands Krieg gegen die Ukraine gibt es nur eine rich­ti­ge Haltung. Diese ist mora­lisch so auf­ge­bla­sen, dass es bei­na­he sinn­los scheint, ande­re Argumente über­haupt auch nur in die Debatte ein­zu­füh­ren. So man­cher kann davon ein Lied sin­gen. Wir reden über euro­päi­sche Werte und las­sen gleich­zei­tig zu, dass Frontex die­se Werte an den EU-​Außengrenzen auf eine Art und Weise anwen­det, von der wir lie­ber nichts hören und sehen mögen. Wir sind für alles, was dort ange­rich­tet wird, direkt ver­ant­wort­lich – nicht die Russen.

Die SPD als das eher sper­ri­ge Moment in die­ser Regierung sieht sich immer wie­der mit mora­li­schen Argumenten aus der eige­nen Koalition kon­fron­tiert. Insbesondere die Grünen haben die Disziplin an sich rich­tig zur Blüte gebracht haben. Aber auch die FDP mit Frau Strack-​Zimmermann hat das drauf.

Bequemes Argument

Ich ste­he nicht mit allem, was von den Grünen kommt, auf Kriegsfuß, aber ein­ver­stan­den mit dem bin ich nicht, was Scholz, Habeck und Lindner ablie­fern. Da ist viel Luft nach oben. Die Union ist in allen Umfragen längst wie­der stärks­te Kraft in Deutschland

Ob allein das Laschet-​Drama der Grund für den zwi­schen­zei­ti­gen Absturz war? Ich wür­de das nicht behaup­ten. Schließlich waren CDU/​CSU in so man­cher Hinsicht der Inbegriff des Gegenteils einer fort­schritt­li­chen Politik. 

Also woll­ten die Leute etwas ande­res. Keiner ahn­te, dass etwas ande­res nicht zwin­gend etwas Besseres sein soll­te. Es ist erschre­ckend, dass ein Mann, der sich selbst wohl als Führungsmonster anpries, so ver­sa­gen konnte.

Opportunität und Vernunft verzweifeln an der Moral 

Ich sehe, dass uns bei die­ser Gelegenheit ent­schei­den­de Aspekte zu ent­glei­ten schei­nen, vor allem, weil sie unse­rer Aufmerksamkeit ent­ge­hen. Viele unse­rer Meinungsbildner beschäf­ti­gen sich vor­ran­gig damit, das zu sagen oder auf­zu­schrei­ben, von dem sie aus­ge­hen, dass es gehört wer­den soll. Moral sticht Zweckmäßigkeit und Vernunft.

Ich fra­ge mich, war­um bestimm­te Mitglieder der Regierung eines Landes, des­sen Wirtschaft wie kaum eine ande­re von güns­ti­ger Energie abhän­gig ist, von sich aus das Thema Boykott der Gas- und Öllieferungen for­cie­ren kann. Oder wur­de zuvor hin­rei­chend geprüft, wel­che Konsequenzen dies haben wür­de. Weitsicht und Eigeninteresse schei­nen für die Moralapostel in unse­rem Land, die eine heu­te längst nicht mehr sta­bi­le Mehrheit reprä­sen­tie­ren, ver­werf­li­ches Zeug sein. 

Es ist zu ein­fach gewor­den, vom Mainstream abwei­chen­de Standpunkte gering­zu­schät­zen bzw. völ­lig aus dem Diskurs zu verbannen. 

Ihre Urheber wer­den rüde ange­gan­gen und damit jede Bereitschaft zur Debatte im Keim erstickt. Aber angeb­lich gibt es kei­nen ver­eng­ten Meinungskorridor in die­sem Land. Jeder kann sagen, was er denkt und muss nur mit der Gegenrede rech­nen und klar­kom­men. Was das im Detail bedeu­tet, las­sen die­je­ni­gen, die so argu­men­tie­ren, nicht durchblitzen. 

Demokratische Fallstricke

Zu vie­le betei­li­gen sich am unde­mo­kra­ti­schen Umgang mit ande­ren Meinungen. Dabei sind gera­de die­je­ni­gen, die das tun, sonst doch so klar für den Schutz von Minderheitenmeinungen. War es nicht immer so, dass unter­schied­li­che Meinungen nicht nur die Debatten bele­ben, son­dern dass sie viel­mehr ein Lebenselixier für jede Demokratie sind? 

– Hier so ein typi­sches Beispiel von heute: 

Wieso ahnt die­ser Autor, dass Anna Schneider (ich kann sie nicht lei­den), mit Faschisten sym­pa­thi­siert? Das ist kei­ne Art, sich mit sol­chen Dingen aus­ein­an­der­zu­set­zen. In die­sem Fall mora­li­sie­ren gleich bei­de Parteien. Nun – ist ja auch Twitter. Für die poli­ti­schen Verhältnisse tra­gen vie­le Faktoren Verantwortung. Allein die Tatsache, dass die Wahlbeteiligung einen his­to­ri­schen Tiefstand erreicht hat, macht deut­lich, dass die Wurzeln des Problems lan­ge zurückliegen. 


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