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Warum 50 Jahre alter „ekelhafter Charme“ für einen Artikel immer gut ist.

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Im Januar 1973 war ich 19 Jahre alt. Die erste Folge von „Ein Herz und eine Seele“ wurde ausgestrahlt – noch in schwarz-weiß. Ekel Alfred ⎯ war der Dreh- und Angelpunkt einer Familie, die sich von ihm mehr oder weniger terrorisieren ließ. Alle Schauspieler, die diesen Erfolg deutscher TV-Geschichte, der vom genialen Wolfgang Menge erdacht wurde, leben leider nicht mehr.

Wie das britische Comedy-Urgestein „Der 90. Geburtstag“ (legendär auch als „Dinner for One“), läuft auch Ekel Alfred an Silvester Jahr für Jahr in den 3. Fernsehprogrammen. Beifall ist bis heute garantiert.

50. Jubiläum

Das muss nicht jedem gefallen. Allerdings bietet das 50-jährige Dienstjubiläum der Serie ums Ekeln für manchen einen willkommenen Anlass, DEN DEUTSCHEN einmal wieder ihre ganze Schäbigkeit vor Augen zu führen. Jedenfalls den Generationen, aus dem sich 1973 das TV-Publikum rekrutierte.

Ich habe viel Zeit für Mehrteiler. So habe ich erst gestern in der ZDF-Mediathek die drei Folgen der Serie „Hitlers Macht„, angesehen. Sehr empfehlenswert!

Böse Geschichte ist eigentlich gar nicht Geschichte

Vorher hatten meine Frau und ich uns einen weiteren Teil unserer derzeitigen Lieblingsserie „Haus der Träume„, via rtl+ ansehen. Es war die 5. Folge der 2. Staffel. Wir können diese wunderbare Serie mit tollen Darstellern nur wärmstens empfehlen. Inzwischen spielt die Handlung im Jahr 1933. Hitler ist an der Macht und auch für die jüdischen Familien, die im Mittelpunkt der Serie stehen, wird die aufziehende Dimension des Nazi-Terrors immer greifbarer.

Haus der Träume, rtl+

Man kann sich trotz der grandiosen Schauspielleistungen und der Regie wohl nicht vorstellen, wie groß das Grauen eigentlich war und wie stark auch in diesen ersten Jahren nach Hitlers Machtergreifung der Druck auf jüdische Familien gewesen sein muss. Dass es im Umfeld der Familie Grünberg und Goldmann Freunde gab, auf die noch Verlass ist, kann die herrschenden Verhältnisse nicht überdecken. Wie viele Deutsche sich bereitwilligst dem Wahn des „Führers“ angeschlossen haben, wird selbst in der fiktiven Geschichte von rtl+ deutlich. Hat man auch die von mir erwähnte (aktuelle) Doku gesehen, bestehen keine Zweifel an der großen und wohl unverzeihlichen Schuld eines Volkes, das angeblich so intensiv Vergangenheitsbewältigung betrieben hat.

So viel dazu. Was ich in der „Jüdischen Allgemeinen“ allerdings über „Ein Herz und eine Seele“ und Ekel Alfred lese, macht mich trotzdem wütend. Ich erwähnte, dass ich damals 19 Jahre alt war. Ich habe mir fast alle Folgen angesehen und erinnere mich auch an die Diskussion, die sich um diese Serie herum abspielte. Mich hat der Grad an politischer Unkorrektheit, den Wolfgang Menge uns zumutete, beschäftigt und unterhalten. Aber zugegeben: ich hing eher an den Lippen Alfred Tetzlaffs und war weniger damit beschäftigt, mich für etwaige Intentionen des Autors zu interessieren.

Sprachsensibilität als große Errungenschaft feiern?

Sprachsensibilität sei eine große Errungenschaft, schreibt der Autor des Artikels „Ekelhafter Charme“ für die „Jüdische Allgemeine“. Generell vielleicht. Aber passt dieses Urteil zu unseren aktuellen und fortdauernden Diskussionen über’s Gendern. Schließlich kann man doch über den Nutzen von politischer Korrektheit trefflich streiten. Aber das möchte Herr Hafner nicht. Ihm geht es darum, das Bild des Deutschen wachzuhalten. Der 50. Jahrestag des Serienstarts kam ihm offenbar gerade recht.

Ohnehin ist Alfred Tetzlaff heute beim Wiedersehen nur noch eine Karikatur, eine verkrachte, schmuddelige Existenz ohne jedes Fünkchen Verführungskraft, schlicht lächerlich. Seine spießigen Zoten von damals wirken öde und harmlos. Das Lachen bleibt einem heute aus anderem Grund im Hals stecken. Die Enkel des Ekels brauchen das Fernsehen nicht mehr für ihre Müllablage. Sie äußern sich in den sozialen Medien oder gleich in den Parlamenten, sonnen sich, vor allem in den neuen Bundesländern, in ihren fetten Umfragewerten.

Georg M. Hafner, Jüdische Allgemeine

Immer noch gern gesehen. Aber warum? Ist doch klar!

Die einen wünschen sich, dass Karl May wegen unzeitgemäßer Aneignung eines Begriffs nicht mehr stattfindet. Da ist von Blutsbrüdern und heroischen Taten die Rede und das klingt für viele wohl ähnlich, wie die Sprüche Tetzlaffs, die Hafner das Lachen im Hals stecken bleiben lassen. Ich kenne keine Quote der Silvesterfolge von „Ein Herz und eine Seele“.

Aber ich weiß, dass auch noch andere Folgen gelegentlich im deutschen Fernsehen laufen. Ob Herr Hafner das irgendwann bei Gelegenheit thematisiert? Ich bin sicher.

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Horst Schulte
Herausgeber, Blogger, Autor und Hobby-Fotograf
Seit 2004 blogge ich über Politik und Gesellschaft – also seit die meisten noch SMS statt Tweets geschrieben haben. Mit 70 Jahren lebe ich immer noch im schönen Bedburg, direkt vor den Toren Kölns, und schreibe über alles, was die Welt bewegt (oder mich zumindest vom Sofa aufstehen lässt).

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2 Gedanken zu „Warum 50 Jahre alter „ekelhafter Charme“ für einen Artikel immer gut ist.“

  1. Wow, Horst, was du so alles liest. Die „Jüdische Allgemeine“. Wieso?

    „Das Haus der Träume“ lässt sich nachträglich nur im Stream anschauen. Schade. Denn auch ich bin ein Fan der Serien aus diesen Zeiten. Für „Babylon Berlin“ habe ich mich sogar eingeloggt. Bis heute habe ich allerdings keine Antwort für mich gefunden, warum mich diese Zeit so fasziniert. Müssen wir Menschen wirklich erst am Abgrund leben, um die wenigen Momente des Glücks so intensiv erleben zu können, wie sie in den Serien dargestellt werden?

    Und Hafner? Muss man den kennen? Die Tageszeitungen sind voll von so wirschen Beiträgen, deren Inhalt sich mir nicht entschließt. Da ist jeder Beitrags deines Blogs überdeutlich klarer und besser, jedenfalls nach meinem Gustus. Und ein Verlag, der so einen Beitrag veröffentlich? Um in einem Nebensatz über „Tetzlaff“ einen Zusammenhang zwischen den ostdeutschen Wahlergebnissen und dem dazugehörenden Gedankengut erkennen zu wollen, ist nach meinem Dafürhalten ein journalistisch absolutes NoGo! Man kann doch nicht alles in einen Topf werfen.

    Die Menschen hier im Osten haben ein sehr feines Gespür dafür, wenn Wahrheit und politische Aufrichtigkeit zugunsten der Wählergunst und Machtinteressen zu Grabe getragen wird. Wir, im Westen, wurden GsD von dieser Lebenserfahrung in dieser Dimension verschont.

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  2. Hallo Menachem, die Verwendung von News-Aggregatoren (wie Rivva o.ä.) führt dazu, dass mir auch Artikel begegnen, die mich wegen ihrer Überschrift anreizen. So war das in diesem Fall. Berichte, die einem nicht passen, kann man ignorieren und gar nicht erst lesen. Aber zu denen zähle ich nicht. Ich lese häufig (zu häufig?) auch Artikel von Broder, Tichy oder anderen Leuten, deren politische Meinung mich nach 3 Sätzen auf die Palme bringt. Aber soll man die Gedanken anderer Leute einfach ignorieren? Nun, hier sind Diskussionen, gerade darüber, gar nicht selten.

    Im konkreten Fall war es so, dass ich mich gerade wieder intensiv mit der Entwicklung und den Folgen des 3. Reiches beschäftigt hatte. Ich halte das für wichtig bzw. geradezu unverzichtbar. Mir schnürt es zwar einerseits immer wieder die Kehle zu, andererseits halte ich es für essenziell, sich damit zu beschäftigen. Wir dürfen nie vergessen, wie groß der Zivilisationsbruch war, der in Deutschland stattgefunden hat.

    Andererseits – und das war hier der Stein des Anstoßes – mag ich es nicht, wenn das Jubiläum einer Comedy – TV-Serie dazu benutzt wird, die tumbe Dummheit und Verkommenheit beispielsweise der AfD-Leute auf die Allgemeinheit zu übertragen. Das tut Hafner, in dem er den Charakter des Protagonisten (Alfred Tetzlaff) auf die Menschen der Gegenwart überträgt. Das macht mich wütend. Warum soll ich darüber also nicht bloggen?

    Wenn ich nichts mehr blogge über Sachen, die mich ärgern oder wütend machen, könnte ich gleich aufhören. Es wäre doch aus meiner Sicht auf Dauer scheiß langweilig, nur über Dinge zu bloggen, die stinknormal sind nicht zur Gegenrede herausfordern.

    Meinen Ärger hast du mit dem Satz:

    Um in einem Nebensatz über „Tetzlaff“ einen Zusammenhang zwischen den ostdeutschen Wahlergebnissen und dem dazugehörenden Gedankengut erkennen zu wollen, ist nach meinem Dafürhalten ein journalistisch absolutes NoGo! Man kann doch nicht alles in einen Topf werfen.

    Solche mit der heißen Nadel gestrickten Artikel sollen die miese Stimmung im Land weiter verstärken. Ganz nach dem Motto: Die Deutschen halt…

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