Erinnerung: Mal vergessen wir, mal erinnern wir uns

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Mei­ne Erin­ne­run­gen an vie­le Din­ge in der Ver­gan­gen­heit ver­blas­sen. Ande­re sind so prä­sent, dass die vie­len Jah­re, die inzwi­schen ver­gan­gen sind, mich immer erstau­nen, wenn ich dar­auf komme. 

Erinnerung an meinen 19. Geburtstag

Am 23. Dezem­ber 1972 war mein 19. Geburts­tag. In mei­ner Man­sar­de gings am Nach­mit­tag und Abend hoch her. Es war ein Sams­tag. Die Nach­barn wer­den ihre Freu­de gehabt haben. Dabei waren wir höchs­tens 10 Leu­te. Mei­ne Frau und ich waren damals schon ein Paar. Sie hat nie Alko­hol getrun­ken, auch nicht an die­sem Abend. 

Wir waren früh gut gelaunt. Je spä­ter es wur­de, spiel­te mein Geburts­tag nicht mehr die größ­te Rol­le. Wir tran­ken Bier und „Sau­ren Fritz“. Damals in den 1970-er Jah­ren war das ein Kult­ge­tränk. Mir läuft heu­te noch ein Schau­er über den Rücken. 

Zu viel Alkohol

Eine Freun­din ver­ab­schie­de­te sich schon recht früh, weil sie von dem Zeug zu viel und zu schnell genos­sen hat­te. Wir waren so zwi­schen 17 und 19 Jah­re alt und hat­ten – wie es damals nor­mal war – sehr wenig Erfah­rung mit Alko­hol. Wir ande­ren hiel­ten wacker durch. Es war nett und laut. 

Gegen 22.00 Uhr war Schluss. Wie brav wir damals waren. Es galt schließ­lich auch, die Zumu­tung für unse­re Nach­barn im Haus nicht über­zu­stra­pa­zie­ren. Ob mei­ne Eltern mir dies­be­züg­lich irgend­wel­che „Wei­sun­gen“ mit­ge­ge­ben hat­te, weiß ich nicht mehr. Ver­mut­lich aber nicht. 

So eine Mansarde hat was

Ich war noch nicht müde. Des­halb blieb ich noch in mei­ner Man­sar­de. Die nutz­te ich sehr gern, schlief aber trotz­dem in mei­nem Mini­zim­mer in mei­ner elter­li­chen Woh­nung auf der ers­ten Eta­ge des Hau­ses. Die Musik hat­te Ali auf mei­ne Anwe­sen­heit auf­merk­sam gemacht. Er war ein Nach­bars­jun­ge, genau­so alt wie ich, und hat­te eben­falls eine Man­sar­de auf dem Speicher. 

Er kam zu mir rüber und wir öff­ne­ten nach kur­zer Abstim­mung eine Fla­sche Asbach. Bis heu­te kann ich die­ses Zeug nicht mehr rie­chen. Trotz­dem war der Abend noch rich­tig nett. Wir lie­ßen es uns gut gehen. An den fol­gen­den Tag habe ich kei­ner­lei Erin­ne­rung. Ali hol­te sei­nen alten Kicker aus sei­ner Man­sar­de. Das Ding hat­te zwar kei­ne Bei­ne mehr, funk­tio­nier­te aber ansons­ten pri­ma. Wir lie­ßen uns auf dem Boden nie­der und setz­ten den Tisch des Kickers auf unse­ren Bei­nen ab. 

Und wieder Led Zeppelin

Unse­re Begleit­mu­sik war eines mei­ner Lieb­lings­al­ben: Led Zep­pe­lin II. Ein Stück haben wir immer wie­der vol­le Pul­le lau­fen las­sen. „Who­le Lot­ta Love“ brach­te auf mei­nem Plat­ten­spie­ler einen „Son­der­ef­fekt“ her­vor. Die Plat­te mach­te an einer, wie wir damals fan­den, beson­ders geeig­ne­ten Stel­le ein‑, zwei­mal knack und spiel­te dann nor­mal weiter. 

Es ist doch eigen­ar­tig, dass man manch­mal Details behält, die man im gan­zen Leben nicht ver­gisst. Die Geschich­te, die lei­der mit ziem­lich viel Alko­hol ver­bun­den ist, ist ein Bei­spiel. Der Kon­takt mit Ali brach mit mei­nem Aus­zug aus der elter­li­chen Woh­nung weni­ge Jah­re spä­ter ab. Mei­ne Frau und ich hei­ra­te­ten und zogen woan­ders hin. 

Treffen im Krankenhaus

Vor ein paar Jah­ren traf ich Ali im Kran­ken­haus hier im Ort. Mei­ne Schwie­ger­mut­ter war gera­de dort auf­ge­nom­men wor­den. Er sah schlecht aus und hat­te stark abge­nom­men, seit ich ihn zuletzt gese­hen hat­te. Er mein­te, er habe Rücken­pro­ble­me. Eini­ge Mona­te erfuhr ich, dass er gestor­ben war – an Krebs. Das ist trau­rig, aber die­se Erin­ne­rung gehört lei­der zu mei­ner Geschich­te dazu. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.
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2 Gedanken zu „Erinnerung: Mal vergessen wir, mal erinnern wir uns“

  1. Ich habe auch z.T. sehr detail­rei­che Erin­ne­run­gen an bestimm­te Epi­so­den mei­nes Lebens. Das ist nor­mal, weil die­se im Gedächt­nis eher leicht zu reak­ti­vie­ren sind. Und Gedächt­nis­in­hal­te gehe in der Regel nicht ver­lo­ren, wenn nicht rele­van­te Tei­le des Gehirns par­ti­ell zer­stört sind oder der Zugang dazu nicht mehr funk­tio­niert. Manch­mal reicht eine Spur eines Geruchs in der Luft, die man eine Vier­tel­se­kun­de lang wahr­nimmt, um eine kom­plet­te Erleb­nis­ket­te zurück­zu­ru­fen, die mehr als ein hal­bes Leben zurück­liegt. Weil genau die­ser Geruch eine Rol­le in die­sem Erleb­nis gespielt hat.

    Dafür feh­len mir manch­mal zeit­li­che Zusam­men­hän­ge zwi­schen Ereig­nis­sen. Ich habe z.B. alle mei­ne erleb­ten Urlau­be zwi­schen 1965 und 1980 in der kor­rek­ten Rei­hen­fol­ge parat. Bei denen seit 1981 bis in die frü­hen 2000er dage­gen muss ich müh­sam rekon­stru­ie­ren, wann genau ich mit wem (oder nicht wem) wo gewe­sen war.

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