Ich habe einen Sinn für Politik. Sie interessiert mich. Und zwar auch, weil ich davon überzeugt bin, dass ein ständiger Interessenausgleich für moderne Gesellschaften elementar ist. Wenn der Eindruck entsteht, dass Diskussionen aus Eitelkeit geführt werden, verliere ich mein Vertrauen in die handelnden Personen.
Umso mehr könnte in diesen unruhigen und als bedrohlich empfundenen Zeiten ein Bündnis über Nationalgrenzen hinaus von besonderer Bedeutung sein. Im positiven Sinne. Dass dies nicht der Fall ist, frustriert mich.
Was die EU-Verantwortlichen im Rat und der Kommission wieder und wieder machen (Ungarn, Polen) jetzt auch im Hinblick auf die Eskalation im Nahen Osten vollführen, ist nicht das, was ich mir als Ausdruck einer Bündnispolitik vorstelle. Politik ist oft auch Streit um Kompromissfindungen. Man sucht den besten Weg.
Dass Streit gerade in unserem Land nicht gerade populär ist, wissen wir. Wir haben es lieber gern kuschelig und ruhig. Deshalb haben es die Populisten leicht, wenn sie unsere politischen Eliten (wer ist das eigentlich genau?) heruntermachen. Das gilt für die Chrupallas ebenso wie für die Wagenknechts unseres Landes, ja vermutlich auch für die radikalen Entsprechungen in anderen Ländern.
Das einstige Friedensprojekt EU wurde IMHO längst ad absurdum geführt. Ich finde, Politiker wie Victor Orbán oder Mateusz Morawiecki haben die EU der Lächerlichkeit preisgegeben. Mit unseren vielleicht zu häufig betonten Werten haben diese Menschen nichts am Hut. Umso mehr mit ihren heimischen Agenden und ihrem Verhalten. Sie können nicht eingebunden werden in die Gemeinschaft und verfolgen häufig andere Ziele, als die, die Grundlage für alles sind. Solche Tatbestände wirken in 27 Mitgliedsstaaten mit ca. 450 Mio. Menschen. Sie wirken in unseren stark medial beeinflussten Gesellschaften.
Der Eindruck der Zerrissenheit und der Ohnmacht lässt sich kaum mehr übertünchen.
Dass sich erwachsene Menschen über ein Wort in einer Abschlusserklärung zum Krieg Israels gegen die Hamas über Stunden uneinig bleiben, weil sie keine Verständigung darüber finden, ob darin von „Pause“ oder „Pausen“ die Rede ist, ist ein ernüchternder, bitterer Beweis für eine groteske Verantwortungslosigkeit. Es zeigt die Lage der EU, die von der Erneuerung weiter denn je entfernt ist. Wir erinnern uns an die vollmundigen Versprechungen führender Politiker nach dem Brexit-Entscheid. Nichts ist geschehen!
Dass sich Kommissionspräsidentin von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel öffentlich bekriegen, kann bei diesem ohnehin so komplizierten Konstrukt nur schädlich sein. Ich tippe auf Auswüchse typischer Eitelkeiten in solchen Kreisen.
Ich verliere mein Vertrauen in eine Lösungskompetenz der EU-Führungsebene. Das hat nicht nur mit dem Personal zu tun. Bald werden wir gemeinsam erkennen, dass die EU-Asylreform nichts ändert. Die Maßnahmen der Regierung werden innerhalb Deutschlands trotz einer vielleicht politisch gesehen positiven Signalwirkung, ebenfalls wirkungslos verpuffen.
Viele Bürger dürften raten, diesen Verein aufzulösen und in Erwägung zu ziehen, etwas Neues zu beginnen. Die Statuten sollten nicht mehr das Ziel enthalten, wichtige Entscheidungen nur einstimmig zu fällen. Entweder es gelten demokratische Grundsätze oder man lässt es. Je mehr Mitgliedsstaaten, das ist eine Binse, desto mehr Unbeweglichkeit aufgrund erforderlicher einstimmiger Beschlüsse. Nur solche wie Orban oder Morawiecki konnten davon profitieren.
Als Wirtschaftskonstrukt ist die EU nicht als Lösungskompetenz bekannt. Siehe auch Butterberge.
Im Moment scheinen mir die Butterberge geschmolzen zu sein. Jedenfalls stellen sie aus meiner Sicht nicht das größte Problem der EU dar. Lösungskompetenz signalisierte auch das nicht. Mir fällt ein anderer Punkt ein, der vollkommen vernachlässigt (ignoriert) wird. Es geht um die angeblich doch so sinnfälligen Fluchtbekämpfungsursachen. Die EU schaffte es meiner Kenntnis nach bisher nicht, die für afrikanische Länder ruinösen Wettbewerbe mit EU-Waren zu unterbinden. Damit hätte man ja mal anfangen können. Aber so sind die Bonzen halt. Was hatte ich eben über Elitenschelte gesagt? 🙂
Ach schön, ich bin nicht der einzige, der Überlegungen anstellt, ob es nicht wünschenswert wäre, eine ganz neue Idee von EU aufzubauen, um aus dieser totalen Sackgasse herauszukommen.
Kleiner, überschaubarer, einfacher strukturiert, mit weniger und kleineren Institutionen. Zweckgerichtet straff dort, wo man so etwas braucht. Vor allem nach außen. Locker organisiert dort, wo mehr nicht nötig ist.
Meinetwegen mit Anteilen direkter Demokratie, ist alles diskutierbar. Auch Statuten, die das Aufkommen jeglicher Despoten-Kasperles nebst ihrer autokratischen Begehrlichkeiten komplett ausschließt.
Schön wär’s…
Wir können doch nicht so weitermachen wie bisher. Gut, Polen kriegt eine neue Regierung. Von dieser ist eine andere Politik zu erwarten. Aber die PIS war es ja nicht allein. Es gibt so viele Baustellen und so schrecklich verkrustete, bürokratische Strukturen, dass ich an eine Reformfähigkeit der EU nicht glauben kann. Wir brauchen ein neues Konstrukt, das auf echten demokratischen Grundsätzen beruht. Ja, gern auch mit plebiszitären Elementen. Das sollte hier auch überlegt werden – ich meine in Deutschland. Aber wir bzw. unsere Volksvertreter sind zu solchen Reformen aus purem Egoismus leider nicht bereit. Derweil wundern wir uns darüber, dass die Leute nur noch die Köpfe schütteln und ihr Vertrauen verlieren. Ganz schlecht.
Warum eigentlich nur in der EU? Hier könnte man ja auch anfangen!
Klar, hier könnte und sollte es beginnen. Aber der Kanzler hat das erforderliche Zutrauen zu sich selbst nicht. Wie sollte das unter dieser Voraussetzung klappen?
Nun bei den etablierten Parteien sind keine Strukturreformen zu erwarten. Unabhängig von der Führung. Von den anderen allerdings auch nicht.
Die machen so etwas nicht. Wäre wohl zu unbequem und gäbe nur Unruhe.