Sollten Journalisten ihren Lesern zeigen, was sie von ihnen halten?

Wenn Journalisten ihre Verzweiflung über bestimmte Entwicklungen in Beiträgen offen äußern, ist das menschlich. Allerdings braucht das Land deutlich andere Signale.

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Zeit-Journalist Mark Schieritz hat wenig Verständnis dafür ($), dass so viele von uns Wählern die AfD gewählt haben. Er beschreibt einen Epochenbruch. Kleiner geht’s nicht mehr nach den Doppelwummsen des Kanzlers und anderen Superlativen der jüngeren Vergangenheit. Als Robin Alexander von der »Welt« kürzlich in einer Talkshow sagte, die AfD sei in demokratischen Wahlen gewählt worden, rastete Frau Esken (SPD) schier aus. Die AfD sei keine demokratische Partei. Alexander hatte das auch nicht gesagt.

Ich glaube, die Schwerfälligkeit der Ampel ist eher ein wichtiger Grund dafür, dass so viele die rechtsextremen Wiedergänger einer Partei gewählt haben, an die sich halbwegs geschichtsbewusste Bürger nur ungern erinnern.

Weshalb man auch über die AfD wahrscheinlich sagen

muss: Sie wird von der politischen Landkarte der Bundesrepublik so

schnell nicht mehr verschwinden. Weil es in der Politik nicht mehr so

wichtig ist, Probleme zu lösen. Das ist vielleicht die bitterste Erkenntnis

des vergangenen Wochenendes.

Mark Schieritz, ZEIT

Wenn Schieritz jetzt die Sorge über die Entwicklung äußert, teilen das grundsätzlich ganz viele Menschen. Vielleicht sogar ein Teil derer, die diese Partei auf Landesebene gewählt haben. Meine Worte machen deutlich, dass ich noch immer der Frusttheorie folge. Ich glaube, sehr viele Wähler der AfD sind keine Überzeugungstäter, obwohl uns (wieder mal neuste) Studien etwas anderes sagen. Rechtsextreme Gesinnungen greifen demnach um sich. Die Menschen in Deutschland hängen plötzlich in viel größerer Zahl, als das ohnehin seit Jahrzehnten der Fall gewesen ist, einer politischen Richtung an, die eigentlich keiner braucht.

Wenn Journalisten uns erklären, dass die ungeliebten Rechtsaußen in großer Zahl (~ 10 Mio. Wähler nach Umfragen auf Bundesebene) gewählt wurden, obwohl sie keine gangbaren Problemlösungen anböten, ist das auch aus meiner Sicht richtig. Der Umkehrschluss allerdings, nämlich, dass die Regierung eine sichtbare Lösungskompetenz vorzuweisen habe, ist es ebenso. Der Bevölkerung wird es wahrlich schwer gemacht von einer Regierung, die in Stellungnahmen die für jeden Deppen sichtbaren Probleme negierten oder bagatellisierten. Scholz und Faeser sind hierfür geradezu Paradebeispiele. Leider sind sie in der Regierung nicht allein.

Wenn Schieritz also befürchtet, dass Wahlergebnisse wie vom letzten Wochenende die Demokratie leichtfertig aufs Spiel setzen, sollte er zumindest so viel Realitätssinn zeigen, dass er das Zaudern und Aufschieben dieser Regierung konstatiert und die Wirkung dieser Tatsache.

Ich glaube, wir benötigen dringend Signale, dass Scholz und seine Regierung endlich begriffen haben, dass konkrete Maßnahmen getroffen werden müssen.

Da geht es IMHO vor allem um Migrationsfragen. Kommunikationsschwächen mögen eine Begleiterscheinung der Politik der Ampel gewesen sein. Ich würde begrüßen, wenn Handeln Vorrang vor Erklären bekäme. Erklären kann man gute Entscheidungen auch nach deren Umsetzung. Es geht nicht darum, dass jeder Pipifax nach Umfragewert entschieden wird. Diese Zeiten sollten hinter uns liegen. Die Probleme sind so herausfordernd, dass der Wähler mehr erwartet als das, was angeboten wird.

Nur Missverständlichkeiten sollten unterbleiben. Dazu zähle ich die Debatten innerhalb der Regierungskoalitionen, die nach zunächst vorgelegten konkreten Maßnahmen immer wieder neu aufgeflammt sind. Das macht die Menschen nämlich kirre! Und es bietet den Rechten eine willkommene Gelegenheit, ihre Perspektive zu beschreiben. Gefühlter Stillstand ist die aus diesem Affentanz resultierende Wahrnehmer vieler Wähler.

Durch solche Voraussetzungen bietet die Regierung immer wieder neue Angriffsflächen, obwohl die Rechten ihrerseits Vorstöße machen, deren Substanz als Gerede entlarvt werden könnte. Aber für viele klingt das verlockend, weil sie schön einfach sind.

Ich bin ganz und gar anderer Ansicht als der Autor des »Zeit«-Artikels. Sobald die Ampel bestimmte Akzente ihrer Politik klar zieht und erkennbar macht, dass in wichtigen Fragen Entscheidungen getroffen werden, die den aktuellen Kurs korrigieren, beispielsweise in der Migrationsfrage, wird das Signal bei vielen Menschen ausreichen. Es wird sie von ihrem Notreflex, die AfD zu wählen, abbringen.

Etwas mehr Optimismus tut not:

»Es gibt viel zu tun, hoffen

wir, dass es unsere Demokratie überlebt.

« 

Angebliches Zitat eines deutschen Politikers im Gespräch mit Zeit-Journalist Schieritz

Horst Schulte

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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Schlagworte: AfD Bayern Demokratie Hessen Schieritz Wahlen Zeit

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4 Gedanken zu „Sollten Journalisten ihren Lesern zeigen, was sie von ihnen halten?“

  1. Ich sehe nicht, dass die „Ampel“-Koalition irgendetwas an ihrer unendlich zähen und planlosen Politik ändern wird. Auch nicht am Stil, wie Diskussionen geführt und Entscheidungen (meist gar nicht) herbeigeführt werden.

    Die FDP destruiert weiterhin konsequent alles im Keim, was nicht ihrem völlig eindimensionalen Weltbild entspricht. Als Nächstes wahrscheinlich das 49-€-Ticket, das sie sowieso nie wollte.

    Die Grünen finden weiterhin keinen Weg, irgendwie verständlich zu kommunizieren, wie der Weg in eine klimafreundlichere Menschenwelt aussehen soll.

    Die SPD eiert substanzlos um einen Kanzler herum, der Kommunikation weitgehend verweigert und meist bloß Floskelsalat in die Welt setzt.

    Selbst auf die erwartbar gewesenen (und noch folgenden) Wahlerfolge der Braunen folgte bisher nichts außer angestaubten Phrasen.

    Das wird alles so trostlos weitergehen, vielleicht bis Herbst ’25, dann wird gewählt. Und wisst ihr was?

    Egal, welche Konstellation dann an die Regierung kommt, ob schwarz-gelb, schwarz-rot, schwarz-grün oder schwarz-blau (braun), es wird noch schlechter werden.

    Mir kommt das alles so vor, als hätte eine müde gewordene Gesellschaft keine Lust mehr auf eine lebenswerte Zukunft.

    Vielleicht werden zukünftige Generationen dereinst mal resümieren, dass mit dem beginnenden zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts der Spätherbst der Demokratie in Deutschland eingeleitet wurde.

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