Von Kriegen und Menschen

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Fast hät­te der bekann­te His­to­ri­ker und Publi­zist, Prof. Micha­el Wolff­sohn, bei „Mar­kus Lanz“ das aus­ge­spro­chen, was ihm die Öffent­lich­keit sicher übel genom­men hät­te. Dazu spä­ter. Sei­ne vom Jour­na­lis­ten Micha­el Brö­cker flan­kier­ten Wort­ge­fech­te mit dem Völ­ker­recht­ler, Prof. Kai Ambos, erhitz­ten die Gemü­ter. Dabei hat­ten sich die Her­ren Pro­fes­so­ren zu Beginn noch aus­drück­lich der gegen­sei­ti­gen Wert­schät­zung versichert.

Ambos klam­mer­te sich nach Wolff­sohns Ansicht in der Debat­te über den Krieg der Israe­lis gegen die Hamas, die bis­her über ca. 31.000 Bewoh­ner des Gaza-Strei­fens das Leben kos­te­te, zu sehr an juris­ti­sche Details, wäh­rend ethi­sche Aspek­te ver­nach­läs­sigt wür­den. Fast gegen alle Argu­men­te und Sicht­wei­sen des Völ­ker­recht­lers Ambos, der auch auf die Kla­gen gegen Isra­el, von Süd­afri­ka und Nica­ra­gua vor dem Inter­na­tio­na­len Gerichts­hof zu spre­chen kam, trug Wolff­sohn sei­ne zum Teil schon etwas her­ab­las­sen­den Ein­wän­de vor.

Die Kla­ge Süd­afri­kas wird von vie­len Län­dern unter­stützt. Ich ver­mu­te, gegen jedes hät­te Herr Prof. Wolff­sohn sei­ne Ein­wän­de vor­zu­brin­gen. Nica­ra­gua lehnt er ab, weil das Land unter José Dani­el Orte­ga Saa­ve­dra nun ein­mal eine Dik­ta­tur sei. Gegen Süd­afri­ka hat er Vor­be­hal­te und stell­te die Legi­ti­ma­ti­on der Kla­ge so infra­ge: Das Land befän­de sich unter dem herr­schen­den ANC nach dem Tode Nel­son Man­de­las in einer Abwärts­spi­ra­le. Mit der Wirt­schaft gin­ge es berg­ab, dafür wach­se Kri­mi­na­li­tät und Kor­rup­ti­on. Eine Sekun­de lang hat­te ich geglaubt, es wäre ihm die Nen­nung von Man­de­las Vor­gän­ger, Fre­de­rik Wil­lem de Klerk her­aus­ge­rutscht. Gera­de noch die Kur­ve bekom­men, Herr Wolffsohn.

Im Krieg zwi­schen Isra­el und der Hamas sind im Gaza­strei­fen mehr als 12.300 Kin­der getö­tet wor­den, mehr als inner­halb von vier Jah­ren in allen Kon­flik­ten weltweit.

Quel­le

Die Fest­stel­lung, wie schnell jeder zum Anti­se­mi­ten erklärt wer­den kann, ist kei­nem ent­gan­gen. Uns Deut­schen schon gar nicht. War Wolff­sohns Bemer­kung zu Süd­afri­ka nicht im Grun­de ras­sis­tisch? Ich emp­fand es so, weil der impli­zi­te Vor­wurf auch als Nar­ra­tiv der Rech­ten in unse­rem Land unüber­hör­bar war, dass die Regie­run­gen nach Man­de­la ihr Land nicht nur in wirt­schaft­li­cher Hin­sicht rui­niert hät­ten. Es geht nicht um den AMC als lin­ke Orga­ni­sa­ti­on, gegen den sich in die­sem Fall die Kri­tik rich­tet, son­dern es geht um all­ge­mei­ne Unfä­hig­keit der aktu­el­len Regie­rung. Die­ser Vor­wurf ist für mich unzwei­fel­haft mit einer ein­deu­tig ras­sis­ti­schen Kon­no­ta­ti­on ver­bun­den. Hat Wolff­sohn Süd­afri­kas Zustand, das im Gegen­satz zu Nica­ra­gua eine Demo­kra­tie ist, rich­tig beschrie­ben? War­um soll man das nicht aussprechen?

Statistik: Israel / Palästinensische Autonomiegebiete: Anzahl der Todesopfer und Verletzten durch den Terrorangriff der Hamas gegen Israel und Gegenschläge seit dem 07. Oktober 2023 | Statista
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Der Gaza-Strei­fen ist ein Gebiet, das klei­ner ist als Köln (365 km² vs. 405 km²). Dort leben 2.048 Mio. Men­schen, in Ham­burg, das flä­chen­mä­ßig mehr als dop­pelt so groß (755,2 km²) ist wie der Gaza-Strei­fen, leben 1,8 Mio. Men­schen. Nach dem furcht­ba­ren Mas­sa­ker, das Hamas-Ter­ro­ris­ten an israe­li­schen Bewoh­nern began­gen haben (1.200 Tote), haben die Israe­lis einen furcht­ba­ren und die Zivil­be­völ­ke­rung des Gaza-Strei­fens mas­siv tref­fen­den Krieg begon­nen. Die von Isra­el und Wolff­sohn stän­dig wie­der­hol­ten Grün­de rei­chen für die deut­sche Regie­rung, die dog­ma­ti­sche, gleich­zei­tig aber lächer­li­che Leer­for­mel der Staats­rai­son wei­ter­hin aufrechtzuerhalten. 

Viel­leicht ist es sogar rich­tig, dass die Hamas-Ter­ro­ris­ten sich nicht nur hin­ter Zivi­lis­ten ver­ste­cken, son­dern dar­über hin­aus in hoher Zahl auch von die­sen unter­stützt wer­den. So lässt sich der Tod von Kin­dern und Unschul­di­gen auf Sicht sicher noch eine Wei­le wei­ter begrün­den. Auf der ande­ren Sei­te sind die Paläs­ti­nen­ser im Gaza-Strei­fen ein­ge­schlos­sen. Es gibt für die Bevöl­ke­rung kein Ent­rin­nen. Eine hoch tech­ni­sier­te Armee mit sehr moti­vier­ten Sol­da­ten dringt in eines der dicht­be­sie­dels­ten Gebie­te welt­weit ein (mit 5.829 Men­schen /​km²) und ver­nich­tet so vie­le Men­schen­le­ben, um das eige­ne Exis­tenz­recht zu sichern. Kann das nach den Okto­ber-Mas­sa­kern der Hamas noch gerecht­fer­tigt werden?

Kei­ne Ahnung. Ich sehe nur tote Kin­der, tote Men­schen, einen apo­ka­lyp­ti­schen Grad an Zer­stö­rung und ein Elend für die Men­schen, das sich von dem Grau­en, das wir in den Kriegs­ge­bie­ten der Ukrai­ne sehen, nicht unter­schei­det. Es hilft nicht, sol­che Ver­glei­che anzu­stel­len. Das ist mir klar. Wir könn­ten unse­ren Blick auf ande­re Kriegs­ge­bie­te die­ser Welt rich­ten und sähen nie einen Unter­schied. Immer sind es Men­schen, die ande­ren Men­schen das Unvor­stell­ba­re antun. Ande­re Men­schen schau­en zu, sind erschüt­tert, des­il­lu­sio­niert und vor allem hilf- und rat­los. Und dann gibt es noch die­je­ni­gen, die in all die­sem mensch­li­chen Leid eine Recht­fer­ti­gung oder zumin­dest eine Erklä­rung suchen. Wir haben gelernt, nicht nur wir als Chris­ten, alle Men­schen haben das gelernt!, dass wir ein­an­der nicht töten dür­fen. Aber der Mensch lernt nicht dazu! Die Bewei­se besche­ren uns die Bil­der und Berich­te, die wir all­täg­lich „kon­su­mie­ren“. Viel­leicht lie­gen die gro­ßen Krie­ge bereits so vie­le Jahr­zehn­te hin­ter uns, dass man­che Ver­ant­wort­li­chen die­se Trau­ma­ta, die über Gene­ra­tio­nen wei­ter­ge­tra­gen wur­den, nicht mehr in sich haben.

Kein Mensch, kein Regie­rungs­chef, kein Gene­ral, kein Kom­pa­nie­chef, kein Pilot, soll­te die Ver­ant­wor­tung dafür tra­gen müs­sen, dass die eige­ne Spe­zi­es im Namen irgend­ei­ner Sache, ande­ren Men­schen das antut. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Israel Tote

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