Von Kriegen und Menschen

stroke="currentColor" stroke-width="1.5" stroke-linejoin="round" stroke-linecap="round" /> Keine Kommentare

84

5 Min.

Zerstoerung

Fast hät­te der bekann­te Historiker und Publizist, Prof. Michael Wolffsohn, bei «Markus Lanz» das aus­ge­spro­chen, was ihm die Öffentlichkeit sicher übel genom­men hät­te. Dazu spä­ter. Seine vom Journalisten Michael Bröcker flan­kier­ten Wortgefechte mit dem Völkerrechtler, Prof. Kai Ambos, erhitz­ten die Gemüter. Dabei hat­ten sich die Herren Professoren zu Beginn noch aus­drück­lich der gegen­sei­ti­gen Wertschätzung versichert.

Ambos klam­mer­te sich nach Wolffsohns Ansicht in der Debatte über den Krieg der Israelis gegen die Hamas, die bis­her über ca. 31.000 Bewohner des Gaza-Streifens das Leben kos­te­te, zu sehr an juris­ti­sche Details, wäh­rend ethi­sche Aspekte ver­nach­läs­sigt wür­den. Fast gegen alle Argumente und Sichtweisen des Völkerrechtlers Ambos, der auch auf die Klagen gegen Israel, von Südafrika und Nicaragua vor dem Internationalen Gerichtshof zu spre­chen kam, trug Wolffsohn sei­ne zum Teil schon etwas her­ab­las­sen­den Einwände vor.

Die Klage Südafrikas wird von vie­len Ländern unter­stützt. Ich ver­mu­te, gegen jedes hät­te Herr Prof. Wolffsohn sei­ne Einwände vor­zu­brin­gen. Nicaragua lehnt er ab, weil das Land unter José Daniel Ortega Saavedra nun ein­mal eine Diktatur sei. Gegen Südafrika hat er Vorbehalte und stell­te die Legitimation der Klage so infra­ge: Das Land befän­de sich unter dem herr­schen­den ANC nach dem Tode Nelson Mandelas in einer Abwärtsspirale. Mit der Wirtschaft gin­ge es berg­ab, dafür wach­se Kriminalität und Korruption. Eine Sekunde lang hat­te ich geglaubt, es wäre ihm die Nennung von Mandelas Vorgänger, Frederik Willem de Klerk her­aus­ge­rutscht. Gerade noch die Kurve bekom­men, Herr Wolffsohn.

Im Krieg zwi­schen Israel und der Hamas sind im Gazastreifen mehr als 12.300 Kinder getö­tet wor­den, mehr als inner­halb von vier Jahren in allen Konflikten weltweit.

Quelle

Die Feststellung, wie schnell jeder zum Antisemiten erklärt wer­den kann, ist kei­nem ent­gan­gen. Uns Deutschen schon gar nicht. War Wolffsohns Bemerkung zu Südafrika nicht im Grunde ras­sis­tisch? Ich emp­fand es so, weil der impli­zi­te Vorwurf auch als Narrativ der Rechten in unse­rem Land unüber­hör­bar war, dass die Regierungen nach Mandela ihr Land nicht nur in wirt­schaft­li­cher Hinsicht rui­niert hät­ten. Es geht nicht um den AMC als lin­ke Organisation, gegen den sich in die­sem Fall die Kritik rich­tet, son­dern es geht um all­ge­mei­ne Unfähigkeit der aktu­el­len Regierung. Dieser Vorwurf ist für mich unzwei­fel­haft mit einer ein­deu­tig ras­sis­ti­schen Konnotation ver­bun­den. Hat Wolffsohn Südafrikas Zustand, das im Gegensatz zu Nicaragua eine Demokratie ist, rich­tig beschrie­ben? Warum soll man das nicht aussprechen?

Statistik: Israel / Palästinensische Autonomiegebiete: Anzahl der Todesopfer und Verletzten durch den Terrorangriff der Hamas gegen Israel und Gegenschläge seit dem 07. Oktober 2023 | Statista
Mehr Statistiken fin­den Sie bei Statista

Der Gaza-Streifen ist ein Gebiet, das klei­ner ist als Köln (365 km² vs. 405 km²). Dort leben 2.048 Mio. Menschen, in Hamburg, das flä­chen­mä­ßig mehr als dop­pelt so groß (755,2 km²) ist wie der Gaza-Streifen, leben 1,8 Mio. Menschen. Nach dem furcht­ba­ren Massaker, das Hamas-Terroristen an israe­li­schen Bewohnern began­gen haben (1.200 Tote), haben die Israelis einen furcht­ba­ren und die Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens mas­siv tref­fen­den Krieg begon­nen. Die von Israel und Wolffsohn stän­dig wie­der­hol­ten Gründe rei­chen für die deut­sche Regierung, die dog­ma­ti­sche, gleich­zei­tig aber lächer­li­che Leerformel der Staatsraison wei­ter­hin aufrechtzuerhalten. 

Vielleicht ist es sogar rich­tig, dass die Hamas-Terroristen sich nicht nur hin­ter Zivilisten ver­ste­cken, son­dern dar­über hin­aus in hoher Zahl auch von die­sen unter­stützt wer­den. So lässt sich der Tod von Kindern und Unschuldigen auf Sicht sicher noch eine Weile wei­ter begrün­den. Auf der ande­ren Seite sind die Palästinenser im Gaza-Streifen ein­ge­schlos­sen. Es gibt für die Bevölkerung kein Entrinnen. Eine hoch tech­ni­sier­te Armee mit sehr moti­vier­ten Soldaten dringt in eines der dicht­be­sie­dels­ten Gebiete welt­weit ein (mit 5.829 Menschen /​km²) und ver­nich­tet so vie­le Menschenleben, um das eige­ne Existenzrecht zu sichern. Kann das nach den Oktober-Massakern der Hamas noch gerecht­fer­tigt werden?

Keine Ahnung. Ich sehe nur tote Kinder, tote Menschen, einen apo­ka­lyp­ti­schen Grad an Zerstörung und ein Elend für die Menschen, das sich von dem Grauen, das wir in den Kriegsgebieten der Ukraine sehen, nicht unter­schei­det. Es hilft nicht, sol­che Vergleiche anzu­stel­len. Das ist mir klar. Wir könn­ten unse­ren Blick auf ande­re Kriegsgebiete die­ser Welt rich­ten und sähen nie einen Unterschied. Immer sind es Menschen, die ande­ren Menschen das Unvorstellbare antun. Andere Menschen schau­en zu, sind erschüt­tert, des­il­lu­sio­niert und vor allem hilf- und rat­los. Und dann gibt es noch die­je­ni­gen, die in all die­sem mensch­li­chen Leid eine Rechtfertigung oder zumin­dest eine Erklärung suchen. Wir haben gelernt, nicht nur wir als Christen, alle Menschen haben das gelernt!, dass wir ein­an­der nicht töten dür­fen. Aber der Mensch lernt nicht dazu! Die Beweise besche­ren uns die Bilder und Berichte, die wir all­täg­lich «kon­su­mie­ren». Vielleicht lie­gen die gro­ßen Kriege bereits so vie­le Jahrzehnte hin­ter uns, dass man­che Verantwortlichen die­se Traumata, die über Generationen wei­ter­ge­tra­gen wur­den, nicht mehr in sich haben.

Kein Mensch, kein Regierungschef, kein General, kein Kompaniechef, kein Pilot, soll­te die Verantwortung dafür tra­gen müs­sen, dass die eige­ne Spezies im Namen irgend­ei­ner Sache, ande­ren Menschen das antut. 

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


Mehr lesen aus dieser Kategorie

Bluesky, X und die Abgründe der Echokammern
soziale netzwerke demokratie

Gesellschaft, Medien

Bluesky, X und die Abgründe der Echokammern

Beschissen, betro­gen, verarscht
Düstere Zukunft

Gesellschaft, Politik

Beschissen, betro­gen, verarscht

🌻 Freundlichkeit kostet nichts – bringt aber viel.