Migration und Verbrechen: Wie die Angstpolitik unser Land spaltet

Wie eine auf Angst basier­te Poli­tik das Ver­trau­en in den Rechts­staat und das gesell­schaft­li­che Kli­ma nach­hal­tig schädigt.

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Mes­ser­ste­che­rei­en und Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen domi­nie­ren den media­len All­tag (Bei „X“ ist es beson­ders schlimm). Die Zah­len stei­gen und unse­re Medi­en (egal, wel­cher poli­ti­schen Rich­tung man sie zuord­nen möch­te), legen im Gleich­schritt mit der Merz-CDU, befeu­ert durch die Stim­me aus Bay­ern, die Lun­te an den funk­tio­nie­ren­den Rechtsstaat.

Ich glau­be, es gibt in den sozia­len Medi­en weni­ge The­men, die so dau­er­haft her­aus­ste­chen. Die übli­chen Ver­däch­ti­gen agie­ren als Stich­wort­ge­ber und Ver­brei­ter einer unver­schlei­ert hass­ge­trie­be­nen und vor allem des­halb so erbärm­li­chen Ver­bre­cher­jagd. Ja, es han­delt sich sehr häu­fig um die Ver­bre­chen, die Migran­ten bege­hen. Die sta­tis­tisch nach­ge­wie­se­nen Antei­le von Migran­ten an sol­chen Ver­bre­chen spre­chen lei­der für sich.

Ein AfD-Mann hat inzwi­schen eine Web­site auf­ge­setzt, auf der die täg­li­chen Mes­ser­ste­che­rei­en anschau­lich dar­ge­stellt wer­den. Die Daten­quel­len sind genannt. Inwie­weit das auch für die Zuord­nung der Natio­na­li­tä­ten gilt, ist zwei­fel­haft. Die Daten wer­den manu­ell „aus­ge­wer­tet“ und geo­gra­fisch zuge­ord­net. Qua­si haben wir es hier mit Geo­mar­ke­ting für Ras­sis­ten zu tun. Die AfD star­te­te klei­ne Anfra­gen im Bun­des­tag (wahr­schein­lich auch in den Land­ta­gen), um die Vor­na­men von Tätern zu erfah­ren, die nach den poli­zei­li­chen Mel­dun­gen als Deut­sche iden­ti­fi­ziert wur­den. Die meis­ten haben das wahr­schein­lich ver­folgt und sich (hof­fent­lich) nicht an den fol­gen­den und leicht vor­her­seh­ba­ren Tira­den betei­ligt haben. Ich habe Zweifel.

Als Frau traut man sich nicht mehr, bestimm­te Parks oder gewis­se städ­ti­sche Berei­che auf­zu­su­chen oder die­se auch nur zu pas­sie­ren, nicht nur, nach­dem die Dun­kel­heit ein­ge­setzt hat. Das sind Kla­gen, die ich häu­fig lese und die mir auch bei Kurz­in­ter­views im Fern­se­hen begegnen.

Mes­ser­ste­che­rei­en und Grup­pen­ver­ge­wal­ti­gun­gen sind in unse­rer Kul­tur nicht weit­ver­brei­tet. Bei „nor­ma­len“ Ver­ge­wal­ti­gun­gen steht der deut­sche Mann wohl sta­tis­tisch auch nicht gera­de gut da. Wir erin­nern uns an die #MeToo-Bewe­gung? Sta­tis­ti­ken und Berich­te zei­gen, dass Gewalt gegen Frau­en in Deutsch­land in besorg­nis­er­re­gen­der Zahl All­tag ist. Zur Klar­heit: Die Täter sind deut­sche Män­ner. Ich fra­ge mich manch­mal, was mit mei­nen Geschlechts­ge­nos­sen bloß los ist? Was nützt es, wenn ich nach fast 50 Jah­ren Ehe fest­stel­le, dass ich nicht im Traum dar­auf gekom­men wäre, mei­ne Frau zu schla­gen oder ihr ande­re schreck­li­che Din­ge anzu­tun? Es gibt Selbst­ver­ständ­lich­kei­ten, die einer Erwäh­nung nicht bedürfen.

Die­se bei­den Ver­bre­chens­ar­ten haben in den letz­ten Jah­ren stark zuge­nom­men. Mit Sta­tis­tik möch­te ich mich nicht auf­hal­ten, denn nicht nur die öffent­lich beschrie­be­nen Ängs­te, Reak­tio­nen, son­dern auch die rea­len Zah­len sind ja halb­wegs bekannt. Nach 2015 (Sil­ves­ter auf der Dom­plat­te) zäh­len wir in unse­ren Gesell­schaf­ten nicht akri­bi­scher oder sind sen­si­bler als zuvor. Was die Men­schen auf die Pal­me bringt, ist vor allem, dass wir live seit Jah­ren mit­er­le­ben, wie ein über­for­der­ter, hilf­lo­ser Staat sei­ne Bür­ge­rin­nen und Bür­ger nicht mehr beschüt­zen kann.

Man kann das ver­drän­gen oder sich denen anschlie­ßen, die die­se Ängs­te baga­tel­li­sie­ren oder sogar in Abre­de stel­len. Bei Mast­o­don oder Blues­ky fin­det man nicht die elen­den Schar­müt­zel, die bei „X“ die Time­lines flu­ten. Aber ist das wirk­lich bes­ser, wenn man die Gedan­ken und Emp­fin­dun­gen sol­cher ent­setz­li­chen Exem­pla­re unse­rer Spe­zi­es nicht mehr zur Kennt­nis neh­men muss? 

Ist die Lage (auch in die­ser Bezie­hung) so auf­ge­bla­sen, dass man damit gan­ze Tage und Aben­de fül­len soll­te? Wohl nicht. Die Medi­en­ver­tre­ter haben es ein­fach drauf, wenn sie im Brust­ton der Über­zeu­gung lei­ser Kri­tik ent­geg­nen, man müs­se uns das stän­di­ge Her­um­ge­zer­re und die Vor­wür­fe zei­gen. In den Augen vie­ler Leu­te sind allein poli­tisch Ver­ant­wort­li­chen Ziel von Ableh­nung und Hass. Dass sich immer mehr Poli­ti­ke­rin­nen und Poli­ti­ker fra­gen, wozu sie die­sen Ein­satz für die All­ge­mein­heit leis­ten, soll­te uns ein Warn­schuss gewe­sen sein. Aber es ist ja bequem, Ver­ant­wort­li­che zu haben, auf denen man sei­nen Frust abla­den kann. 

Wie poli­ti­sche Par­tei­en mit den Erwar­tun­gen des Mobs umge­hen, haben wir zuletzt von Herrn Merz (CDU) vor­ge­führt bekom­men. Von der AfD ler­nen, heißt sie­gen ler­nen, wird er sich wohl gedacht haben. Aber mit den Wah­len hat­te das alles über­haupt nichts zu tun, meint Merz uns vor­lü­gen zu dür­fen. Rei­ne Besorg­nis. Gut, einen Teil davon habe ich ihm abge­nom­men. Der letz­te Akt in die­sem Trau­er­spiel (Abbruch der Gesprä­che mit der Ampel-Regie­rung) über Zurück­wei­sun­gen an der Gren­ze, ist doch echt krass. 

Ich sehe auch, dass sich ange­sichts all der Dis­kus­sio­nen das Kli­ma in Deutsch­land mas­siv ver­schlech­tert hat. Dabei wird über das eigent­li­che Kli­ma, die Kli­ma­kri­se, kaum noch gere­det. Für man­chen ist das The­ma obso­let ja sogar hass­be­setzt. Schließ­lich sind Grü­ne an allem schuld.

Der Auf­stieg von AfD und BSW bestä­ti­gen auch, dass vie­le schlicht über­for­dert sind. Aber viel wich­ti­ger: Ich möch­te nicht wis­sen, wie sich Men­schen füh­len, wenn sie in die­sem Deutsch­land Migrant, womög­lich mit mus­li­mi­schen Wur­zeln leben. 

Das müss­te so nicht sein, wenn nicht der Ein­druck ent­stan­den wäre, dass die Regie­rung Mer­kel und nun auch die Ampel die­se Din­ge „ein­fach lau­fen“ gelas­sen hät­ten. Emo­tio­nen sind in vie­ler­lei Hin­sicht schlech­te Rat­ge­ber. Vor allem, wenn der Angst­an­teil über­wiegt. Wenn sie über­lau­fen, wer­den zu schnell Din­ge gesagt, die man eigent­lich gar nicht sagen woll­te. Ich glau­be, jeder wird das irgend­wie ein­räu­men. War­um kön­nen wir trotz­dem häu­fig nicht ein­mal mehr gut mit­ein­an­der reden? Dabei ist das Reden doch das ein­zi­ge Werk­zeug, das hilft Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten auf­zu­klä­ren und schluss­end­lich auszuräumen?

Die meis­ten Deut­schen wis­sen, dass wir Migra­ti­on brau­chen und die Erhal­tung unse­res ungleich ver­teil­ten, jedoch trotz­dem exis­tie­ren­den Wohl­stan­des, nur auf die­se Wei­se gelin­gen kann. Aller­dings ist mit die­ser Ein­sicht auch ver­bun­den, dass wir dar­auf ach­ten müs­sen, dass die nach Deutsch­land kom­men­den Men­schen nicht nur bereit sind, sich zu inte­grie­ren (was immer das in der völ­li­gen Aus­ge­stal­tung auch hei­ßen mag), son­dern dass der Bedarf sehr wohl selek­tiv ist. Analpha­be­ten und unge­lern­te Kräf­te brau­chen wir nicht, so hart das klingt.

Wir haben vie­le Migran­ten im Land. Dass das immer noch halb­wegs funk­tio­niert und unse­re Staats­fi­nan­zen nicht schon längst kol­la­biert sind, liegt augen­schein­lich dar­an, dass wir noch Reser­ven hat­ten. Dass die­se inzwi­schen auf­ge­braucht sind, ist ein Grund für das Schei­tern der Ampel-Regie­rung. Hät­ten wir nicht so lan­ge mit Gegen­maß­nah­men gewar­tet, hät­ten wir uns eini­ge Schwie­rig­kei­ten erspa­ren kön­nen. All die Ver­säum­nis­se wir­ken sich immer stär­ker aus. Wir brau­chen einen har­ten Schnitt, der auf gut­mensch­li­che Befind­lich­kei­ten kei­ne Rück­sicht mehr neh­men darf. Heu­te ist es immer noch so, dass das Signal, das die Bun­des­re­gie­rung den Leu­ten gibt, dass sich an der Mas­sen­zu­wan­de­rung (von mir aus nen­nen wir sie ille­gal – obwohl das gro­ßer Quatsch ist) nichts Grund­le­gen­des ändert. Die Leu­te sind über­zeugt, alles wird immer nur noch schlim­mer. Soll­ten die Rus­sen die Ukrai­ne besie­gen, soll­ten wir davon aus­ge­hen, dass wei­te­re gewal­ti­ge Flücht­lings­zah­len (viel­leicht Mil­lio­nen) in Euro­pa zu erwar­ten sind. Gna­de uns Gott. 

Deutsch­land hat das Asyl­recht Anfang der 90-er Jah­re nach den aus­län­der­feind­li­chen Tumul­ten in Ost­deutsch­land auch aus Rat- und Hilf­lo­sig­keit gegen­über dem rech­ten Getö­ses stark ver­än­dert. Immer noch gilt das Indi­vi­du­al­recht auf Asyl, das, wie es immer so schön heißt, die Müt­ter und Väter des Grund­ge­set­zes anhand der Erfah­run­gen mit unse­rer Nazi­ver­gan­gen­heit aus­drück­lich fest­ge­schrie­ben haben. Ich glau­be, dass unse­re Gesetz­bü­cher und auch das Grund­ge­setz Para­gra­fen ent­hal­ten, die in der heu­ti­gen Zeit nicht mehr trag­fä­hig und auch nicht mehr sinn­voll sind. Wir wis­sen, dass §2 seit Lan­gem nicht mehr zur Anwen­dung kommt. Wie vie­le Men­schen zu uns kom­men wol­len und das Wort Asyl sagen, weil sie von ihren Schlep­pern oder auf ande­ren Wegen davon erfah­ren hat­ten und sich somit ille­ga­len Zutritt ver­schaf­fen, ist unbe­kannt. Es sind jeden­falls so vie­le, dass ich davon aus­ge­he, dass die Men­schen, die das Asyl­recht ins Grund­ge­setz auf­ge­nom­men haben, die­se Aus­gangs­la­ge nicht im Sinn gehabt haben. Ande­rer­seits – wie kann man for­dern, dass ein Grund­recht auf­grund ver­än­der­ter Bedin­gun­gen ein­fach aus­ge­setzt wird. Nun, wir kön­nen dar­über irre lan­ge dis­ku­tie­ren, ohne einig zu werden. 

2) Auf Absatz 1 kann sich nicht beru­fen, wer aus einem Mit­glied­staat der Euro­päi­schen Gemein­schaf­ten oder aus einem ande­ren Dritt­staat ein­reist, in dem die Anwen­dung des Abkom­mens über die Rechts­stel­lung der Flücht­lin­ge und der Kon­ven­ti­on zum Schut­ze der Men­schen­rech­te und Grund­frei­hei­ten sicher­ge­stellt ist. Die Staa­ten außer­halb der Euro­päi­schen Gemein­schaf­ten, auf die die Vor­aus­set­zun­gen des Sat­zes 1 zutref­fen, wer­den durch Gesetz, das der Zustim­mung des Bun­des­ra­tes bedarf, bestimmt. In den Fäl­len des Sat­zes 1 kön­nen auf­ent­halts­be­en­den­de Maß­nah­men unab­hän­gig von einem hier­ge­gen ein­ge­leg­ten Rechts­be­helf voll­zo­gen wer­den.

Quel­le

Zurück­wei­sun­gen an unse­ren Lan­des­gren­zen sol­len also das Ei des Colum­bus sein. Nein, das ist unge­recht. Selbst die Uni­on und ihre Anhän­ger wer­den nicht den­ken, dass die­se Metho­de ide­al wäre. Stel­len wir uns vor, was pas­sie­ren wür­de, käme die­ser Ent­scheid tat­säch­lich zum Tra­gen. Da kommt jemand, sagt „Asyl“ oder nicht. Sie, er oder es wür­de die Gren­ze nicht pas­sie­ren dür­fen. Über­wa­chen wir die Gren­ze mit über 3 876 km Län­ge eigent­lich wirk­lich? Wie schnell wer­den Schlep­per oder Geflüch­te­te wohl her­aus­fin­den, dass man über die „Grü­ne Gren­ze“ pro­blem­los nach Deutsch­land kommt? Blei­ben wir noch einen Moment bei der beschrie­be­nen Situa­ti­on. Der Mensch hat „Asyl“ gesagt und wird den­noch abge­wie­sen. Das Land, aus dem er kommt (s. Dub­lin), wird den Men­schen eben­falls zurück­wei­sen. Das setzt sich fort bis zur Außen­gren­ze der EU. Dort gibt es aller­dings bis­her nicht die geeig­ne­ten bzw. erst noch zu schaf­fen­den Vor­aus­set­zun­gen. Obwohl Merz das weiß, faselt er wei­ter von Zurück­wei­sun­gen an unse­ren Gren­zen. Wer soll das ver­ste­hen und wes­halb erhält die Uni­on für sol­che unüber­leg­ten Vor­schlä­ge Zustim­mung in unse­rem Land? Hys­te­rie soll­te nun wirk­lich nicht die Grund­la­ge für weg­wei­sen­de Ent­schei­dun­gen sein. Und vie­le im Land sind inzwi­schen wirk­lich hysterisch. 

Ich will mir gar nicht aus­ma­len, was all die­se Gedan­ken und die abseh­ba­re Zuspit­zung der Lage in Zukunft aus­lö­sen werden. 

Es gibt Kon­zep­te (Knaus oder Koop­mans), die ich ver­nünf­tig und Erfolg ver­spre­chend fin­de, die selt­sa­mer­wei­se aber von unse­ren Poli­ti­kern nicht berück­sich­tigt wer­den. Wir könn­ten dafür sor­gen, dass wir mit den Län­dern, aus den die Flücht­lin­ge über­wie­gend kom­men, Ver­ein­ba­run­gen tref­fen, die eine regu­lä­re Migra­ti­on nach Deutsch­land ermög­li­chen wür­den und die uns in die Lage set­zen, uner­wünsch­te Per­so­nen in ihre Hei­mat­län­der zurück­zu­schi­cken. Dass bei sol­chen Über­le­gun­gen nicht gera­de men­schen­freund­li­che Oppor­tu­ni­tä­ten eine Rol­le spie­len, muss wohl hin­ge­nom­men werden.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Migration Rechtsstaat

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