Gesellschaft Politik

Deutschlands Finanzdilemma: Zwischen Schuldenbremse und Reformstau

Die aktuelle politische und finanzielle Lage Deutschlands erfordert dringend Reformen, insbesondere im Bereich der Schuldenbremse und des Rentensystems, wobei Neuwahlen als möglicher Ausweg diskutiert werden.

6 Min.

Keine Kommentare
a dramatic illustration of a large broken and heav TuUZQ58UQvO rsCnNc Fqw PezWd3RuWJvcmy2dABXQ

Vielleicht wäre es eine gute Idee, jetzt Neuwahlen zu ermöglichen. So wie die Lage ist, können wir von dieser Regierung nichts mehr erwarten. Um den Weg freizumachen, müssten die Ampel-Parteien über ihren Schatten springen und die Interessen des Landes vor die ihres Führungspersonals und ihrer Parteien stellen. „Wie unrealistisch ist das denn?“, werden sich viele fragen.

Es ist so, dass die meisten Experten in dieser Lage für eine Veränderung der Schuldenbremse plädieren (nicht für die Abschaffung!) und eine NEUE Regierung die so gewonnenen Spielräume nicht für konsumtive, sondern ausschließlich für die Instandsetzung unserer brachliegenden Infrastruktur einsetzen würde, dürften die meisten damit keine Probleme haben, zumal die Ergebnisse der Neuwahlen links-grüne Politikansätze kaum noch berücksichtigen wird. Egal, ob es nun die SPD oder die Grünen sind, die Deutschland mit der Union regieren werden. Es wird einen radikalen Wechsel geben (müssen). Der schließt das Schleifen des Sozialstaates mit ein. Zudem muss ein neuer Ansatz im Hinblick auf die viel zu teure Alimentierung der hohen Anzahl von Migranten und Flüchtlingen gefunden werden. Dänemark hat als einziges Land der EU verstanden, dass ein Sozialstaat auf Sicht zerstört wird, wenn Menschen aus anderen Ländern beitragsfrei alimentiert werden. Das ist brutal aber wahr.

Sollte es aber dazu kommen, dass diese Koalition ihr Werk vollendet und wir uns dieses Affentheater bis zum Herbst 2025 weiterhin zumuten lassen, wird es für die notwendige Zweitdrittelmehrheit im Bundestag, um die Schuldenbremse zu reformieren, keine Spielräume geben. Ich erwarte, dass AfD und BSW der Änderung allein schon deshalb nicht zustimmen, weil beide Parteien prinzipiell dagegen sind. Allein daraus – aus dem Dagegensein – beziehen sie ihre „Daseinsberechtigung“. Leider erkennen insbesondere die Wähler im Osten die hohlen Phrasen nicht. Andersherum frage ich mich: Wie groß muss die Verzweiflung dort eigentlich sein?

Es sind die Meister der Fake News, die zum Glück mit ihren Einlassungen fast nur noch in österreichischen oder speziellen, rechten Formaten in Deutschland die Aufwertung rechter Narrative betreibt. In der Talkshow „Talk im Hangar 7“ (verlinkt) behauptet Tichy, die Grünen würden CO₂ reduzieren, indem sie bewusst die Deindustrialisierung Deutschlands betreibe. Das ist eine Tichy – Verschwörungstheorie der übelsten Sorte. Aber seine Leser sind das gewöhnt, sie zweifeln nicht an den Worten ihres Meisters. Solche Lügen könnten Resultat einer intellektuellen Isolation sein, der sich Tichy seit Jahren durch seine einseitig links-grün-feindliche Sicht auf Deutschland ausgesetzt sieht.

Die Linken (Grüne sind ja seit einiger Zeit in den Augen aller Rechten auch wieder nur noch Linke) können nicht mit Geld umgehen. Der Blödsinn ist weder neu noch zutreffend. Aber gut, lassen wir den Rechten ihr bewährte bewährten Geschichtchen. Wenn es allerdings um die Schuldenbremse geht und um den falschen Umgang damit, fällt mir dazu allerdings immer nur ein Name ein. Der ist: Christian Lindner.

Tichy behauptet, dass sich in Deutschland die Steuereinnahmen seit Corona fast verdoppelt hätten. Diese in meinen Augen falsche Aussage soll seine Geschichte von der Geldverschwendung durch die (linksdominierte) Ampel verstärken. Erweitert man den Zeitraum um – sagen wir – 10 Jahre, ist die Aussage allerdings nicht falsch, jedenfalls wenn man die Steuereinnahmen seit Beginn der 2010er Jahre anschaut. 2010 lagen sie noch bei 530 Mrd. EUR, im Jahr 2023 betrugen sie beinahe 916 Mrd. EUR. Warum reichen diese gewaltigen Beträge nicht, um ohne neue Schulden auszukommen? Allein diese fulminante Entwicklung der Steuereinnahmen hätte nun wahrhaftig genügend Reserven für Infrastrukturmaßnahmen geboten. Leider wurde ab 2015 viel Geld für ganz andere Belange benötigt. Zudem haben wir erlebt, dass das Geld in andere Projekte geflossen ist. Mit Ausnahme einiger mehr oder weniger einflussarmer Ökonomen und Wirtschaftsjournalisten waren kritische Bemerkungen zum Umgang mit den Staatsfinanzen kaum hörbar. Es gab sie – sie waren jedoch viel zu leise.

Die Zuschüsse von Steuermitteln in die Rente wuchsen von Jahr zu Jahr. Der Sozialetat wurde nicht nur deshalb massiv ausgeweitet. Wir wissen, dass die Spielräume durch unsere Sozialleistungen (einschl. Verpflichtungen der Renten- und Pensionskassen) gravierend reduziert wurden. Die Infrastruktur verfiel mehr und mehr. Wir haben das durchaus wahrgenommen, gemeckert wurde aber kaum. So sind wir – die Deutschen. Hoffentlich ist es jetzt, vor dem Hintergrund weitreichender Veränderungen, für eine Aufholjagd nicht zu spät.

Außerdem gab es ja diese Projekte, an denen sich Opposition und Wirtschaftsjournalisten im Sinne einer kritischen Auseinandersetzung ergötzen konnten.

Die Rente mit 63, die Mütterrente sind Beispiele, die immer wieder kritisch angeführt werden. Im Jahr 2023 wurden an die betreffenden Menschen (Rente mit 63) in Deutschland ca. 46,3 Mrd. EUR ausgezahlt. Da die Betroffenen mindestens 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben, sind ihre Altersgelder zudem auch noch besonders hoch.

Meine Frau und ich sind Profiteure der Maßnahme.

Laut einer Studie der Prognos AG müssen die Beitragszahler allein bis 2035 fast 140 Milliarden Euro zusätzlich für die Rente mit 63 bezahlen. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft hat eine andere, schon ältere Studie zum Thema Renten, kommentiert. Danach wird die Finanzierungslücke bis zum Jahr 2040 83 Mrd. EUR betragen. Zum Zeitpunkt (2016) war die wirtschaftliche Lage noch robust und gut.

Vermutlich spiegelt sich die neue Lage schon bald wider. Die Lücke wird sehr viel früher offensichtlich, denke ich. Allerdings lese ich – wie zum Trotz -, dass die Renten auch im Jahr 2025 um 4,57 % steigen sollen. Nun, wem das nicht plausibel ist, der wird auch nicht verstehen, dass bei VW Massenentlassungen und Werksschließungen anstehen, während der dortige Betriebsrat aktuell über eine 7%ige Lohnerhöhung für die „Überlebenden“ fordert.

Was soll man dazu noch sagen?

Eine ordentliche Rentenreform schließt in meinen Augen die Bereitschaft zum Verzicht ein.

Damit meine ich nicht die Menschen, die heute schon nicht mit ihren Minirenten auskommen, sondern die vielen Millionen (inkl. Beamte natürlich), die vergleichsweise komfortabel leben können. Ich zähle mich dazu. Trotzdem habe ich mich geärgert, als ich heute den konkreten Wert der Erhöhung meiner Zusatzbeiträge für die Krankenkasse erfahren habe. Über 60 % mehr. Das macht es in meinem Fall aus, wenn der bisherige Satz von 1,98 % auf nunmehr 3,28 % erhöht wird. Das macht schlappe 18,23 EUR pro Monat mehr. Da hätte ich mir die Pro-Version von Perplexcity wohl lieber verkniffen! Das kommt davon…, wenn man die Daten seines Haushalts aus den Augen verliert.

IMG 2024 10 13 142823
Horst Schulte
Herausgeber, Blogger, Autor und Hobby-Fotograf
Seit 2004 blogge ich über Politik und Gesellschaft – also seit die meisten noch SMS statt Tweets geschrieben haben. Mit 70 Jahren lebe ich immer noch im schönen Bedburg, direkt vor den Toren Kölns, und schreibe über alles, was die Welt bewegt (oder mich zumindest vom Sofa aufstehen lässt).
Quelle Featured-Image: a dramatic illustration of a large broken and heav...

17 Views

Kommentieren


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Ihre E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Sie können anonym kommentieren. Ihr Name und Ihre E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


Ähnliche Beiträge

Your Mastodon Instance
Share to...