Schuldenbremse, Bürokratie und die fatalen Narrative einer verantwortungslosen Unionspolitik: Wer führt hier wirklich und mit welchem Ziel?

Medi­en und Poli­ti­ker beein­flus­sen die Wahr­neh­mung der Wirt­schafts­la­ge, wäh­rend grund­le­gen­de Ent­schei­dun­gen blo­ckiert bleiben.

6 Minute/n


Merken

4

Shit! Jetzt ist es pas­siert. Die Stim­mung sei – so die freie Wirt­schafts­jour­na­lis­tin Wei­den­feld bei Phoe­nix – angeb­lich bes­ser als die Lage. Von die­ser Dame durf­te ich aber nichts ande­res erwarten. 

Auf dem Wutz­et­tel aller neo­li­be­ra­len Kämp­fer steht jede Form lin­ker oder grü­ner Poli­tik an der Top-Posi­ti­on. In den ver­gan­ge­nen Wochen hat­ten wir das in unse­ren Medi­en noch anders­her­um geflüs­tert bekom­men. Nun ist es also rich­tig schlimm. Weni­ge Wochen gin­gen seit­her ins Land. So schnell ändert sich alles!

Exper­ten erre­gen sich dar­über, dass in unse­ren Amts­stu­ben noch immer gefaxt wird. Ja, furcht­bar. Man ergeht sich im Weh­kla­gen über eine über­bor­den­de Büro­kra­tie. Das ist ein so belieb­tes The­ma, weil jeder sei­nen Bei­trag leis­ten und wil­de Schimpf­ka­no­na­den star­ten kann.

Dabei geht es um Ent­schei­dun­gen, die in der Ampel nicht getrof­fen wer­den kön­nen, weil die Uni­on, die u.U. schon bald die Amts­ge­schäf­te über­neh­men wird, nicht dazu bereit ist, die drin­gend nöti­gen Mit­tel für Infra­struk­tur­maß­nah­men durch eine Anpas­sung der Schul­den­brem­se zu erlau­ben. Dabei darf man sicher sein, dass eine der ers­ten Maß­nah­men der dann uni­ons­ge­führ­ten Regie­rung dar­in bestehen wird, die Schul­den­brem­se zu ver­än­dern. Hal­ten sie das Ver­hal­ten der Uni­on wie ich für unse­ri­ös oder möch­ten Sie gegen mei­ne Aus­sa­ge wetten?

Die Wirt­schaft – ver­zei­hen Sie mir, dass ich das hier so unver­blümt schrei­be – wit­tert in die­sen Zei­ten Mor­gen­luft. Ich fin­de, man kann das auch am Grund­rau­schen die­ser mas­si­ven Unzu­frie­den­heit erken­nen, die viel zu kate­go­risch auf die Nicht­leis­tung der aktu­el­len Bun­des­re­gie­rung reflek­tiert, um für mich glaub­wür­dig zu sein. Man kann eben nie genug kla­gen. Man­che haben es dabei zur Meis­ter­schaft gebracht. Ich fin­de die Bereit­schaft unse­rer Bevöl­ke­rung, die ein­sei­ti­gen Nar­ra­ti­ve ohne Wenn und Aber zu über­neh­men, beschämend.

Deutsch­land ist bekannt für sei­ne wett­be­werbs­fä­hi­ge und hoch­ent­wi­ckel­te Indus­trie, ins­be­son­de­re in den Berei­chen Maschi­nen­bau, Auto­mo­bil­bau, Che­mie und Elek­tro­nik. Die­se Sek­to­ren haben glo­bal eine star­ke Nach­fra­ge. Der Sta­tus quo war bedingt durch posi­ti­ve Erfah­run­gen der Kun­den die­ser Sektoren. 

Man hört, die schlech­te Lage unse­rer Wirt­schaft hät­te vor allem damit zu tun, dass der Indus­trie­an­teil im Ver­gleich zu ande­ren euro­päi­schen Län­dern so hoch ist. Der Anteil der deut­schen Indus­trie betrug in guten Zei­ten ca. 24 % des BIP.

»Made in Ger­ma­ny« galt etwas. Inner­halb weni­ger Jah­re (es sol­len die letz­ten 3 unter der Ampel-Regie­rung gewe­sen sein) hat sich das – glaubt man den Prot­ago­nis­ten unse­rer Exper­ten­zir­kel und Zuru­fen aus der Wirt­schaft – fun­da­men­tal ver­än­dert. Ent­schei­dun­gen gegen den Stand­ort Deutsch­land sind inzwi­schen an der Tages­ord­nung. Zei­tungs­be­rich­te über Ent­las­sun­gen und Werk­schlie­ßun­gen und Ver­la­ge­run­gen wer­den im Inter­net geteilt, um die Unfä­hig­keit die­ser Bun­des­re­gie­rung zu bele­gen. Nichts ist den Prot­ago­nis­ten der Uni­on, der AfD und des BSW zu bil­lig, die ange­sichts der Lage ihr poli­ti­sche Gift­sup­pe kochen.

Bei allen Betrach­tun­gen spielt kei­ne Rol­le mehr, was wir vor weni­gen Jah­ren noch als Erklä­rung für die Über­le­gen­heit der deut­schen Wirt­schaft mit bei­na­he bedau­ern­dem Unter­ton aus Poli­tik und Wirt­schaft zu hören beka­men. Es ging um die hohen Export­über­schüs­se, die die deut­sche Wirt­schaft pri­mär auf­grund der nied­ri­gen Zin­sen erzie­len konnte.

Nach der Finanz­kri­se 2008 pro­fi­tier­te Deutsch­land stark von der Zins­po­li­tik der EZB. 

Die nied­ri­gen Zin­sen, die durch die expan­si­ve Geld­po­li­tik der Euro­päi­schen Zen­tral­bank (EZB) unter­stützt wur­den, ermög­lich­ten es deut­schen Unter­neh­men, güns­ti­ge Kre­di­te auf­zu­neh­men. Dadurch konn­ten sie Inves­ti­tio­nen in neue Pro­duk­ti­ons­an­la­gen, Tech­no­lo­gien und Export­ka­pa­zi­tä­ten täti­gen, was ihre inter­na­tio­na­le Wett­be­werbs­fä­hig­keit stärk­te und ihre Export­zah­len för­der­te. Die­ser Vor­zug wur­de im Aus­land nicht son­der­lich geschätzt. Man emp­fand die­se Lage als unfair.

Durch die Nied­rig­zins­po­li­tik blieb der Euro im Ver­gleich zu ande­ren Wäh­run­gen, wie dem US-Dol­lar, rela­tiv schwach. Ein schwä­che­rer Euro ver­bil­lig­te deut­sche Expor­te für Län­der außer­halb der Euro­zo­ne, da deren Pro­duk­te in ande­ren Wäh­run­gen güns­ti­ger wur­den. Das hat die Nach­fra­ge nach deut­schen Waren welt­weit verstärkt.

Die nied­ri­gen Zin­sen in vie­len Indus­trie­län­dern führ­ten zu einer Locke­rung der Geld­po­li­tik und tru­gen so zu einer wirt­schaft­li­chen Erho­lung nach der Finanz­kri­se bei. Die­se Erho­lung stärk­te die Nach­fra­ge nach deut­schen Export­gü­tern, da Län­der wie die USA, Chi­na und ande­re wich­ti­ge Han­dels­part­ner in der Lage waren, mehr zu importieren.

Das Nied­rig­zins­um­feld in ande­ren Län­dern führ­te dazu, dass Kapi­tal­an­le­ger aus dem Aus­land in deut­sche Ver­mö­gens­wer­te inves­tier­ten, weil Deutsch­land als siche­rer Hafen galt. Dies hat den Kapi­tal­zu­fluss erhöht, was die inlän­di­sche Wirt­schaft gestärkt hat und somit indi­rekt die Export­wirt­schaft unterstützt.

Der Höhe­punkt der Han­dels­bi­lanz­über­schüs­se fand in den Jah­ren 2015 bis 2017 statt. Schon in den 2010er Jah­ren gab es aber bereits hohe Exportüberschüsse.

Der Ein­fluss geo­po­li­ti­scher Ver­än­de­run­gen wird eben­so nicht in dem Maße in den Dis­kus­sio­nen berück­sich­tigt, wie das ver­mut­lich sein soll­te. Die Span­nun­gen zwi­schen den USA und Chi­na spie­len eine Rol­le, aber lei­der auch die für Deutsch­land sehr rele­van­ten Zoll­de­bat­ten um euro­päi­sche Impor­te aus China.

Der Euro hat den Han­del inner­halb der EU erleich­tert. Dass die Wäh­rung schwach ist, führ­te auch in den Wirt­schafts­be­zie­hun­gen mit ande­ren Län­dern zu Vorteilen. 

Ich bin kein Anhän­ger der für mich viel zu posi­ti­ven Sicht auf »die Erfol­ge« der Schrö­der-Agen­da. Die­ses Land hat sich durch die von der Wirt­schaft bis heu­te beju­bel­te Agen­da nega­tiv ver­än­dert. Dabei erzählt man uns immer wie­der das Gegen­teil. Nach den 2010er Jah­ren gab es über lan­ge Zeit einen erheb­li­chen Lohn­ver­zicht der Arbeit­neh­mer­schaft in Deutsch­land. Der Nied­rig­lohn­be­reich hat auch Aus­wir­kun­gen auf das all­seits beklag­te deut­sche Ren­ten­ni­veau. Auf die­ser Ent­wick­lung beru­hen ande­rer­seits hohe Gewin­ne der Wirt­schaft über vie­le Jahre. 

Der Bin­nen­kon­sum wird von der Stim­mung im Land beein­träch­tigt. Inso­fern muss ich davon aus­ge­hen, dass die Stim­mung schlecht ist. Ist das eine Über­ra­schung? Nee, die Stim­mung war bis­her ja bes­ser als die Lage. Wir ler­nen: Es kann schlim­mer wer­den. Man muss nur mit »dem rich­ti­gen Blick« auf die Lage im Land schau­en. Die­ser Blick wird gelenkt von Uni­on, AfD und BSW. Wil­li­ge Hel­fer sind Sprin­ger und alle Medi­en, die kei­ner­lei Ver­ant­wor­tungs­ge­fühl besit­zen. Natür­lich nur, solan­ge die Uni­on noch nicht an der Macht ist.

Mei­ne Gedan­ken habe ich des­halb auf­ge­schrie­ben, weil in den Betrach­tun­gen der aktu­el­len Lage unse­res Lan­des bestimm­te Sach­ver­hal­te kaum Erwäh­nung fin­den. Dazu zählt nicht bloß die ver­teu­er­te Ener­gie und struk­tu­rel­le Nach­tei­le, die natür­lich nicht nur die deut­sche Indus­trie tref­fen. Der Staat hat Lücken zu schlie­ßen, die über vie­le Jah­re des­halb nicht ent­stan­den waren, weil auf­grund der nied­ri­gen Zin­sen u.a. die Schul­den trotz Aus­wei­tung des Sozi­al­staa­tes im Griff gehal­ten wer­den konn­ten. Jetzt muss der Finanz­mi­nis­ter plötz­lich wie­der Mil­li­ar­den von EUR für den Schul­den­dienst auf­brin­gen. Die CDU/SPD-Mer­kel-Regie­rung hat die Spiel­räu­me durch ihr Han­deln dra­ma­tisch verengt.

Hat der Kanz­ler denn nicht recht?
Olaf Scholz und die Übel­lau­nig­keit in Deutsch­land: Ach, immer nur meckern! – Kolum­ne – DER SPIEGEL ($)

GZosErlXAAwosm7
Ver­ant­wor­tung

Diesen Beitrag teilen:
0CDD5CFF 182F 485A 82C6 412F91E492D0
Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Medienkritik Schuldenbremse Wirtschaftspolitik

Quelle Featured-Image: a contrasting graphic of a distressed economy figu...

Letztes Update:

Anzahl Wörter im Beitrag: 1137
Aufgerufen gesamt: 80 mal
Aufgerufen letzte 7 Tage: 9 mal
Aufgerufen heute: 2 mal

4 Gedanken zu „Schuldenbremse, Bürokratie und die fatalen Narrative einer verantwortungslosen Unionspolitik: Wer führt hier wirklich und mit welchem Ziel?“

  1. Heu­te ein „Off Topic“ Kom­men­tar von mir. Du hast das Aus­se­hen dei­ner Web­site geän­dert. Das machst du ja öfters. Das jet­zi­ge Aus­se­hen ist aller­dings außer­ge­wöhn­lich. Solch schma­le Inhalts­spal­te sieht man, außer bei Rich Tabor und Anders Noren sonst nicht. Sieht aber gut aus. Auch wenn ich mir mei­ne Sei­te so nicht vor­stel­len kann.

  2. Bes­ten­falls schrump­fen wir uns auf­grund des Fach­kräf­te­man­gels und feh­len­der Auf­trä­ge gesund 🙂
    Nein, Im Ernst, ih den­ke auch nicht, dass der Ampel ein Allein­ver­schul­den der Wirt­schafts­kri­se vor­zu­wer­fen ist. Zwei Din­ge sind jedoch exis­ten­zi­ell für ein Wirt­schafts­wachs­tum. Das ist zum einen bil­li­ge Ener­gie, die­se Zei­ten sind spä­tes­tens mit Spren­gung von Nord-Stream (böse Zun­ge behaup­ten, die USA hät­ten durch die Abkopp­lung vom bil­li­gen Gas letzt­end­lich das erreicht was sie errei­chen woll­ten) vor­bei und Ver­läss­lich­keit in den Hand­lun­gen. Da aller­dings sehe ich tat­säch­lich ein Teil der Schuld beim Wirt­schafts­mi­nis­ter. Die Ver­läss­lich­keit for­dern Unter­neh­men und Ver­brau­cher ein. Dabei ist ein Rück­zug auch nicht immer poli­tisch bedingt, nichts­des­to­trotz sind es poli­ti­sche Feh­ler, die dazu führen. 

    Thys­sen Krupp zieht ver­mut­lich sei­nen Green Deal zurück, hat aber trotz­dem 2 Mil­li­ar­den an Steu­er­gel­dern kas­siert, um damit jetzt ver­mut­lich Sozi­al­plä­ne zu bezah­len. Das hät­te nicht pas­sie­ren dürfen. 

    Die Lis­te ver­schwen­de­ter Steu­er­gel­der lie­ße sich fort­set­zen. Mey­er Werft, Ener­gie­un­ter­neh­men und Ban­ken, gepam­pert durch die Regierung.

    Schuld trägt aber auch die Oppo­si­ti­on. Merz ver­kün­det laut­stark alle Geset­ze nach sei­ner Inthro­ni­sie­rung im nächs­ten Jahr rück­gän­gig machen zu wol­len. Ver­mut­lich wer­den sich also Unter­neh­men und Ver­brau­cher in Inves­ti­tio­nen noch mehr zurück­hal­ten und das lässt auch für das nächs­te Jahr nichts Gutes hoffen.

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


✅ Beitrag gemerkt! Favoriten anzeigen
0
Share to...
Your Mastodon Instance