Hauptsache, es gibt Schuldige: Warum die Diskussionen unsere Probleme nicht lösen

Der Bei­trag beleuch­tet die destruk­ti­ve Wir­kung von Schuld­zu­wei­sun­gen in Wirt­schaft und Gesell­schaft und zeigt die Not­wen­dig­keit einer dif­fe­ren­zier­ten Diskussion.

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Wenn ich drü­ben bei „X“ so man­che geis­ti­gen Ergüs­se lese, bekom­me ich kei­ne neu­en Per­spek­ti­ven, son­dern mir wird ein­fach schlecht. Man­chen wird selbst kei­ne KI der neu­es­ten Gene­ra­ti­on helfen.

Sie fin­den mei­ne Vor­hal­tung stil­los und frech? Das ist nun mal mei­ne Mei­nung. Bei „X“ kämpft jeder auf­rech­te Demo­krat stand­haft dar­um, sei­ne Mei­nung aus­brei­ten zu kön­nen. Nichts scheint wich­ti­ger als die eige­ne Mei­nungs­frei­heit. Die Rit­ter der Mei­nungs­frei­heit (RA Stein­hö­fel) sind oft die­je­ni­gen, die IMHO aus destruk­ti­ven Moti­ven jeden Raum für sich nut­zen, dafür aller­dings den der ande­ren nur zu gern beschrän­ken. Sie tun aber, als sei exakt das Gegen­teil der Fall.

Vie­le Leu­te füh­len sich unbe­hag­lich, weil sie die par­al­lel ablau­fen­den Ver­än­de­run­gen nicht ver­ar­bei­ten kön­nen und sich aus­ge­lie­fert, viel­leicht sogar bedroht füh­len. Wir sind an so vie­le Ver­än­de­run­gen und Bedro­hun­gen in unse­rem bequem ein­ge­rich­te­ten Leben nicht gewöhnt und kön­nen des­halb schlecht damit umge­hen. Was mögen Ukrai­ner wohl über uns denken?

Ich kann die Sor­gen nach­voll­zie­hen! Mir geht es auch nicht anders. 

Die Leu­te, die jedes Ver­trau­en in alles ver­lo­ren zu haben schei­nen, tau­schen bi „X“ ein, max. zwei Sät­ze aus und glau­ben mit ihren Ein­las­sun­gen, die Pro­ble­me durch­drun­gen zu haben. Ist das wirk­lich trag­fä­hig? Aus mei­ner Sicht ist so etwas ein­fach nur destruk­tiv. Hei­len kann das, was da mit sol­chen Men­schen pas­siert ist, wohl kei­ner. Man könn­te ver­su­chen, Argu­men­te zu bie­ten oder Erklä­run­gen. Das wol­len sol­che Leu­te aber nicht hören. Sie haben auf­ge­ge­ben. Sie sind bit­ter und vol­ler Wut.

Sozial-Media-Verdrießlichkeit

Aber bei „X“ und ande­ren Social Net­works – beten sie vor allem das nach, was kon­ser­va­ti­ve Poli­ti­ker, rech­te Jour­na­lis­ten und Wirt­schafts­exper­ten über den Wirt­schafts­mi­nis­ter sagen: Robert Habeck hat den Nie­der­gang der deut­schen Wirt­schaft im Allein­gang zustan­de gebracht.

Die „mil­de­re“ Ver­si­on: Drei Jah­re SPD und Grü­ne in der Bun­des­re­gie­rung sol­len dafür ver­ant­wort­lich sein, Tei­le der Uni­on und Bay­erns Minis­ter­prä­si­dent Söder immer ganz vorn dabei bei den Schuldzuweisungen.

Keine Gesamtverantwortung

Kri­ti­ker, ins­be­son­de­re aus der Uni­on, wer­fen ihm vor, durch sei­ne Wirt­schafts­po­li­tik die Sta­gna­ti­on und wirt­schaft­li­che Schwä­che Deutsch­lands aus­ge­löst zu haben. Sie kri­ti­sie­ren sei­ne Sub­ven­ti­ons­po­li­tik und man­geln­de markt­wirt­schaft­li­che Ansät­ze, wäh­rend Deutsch­land im euro­päi­schen Ver­gleich wirt­schaft­lich zurück­fällt. Auch wird argu­men­tiert, dass sein Fokus auf die grü­ne Trans­for­ma­ti­on inef­fi­zi­ent und rea­li­täts­fern sei.

Bei so deut­li­chen Schuld­zu­wei­sun­gen schei­nen die Zustim­mungs­ra­ten für den Kurs Söders (45 %) und Merz (30 %) erklär­lich. Die­se Nei­gung wird vor allem von den Ost­deut­schen getra­gen. Bei der aus­ge­präg­ten Lie­be zur Dis­rup­ti­on ist das nicht überraschend. 

Demografie bringt Demokratie in Schwierigkeiten

Fer­ner will ich dar­auf hin­wei­sen, dass wir 2,6 Mil­lio­nen Men­schen zwi­schen 20 und 34 ohne Berufs­qua­li­fi­zie­rung haben – 2,6 Mil­lio­nen Men­schen! Da mögen auch eini­ge dabei sein, die – wie soll ich sagen? – ein biss­chen lais­sez fai­re ran­ge­hen. Aber 2,6 Mil­lio­nen Men­schen zu qua­li­fi­zie­ren, ist eine poli­ti­sche Auf­ga­be. Das ist ein struk­tu­rel­les Pro­blem. Wir müs­sen es ange­hen. Wir müs­sen über­all über Aus­bil­dung, Wei­ter­bil­dung, Fort­bil­dung, den Zugang in die Aus­bil­dung reden und die­se Men­schen in Arbeit bringen.

Quel­le. (Habeck)

Da mögen Habeck und Scholz sich noch so abstram­peln. Gegen Chris­ti­an (wir brau­chen Dis­rup­ti­on) Lind­ner und des­sen Kom­bat­tan­ten ist ange­sichts der Nach­rich­ten­la­ge aus der Wirt­schaft nichts zu machen. Abge­se­hen davon reden und schrei­ben die übli­chen Ver­däch­ti­gen die Unfä­hig­keit links-grü­ner Poli­tik mit höchst­mög­li­cher Verve. 

Rot-Grün – der Beelzebub

Neu­tra­le Bewer­tun­gen fin­den sich kaum noch. Rot-Grün ist der Beel­ze­bub, den es nun aus­zu­trei­ben gilt. 

Es gibt eine Rei­he von Aspek­ten, die zu wür­di­gen wären, die (nicht bloß wegen des Wahl­kamp­fes) zur Ver­dum­mung eines erheb­li­chen Teils der Social-Media-Kon­su­men­ten von Kon­ser­va­ti­ven, Rech­ten und Alles­bes­ser­wis­sern weg­ge­las­sen werden. 

Einige Gründe für unsere Probleme

Struk­tu­rel­le Pro­ble­me: Habeck selbst ver­weist auf tie­fer­lie­gen­de struk­tu­rel­le Her­aus­for­de­run­gen wie den demo­gra­fi­schen Wan­del, eine schwa­che Wett­be­werbs­po­si­ti­on und gerin­ge Nach­fra­ge als Haupt­ur­sa­chen der Rezession.


Glo­ba­le Fak­to­ren: Die wirt­schaft­li­che Lage wird auch durch glo­ba­le Unsi­cher­hei­ten und geo­öko­no­mi­sche Her­aus­for­de­run­gen beein­flusst, die nicht allein auf natio­na­le Poli­tik zurück­zu­füh­ren sind.


Lang­fris­ti­ge Per­spek­ti­ve: Habeck betont die Not­wen­dig­keit von Inves­ti­tio­nen in eine kli­ma­neu­tra­le Wirt­schaft und sieht in sei­nen Maß­nah­men lang­fris­ti­ge Chan­cen für Wachs­tum ab 2025.

Waren Sie scho­ckiert über die­sen enor­men Absturz des deut­schen Wirt­schafts­po­ten­zi­als?

Grimm: Es war klar, dass es nicht rosig aus­se­hen wür­de. Aber ein Poten­zi­al­wachs­tum von nur einem Drit­tel im Ver­gleich zum letz­ten Jahr­zehnt hat mich schockiert.

Quel­le

Es wur­de häu­fig dar­auf ver­wie­sen, dass wich­ti­ge Wei­chen­stel­lun­gen in den Jah­ren der Gro­ßen Koali­ti­on und der Schwarz-Gel­ben Koali­ti­on nicht erfolgt sind. Das ist natür­lich völ­lig zutref­fend. Die SPD war in den 16 Jah­ren Mer­kel ledig­lich an einer Legis­la­tur nicht betei­ligt. Wäh­rend­des­sen waren die Libe­ra­len untä­tig. Aller­dings ist es lang­wei­lig, immer wie­der damit zu argumentieren. 

Potenzialwachstum geht seit Jahren zurück

Ande­rer­seits könn­te man sich die wirt­schaft­li­chen Daten ein­mal genau­er anse­hen und wür­de gleich erken­nen, wie bedeu­tend die­se vom Volk gou­tier­te Poli­tik der ruhi­gen Hand war. Im nega­ti­ven Sinne.

Der Sach­ver­stän­di­gen­rat schätzt das Poten­zi­al­wachs­tum im Jahr 2024 auf 0,5 Pro­zent und im Jahr 2025 auf 0,4 Pro­zent. Es dürf­te bis zum Jahr 2029 auf die­sem nied­ri­gen Niveau verharren.

Quel­le

Die Wachs­tums­ra­te des rea­len Pro­duk­ti­ons­po­ten­zi­als der deut­schen Volks­wirt­schaft ist laut Schät­zun­gen des Sach­ver­stän­di­gen­ra­tes von durch­schnitt­lich etwa 2,5 % in den 1970er-Jah­ren auf durch­schnitt­lich etwa 1,4 % zwi­schen den Jah­ren 2000 und 2019 gefal­len. Seit dem Jahr 2020 beträgt sie durch­schnitt­lich etwa 0,5 %. Auf­grund einer star­ken Net­to­zu­wan­de­rung im Jahr 2022, ZIFFER 100 unter ande­rem aus der Ukrai­ne, liegt die Poten­zi­al­wachstum­ra­te im Jahr 2023 mit etwa 0,7 % über ihrem lang­fris­tig erwart­ba­ren Pfad.

Quel­le: Gut­ach­ten, Sach­ver­stän­di­gen­rat Wirtschaft

Sol­che Exper­ti­sen sind aller­dings auch nicht alles. Für den Ein­bruch des Poten­zi­al­wachs­tums wird vor­ran­gig der Arbeits­kräf­te­man­gel durch die Demo­gra­fie genannt. Zur Zeit der Erstel­lung des Gut­ach­tens schei­nen die Exper­ten nicht auf dem Zet­tel gehabt zu haben, dass die Enge auf dem Arbeits­markt und die ein­set­zen­de star­ke Zunah­me von Arbeits­platz­ver­lus­ten (längst nicht nur in der Auto­mo­bil­in­dus­trie) kon­ter­ka­riert wer­den. Ob kapi­ta­lis­ti­sche Rezep­te wie die eines Herrn Stein­gart hel­fen könn­ten? Vie­le wer­den sagen: bloß nicht! Sol­che „Anre­gun­gen“ sind nicht hilf­reich, wenn es um Lösungs­mög­lich­kei­ten geht. Sie sind aber alle­mal Muni­ti­on für all die, die ohne­hin glau­ben, alles sei verloren.

Spie­gel Online: Umfra­gen: Deut­sche wen­den sich radi­kal von der Atom­kraft ab ❣️ Aus­schnitt aus d. Arti­kel: Die japa­ni­sche Atom­ka­ta­stro­phe hat die Ein­stel­lung der Deut­schen zur Atom­po­li­tik dra­ma­tisch ver­än­dert. Eine Mehr­heit will nun den ganz schnel­len Aus­stieg. 70 Pro­zent hal­ten einen Unfall wie in Fuku­shi­ma auch hier­zu­lan­de für möglich.

Quel­le

Schnelle Meinungswechsel

Erst kürz­lich habe ich mich über die Grün­de für den Atom­aus­stieg unter­hal­ten. Heu­te gilt ja, alles sei auf Mer­kels Mist gewach­sen. Der Atom­aus­stieg sei einer der bei­den ent­schei­den­den Feh­ler in ihrer Amts­zeit gewe­sen, wird behauptet. 

Dabei erin­ne­re ich mich noch gut dar­an, wie 2011 die Mei­nung im Volk dazu war. In Umfra­gen war die Mehr­heit der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger für den schnel­len Aus­stieg aus die­ser Ener­gie­quel­le. Heu­te mag man dies unter dem Druck der Ener­gie­kos­ten (auch der Indus­trie) durch­aus anders gese­hen wer­den. Mit dem Aus­stieg haben aller­dings ganz vie­le ihren Wunsch erfüllt gese­hen. So sind wir eben. Wir ste­hen im Zwei­fel nicht zu unse­rer Hal­tung. Haupt­sa­che, die Schul­di­gen für den Mist sind ding­fest gemacht. 

Die Ent­wick­lung der deut­schen Wirt­schaft muss lang­fris­tig betrach­tet wer­den. Es ist etwas unter­kom­plex, wie die heu­ti­ge Oppo­si­ti­on und die ihr zuge­neig­te Jour­nail­le mit den gegen­wär­ti­gen Pro­ble­men umge­hen. Gut, wir befin­den uns jetzt im Wahl­kampf und der vor­läu­fi­ge Bedeu­tungs­ver­lust von SPD und Grü­nen wird – ver­mu­te ich – trotz anders­lau­ten­der Beschwö­run­gen, nicht auf­ge­hal­ten wer­den kön­nen. Wich­tig wäre für unser Land, dass eine Poli­tik Ein­zug hält, die sich an sei­nen Inter­es­sen ori­en­tiert und nicht an den Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen der im BT ver­tre­te­nen Par­tei­en. Die­se Hoff­nung habe ich aller­dings schon vor lan­ger Zeit auf­ge­ge­ben. Die Par­tei­en haben sich – das gilt lei­der für alle – den Staat unter den Nagel geris­sen. Gera­de in den letz­ten Mona­ten war die­se Ent­wick­lung mehr als deutlich.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Demografie Investitionen Wahlkampf

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2 Gedanken zu „Hauptsache, es gibt Schuldige: Warum die Diskussionen unsere Probleme nicht lösen“

  1. _Su 20. Dezember 2024 um 08:39

    Die „Auf­bau“- Jah­re nach dem Krieg sind vor­bei. Das ist wohl das größ­te Pro­blem. Den­noch möch­te ich hier lie­ber leben als in einem ande­ren Staat. 

    Ich sehe für die Zukunft auch eher schwarz. Es wird alles teu­rer, es muss so viel moder­ni­siert wer­den. Es fehlt an Zusam­men­ar­beit der demo­kra­ti­schen Par­tei­en für das Land.

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