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Die Last der Geschichte: Israel, Palästina und Deutschlands Verantwortung

Die Debatte über Deutschlands Haltung im Nahost-​Konflikt offen­bart Spannungen zwi­schen his­to­ri­scher Verantwortung und aktu­el­ler Realpolitik.

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Nach dem Hamas-​Angriff auf Israel und dem Beginn die­ser ein­zig­ar­tig bru­ta­len Antwort des zum Teil rechts­extre­mis­ti­schen israe­li­schen Regimes gab es bei uns viel Unmut über die aus Sicht vie­ler Leute ein­sei­ti­ge Positionierung unse­rer Regierung zuguns­ten Israels. 

Nach dem Hamas-​Angriff: Deutschlands einseitige Positionierung

Der Verweis auf Deutschlands Staatsräson, der sei­tens vie­ler Politiker und Journalisten betont wur­de, half nicht wei­ter. Dass Israel unse­re Unterstützung nun wahr­lich gar nicht brauch­te, war eingepreist.

Der Atmosphäre im Land hat das nicht gut­ge­tan. Ich erin­ne­re an die schwe­ren Krawalle und zahl­rei­chen unter­ir­di­schen Debatten. Darüber, ob und wie uns Deutsche die Befindlichkeiten von hier leben­den Palästinensern und Arabern, die ihre Parteilichkeit wirk­lich klar­ge­macht haben, inter­es­sie­ren soll­ten, kann man unter­schied­lich denken. 

Eine gespaltene Gesellschaft

Dass wir als Land schon lan­ge nicht mehr in der Lage (viel­leicht in Wahrheit nicht ein­mal bereit) sind, unse­re jüdi­schen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu schüt­zen, ist ein Problem, das am Selbstbewusstsein unse­rer Nation zer­ren soll­te. Ich hof­fe, das sehe ich nicht allein so. Überall ist Polizeischutz nötig, äußer­li­che Glaubensbekundungen sind für Jüdinnen und Juden in Deutschland lebens­ge­fähr­lich. Das ist eine so gro­ße Schande, dass ich bei­na­he Verständnis dafür habe, dass in unse­rem Land so wenig dar­über debat­tiert wird. Ja, man müss­te sich für eine Seite ent­schei­den. Entweder ste­hen wir zu unse­rem his­to­ri­schen Versagen und machen es jetzt bes­ser oder wir tun – wie gesche­hen – nichts! Na, blo­ße Worte rei­chen in die­sem Konflikt längst nicht mehr.

Es gibt Verständnis für die paläs­ti­nen­si­schen Anliegen und die ein­fach nur furcht­ba­ren Folgen der bar­ba­ri­schen Vergeltungsmaßnahmen der Israelis. So vie­le Zivilisten sind von den Israelis getö­tet wor­den, dass sich jeder Mensch ange­wi­dert von Netanyahus Regime abwen­den könn­te. Wir tun das aller­dings nicht, son­dern klap­pern nur ein wenig auf diplo­ma­ti­scher Ebene mit dem Wort. Freilich ohne auch nur ein Augenzucken bei die­sem Herrscher des Unrechts zu erzeugen.

Worte reichen nicht

Es gilt, sich zu ent­schei­den. Halten wir es mit dem jüdi­schen Staat, mit den Menschen in Israel oder neh­men wir Partei für die Sache der Palästinenser, die aus mei­ner Sicht ihrer­seits kei­ne über­trie­be­nen Vorstellungen von einer künf­ti­gen Selbstständigkeit in Frieden haben. Es hat den Anschein, als sei die­ser gor­di­sche Knoten nicht zu durchtrennen. 

Es fällt mir schwer zu akzep­tie­ren, dass wir eine sol­che Entscheidung nicht hin­be­kom­men. Mir will das nicht in den Kopf. Stattdessen lavie­ren wir zwi­schen dem Gefühl der Verbundenheit mit Israel und einem zumin­dest latent exis­tie­ren­den Ungerechtigkeitsgefühl, wel­ches die fürch­ter­li­che Lage der Palästinenser anlangt. Können wir das mit Geld aus­glei­chen? Etwa, indem wir – soll­te es zu einem Frieden kom­men – Milliarden EUR in den Wiederaufbau Gazas und der fort­zu­set­zen­den Alimentierung der paläs­ti­nen­si­schen Vertretungen (Hamas und Fatah) mit den bekann­ten Konsequenzen stecken?

Derzeit leben 200.000 Palästinenser in Deutschland. Es leben ca. 225.000 Juden unter uns, davon sind 95.000 Mitglieder der Jüdischen Gemeinden. Nehmen wir poten­zi­el­le Sympathisanten aus dem ara­bi­schen Raum zur Gruppe der Palästinenser hin­zu, dürf­te das Ergebnis erheb­lich über der Gesamtzahl von Menschen lie­gen, die den jüdi­schen Glauben haben. Das Zahlenverhältnis ist klar und die vie­len Geschichten, die man dar­über liest, dass sich Juden in Deutschland nicht sicher füh­len und an Auswanderung den­ken, sind auch des­halb nach­voll­zieh­bar. Auch, wenn natür­lich unklar bleibt, wie hoch die Zahl der Menschen bleibt, die über­haupt Probleme mit ihren jüdi­schen Nachbarn haben.

Wenn sich ein frü­he­res Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, das es bis zur Staatssekretärin brach­te, heu­te zwi­schen allen Stühlen sieht, ist das vor die­sem kom­ple­xen Hintergrund ver­ständ­lich. Sawsan Chebli hat schon häu­fig kon­tro­ver­se Haltungen ver­tre­ten und ist damit – ins­be­son­de­re bei „X” – in die Schusslinie der Rechten gera­ten. Sie ist Deutsche und hat einen paläs­ti­nen­si­schen Hintergrund. Ich ver­ste­he, dass es kom­pli­ziert sein muss, in die­sem Land Positionen zu ver­tre­ten, die sowohl israe­li­schen als auch paläs­ti­nen­si­schen Belangen gerecht wird. Ich glau­be, sie hat das lang versucht. 

Inzwischen scheint sie zu neu­en Einsichten gekom­men zu sein, die mir ver­deut­licht haben, wie groß die Konflikte für vie­le Menschen in unse­rem Land wer­den können. 

Die demografische Frage

Frau Chebli schrieb kürz­lich bei Instagram: 

sawanchebli
saw­san­che­b­li

Für mich sind die­se Sätze so krass, dass ich des­halb die­sen Artikel schrei­ben woll­te. Dass Merz, CDU, mit sei­nem Unterschied zwi­schen Menschen mit deut­scher und aus­län­di­scher Herkunft eine häss­li­che Debatte eröff­net hat, ist nicht mehr zu ändern. 

Zwischen auswärtigen Konflikten

Man könn­te ver­su­chen, klar­zu­stel­len, dass es nicht bloß völ­kisch moti­vier­te Vorstellungen sind, die ihn dazu bewo­gen haben und auf Fehlentwicklungen ver­wei­sen, für die die deut­schen Ureinwohner haft­bar zu machen sind. Mit ande­ren Worten: Keiner wird viel Verständnis dafür auf­brin­gen, dass Sympathisanten der Palästinenserinnen und Palästinenser in die­ser Art und Weise auf Straßen, Plätzen und Unis Randale machen, wie es in den letz­ten Monaten immer wie­der pas­siert ist.

Wenn Chebli schreibt spe­zi­ell an die 3. und 4. Generation der Einwanderer: „Bitte gebt nicht auf! Es ist auch euer Land. Demografie wird Fakten schaf­fen. […]”

Das mit der Demografie ist so abge­fah­ren, dass ich jeden ver­ste­he, der sich über Cheblis Provokation auf­regt. Sie setzt also auf die Demografie und gibt damit in mei­nen Augen Sarrazin (Ex-​SPD) recht, der vor Jahren fast ans Kreuz gena­gelt wor­den wäre, weil er das mit der Demografie („Deutschland schafft sich ab”) durch­aus war­nend vor bevor­ste­hen­den Entwicklungen the­ma­ti­siert hat­te. Ich fin­de, dass wir uns sol­che Unverschämtheiten nicht gefal­len las­sen dürfen.


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2 Gedanken zu „Die Last der Geschichte: Israel, Palästina und Deutschlands Verantwortung“

  1. Es leben wohl rund 200.000 jüdi­sche Menschen, viel­leicht etwas mehr, in Deutschland. Ca. 95.000 sind in den jüdi­schen Gemeinden organisiert.

🧘 In der Ruhe liegt die Kraft.

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