Schwer durchsetzungsstark — Stiller Widerstand am Wegesrand

Gän­se­blüm­chen trot­zen dem Asphalt – ein Text über Natur, Wider­stand, Kli­ma­wan­del und die poli­ti­sche Blind­heit unse­rer Zeit.

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Gaenseblumen
Gaen­se­blu­men

Der Mensch baut Wege. Sie sind wich­tig, um mög­lichst schnell von A nach B zu kom­men. Die damit immer schon ver­bun­de­ne Boden­ver­sie­ge­lung war der selbst­ver­ständ­li­che Preis dafür. Die Zei­ten ändern sich durch die Kli­ma­ka­ta­stro­phe, von der eigen­ar­ti­ger­wei­se so vie­le Men­schen nichts mehr wis­sen wollen. 

Viel­leicht sind vie­le von denen die­je­ni­gen, die gera­de in Scha­ren zur AfD gehen. Weil sie mit dem gan­zen links-grü­nen Blöd­sinn gar nichts mehr anzu­fan­gen wis­sen. Eigent­lich wird es für die nie anders gewe­sen sein. Diver­si­tät, Tole­ranz, Gleich­stel­lung, Inklu­si­on, Gen­der­ge­rech­tig­keit, Kli­ma­schutz, Men­schen­rech­te, Anti­ras­sis­mus, Femi­nis­mus, LGBTQ+-Rechte, Soli­da­ri­tät, Welt­of­fen­heit, Mul­ti­kul­tu­ra­lis­mus, Zivil­ge­sell­schaft, Mei­nungs­frei­heit, Pres­se­frei­heit, Wis­sen­schafts­frei­heit, Bil­dungs­ge­rech­tig­keit, Min­der­hei­ten­schutz, Erin­ne­rungs­kul­tur, Demo­kra­tie­för­de­rung, Anti­fa­schis­mus, Inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit, Asyl­recht, Huma­nis­mus, Empa­thie, gehö­ren auf den Müll­hau­fen der Geschich­te, wie es einer mei­ner Lieb­lings-AfD­ler in ande­ren Zusam­men­hän­gen mal aus­zu­drü­cken beliebte.

Wahr­schein­lich ist es noch schlim­mer. »Rot/​Grün« ist kein poli­ti­scher Geg­ner mehr, dort steht der Feind. Trump macht die Pace (das, was DIE dafür hal­ten), er gibt vor, wel­che Din­ge ange­sagt sind, getan wer­den und wel­che nicht. 

Die AfD und ihre Wäh­ler möch­ten einen ähn­li­chen Para­dig­men­wech­sel für Deutsch­land rea­li­sie­ren. Es gibt reich­hal­ti­ge The­men­fel­der, auf denen sich Trump und sei­ne Gesin­nungs­brü­der in Deutsch­land aus­to­ben wol­len. Neben Ein­wan­de­rungs­po­li­tik, Wirt­schafts­po­li­tik, Ukrai­ne, Sozi­al­po­li­tik und Regie­rungs­ap­pa­rat zählt natür­lich die Kli­ma­po­li­tik mit hoher Prio­ri­tät dazu.

Manch­mal wünsch­te ich, die Natur, die natür­lich grö­ßer und mäch­ti­ger ist als alles, was Men­schen je geschaf­fen haben oder noch schaf­fen wer­den, wür­de uns Men­schen den Weg wei­sen, und zwar so, dass es wirk­lich jeder ver­steht — auch AfD-Wähler.

Der Mensch und sei­ne Schaf­fens­kraft. Gott mein­te, der Mensch sol­le sich die Erde unter­tan machen. Das Miss­ver­ständ­nis, dem wir auf­ge­ses­sen sind, könn­te grö­ßer nicht sein — wenn wir ehr­lich sind. 

Wege/​Straßen. Gera­de, fest, ent­schlos­sen. Mit Maschi­nen, mit Plä­nen, mit Absicht. Sie sol­len ver­bin­den, lei­ten, Ord­nung schaf­fen – in einer Welt, die dem Cha­os manch­mal zu nah kommt. Und doch geschieht es immer wie­der, dass sich das Leben nicht an die Plä­ne hält.

So auch hier:

Ein schma­ler, son­nen­ver­brann­ter Weg, von Schu­hen und Rei­fen hart getre­ten, Sand und Staub, kei­ne Hei­mat für Zar­tes – soll­te man meinen.

Und doch …

Schwer durchsetzungsstark 2
Schwer durch­set­zungs­stark 2

Mit­ten in die­ser vom Leben schein­bar ver­ges­se­nen Schnei­se hat sich eine klei­ne Kolo­nie Gän­se­blüm­chen ein­ge­nis­tet. Nicht auf­dring­lich, nicht demons­tra­tiv, son­dern lei­se. Mit Blü­ten, die ein wenig erschöpft wir­ken, aber wach. Und mit Her­zen, die trotzen.

Sie drän­gen sich nicht auf, sie ste­hen ein­fach da.

Nicht als Rebel­li­on, son­dern als Erinnerung.

Dass Leben nicht wei­chen muss, nur weil ein Weg beschlos­sen wur­de. Auf die Fra­ge, wie wir mit so moder­nem Zeug wie Flä­chen­ver­sie­ge­lung umge­hen, gibt das kei­ne Ant­wort. Die Gän­se­blüm­chen und ande­re natür­li­che Gewäch­se durch­drin­gen nicht nur fes­ten Sand, ich habe schon Trie­be mit­ten in einer Asphalt­de­cke gese­hen, und in unse­rer Innen­stadt exis­tie­ren Fuß­gän­ger­we­ge, die von unter den Flie­sen von Baum­wur­zeln nach oben gedrückt wur­den. Das sind mit­un­ter Stol­per­fal­len, für die die Ver­ant­wort­li­chen der Stadt sicher schon mehr­mals Kri­tik erhal­ten haben.

Dass selbst dort, wo alles geeb­net, geord­net, durch­dacht scheint, etwas wächst, das nicht geplant war.

Die­se Gän­se­blüm­chen haben kei­nen Mas­ter­plan. Sie haben kei­nen Beton gebro­chen. Sie haben gewar­tet. Haben sich durch­ge­scho­ben, durch die Rit­zen der Gleich­gül­tig­keit, durch Lücken der Ver­nach­läs­si­gung. Sie haben das gemacht, was sie eben tun: leben.

Sie blü­hen nicht auf Asphalt, son­dern auf dem, was der Asphalt ver­ges­sen hat. Und genau dort sind sie stark. Man könn­te sagen: Sie haben sich durch­ge­setzt. Ich fin­de, sie haben ein­fach durchgehalten.

Und dar­in steckt eine Wahr­heit, die wir in all unse­rem Pla­nen gern ver­ges­sen: Nicht das Lau­tes­te, nicht das Größ­te, nicht das am bes­ten Orga­ni­sier­te setzt sich durch – son­dern oft das, was still, beharr­lich und unbe­irr­bar an sei­nem Platz bleibt.

So wie die­se Gän­se­blüm­chen. Am Rand unse­res Weges. Inmit­ten unse­res Fort­schritts. Und viel­leicht sind sie nicht im Weg. Viel­leicht zei­gen sie uns einen.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Klimawandel Naturbeobachtung

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4 Gedanken zu „Schwer durchsetzungsstark — Stiller Widerstand am Wegesrand“

  1. Sind mög­li­cher­wei­se wir die, die im Weg sind?
    Wenn wir schon lan­ge nicht mehr leben wird es Gän­se­blüm­chen & Co. immer noch geben …!

    [Sie­he → „Vom Über­le­ben“]

  2. Der Baum steht am Rand eines Sport­fel­des mit meh­re­ren Plät­zen (Fuß­ball /​Leicht­ath­le­tik /​wei­te­re Ball­spiel-Mar­kie­run­gen) und direkt neben einem hier übli­chen Ent­wäs­se­rungs­ka­nal – dort wird ihn kei­ne Bebau­ung gefähr­den, das Gebiet ist nicht nur für zwei Schu­len, son­dern für den gan­zen Stadt­teil ausgelegt.

    Vie­le Baum­fäl­lun­gen könn­ten schon dadurch ver­mie­den wer­den wenn Men­schen lern­ten, daß es die Bäu­me sind die ihnen den Sau­er­stoff lie­fern ohne den sie ersti­cken würden!

    Bedau­er­li­cher­wei­se ver­sagt in die­ser Hin­sicht unser Schul­sys­tem kläglich.

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