Eine besonders prägnante Personalie in diesem, von Thomas Gigold treffend als „Gruselkabinett“ bezeichneten Kabinettsteil, ist für mich der Journalist Wolfram Weimer. Er übernimmt den Chefsessel im Kulturministerium – als neuer Kulturstaatsminister. Theoretisch macht man dort Kulturpolitik. Praktisch dürfte Weimer vor allem den Kulturkampf fortsetzen, den er als Publizist seit Jahren mit Verve betreibt. Das passt ins Bild jener „Wende“, die Friedrich Merz und seine Mitstreiter so wortgewaltig angekündigt haben. Bleibt abzuwarten, ob dabei auch irgendetwas Zählbares herauskommt.
Das Amt war bisher durch Menschen eines ganz anderen Kalibers besetzt:
Nr. | Name | Amtszeit | Partei |
---|---|---|---|
1 | Michael Naumann | 1999–2000 | SPD |
2 | Julian Nida-Rümelin | 2001–2002 | SPD |
3 | Christina Weiss | 2002–2005 | parteilos |
4 | Bernd Neumann | 2005–2013 | CDU |
5 | Monika Grütters | 2013–2021 | CDU |
6 | Claudia Roth | seit 2021 | Grüne |
Dass dem Land bewährte Kapazitäten wie Linnemann und Spahn (zunächst) erspart bleiben, ist auch angesichts dieser einzelnen Personalie nur ein schwacher Trost.
Diese Regierung ist noch nicht im Amt und hat schon einen so schlechten Ruf, dass sie problemlos alle sehr negativen Bewertungen der Ampel übertreffen könnte. Noch ist das Kabinett nicht einmal vollständig. Die SPD will ihre Kandidaten erst am 5. Mai offenbaren. Vorfreude ist ja bekanntlich am schönsten.
Die Taz bringt Weimers mutmaßliches Programm auf den Punkt: Kulturkampf statt Kulturpolitik. So wird es sein. Bei einem Mann wie diesem wäre alles andere eine positive Überraschung.
Es spricht tatsächlich viel dafür, dass Weimer geholt wird, um es den Linken, den „Gutmenschen-Bevormundern und moralischen Besserwissern“, wie er im Vorwort zu seinem Buch formuliert, zu zeigen. Avancierte, emanzipative und popkulturelle Ansätze müssen sich auf Gegenwind einstellen.
Mir persönlich hätte Alexander Dobrindt als Bundesinnenminister schon gereicht, um meine Erwartungen an die neue Regierung nach all dem, was in den letzten Wochen geschehen ist, nochmals zu reduzieren. Nun steht mit Weimer ein weiter Kämpfer des Konservativen an seiner Seite.
Dass der neue CDU-Außenminister Johann Wadephul sich vor allem anderen von Baerbocks feministischer Außenpolitik lossagt, klingt angesichts dieses Personaltableaus eher harmlos.
Gibt es auch Lichtblicke? Katharina Reiche könnte als Wirtschaftsministerin vielleicht eine kompetente Neubesetzung dieses Postens darstellen. Sie verfügt jedenfalls über den wohl landläufig als geeignet zu betrachtenden Background. Wenn da nicht diese extrem-konservative persönliche Historie hineinwirken würde.
Reiche äußerte sich zu Beginn des letzten Jahrzehnts mehrfach kritisch gegenüber der Öffnung des Adoptionsrechts für homosexuelle Paare. In einem Interview sagte sie sinngemäß, dass Kinder „Vater und Mutter“ brauchen – eine Position, die als konservativ-familienpolitisch verstanden wird und bei Liberalen und der LGBTQ+-Community für Empörung sorgte (Quelle).
Vielleicht wird Merz sein Versprechen über die geistig-moralische Wende (Ach nee! Das war ja Kohl … welche Wende soll es diesmal noch sein?). Bald geht es los. Im Mai werden wir wissen, wohin diese schwarze Diesellok uns fährt.
[…] Bloggerkollege Horst Schulte hat sich zu der Besetzung ebenfalls geäußert. […]