Dass Linke lautstark nach einem AfD-Verbot rufen – und neuerdings auch nach Berufsverboten für Parteimitglieder –, finde ich verstörend. Dass Wähler dabei nur außen vor bleiben, weil man sie nicht namentlich und rechtssicher erfassen kann, wird nicht erwähnt. Mir kommt es so vor, als wäre es durchaus erwünscht, wenn auch AfD-Wähler sanktioniert würden. Die Debattenlage lässt diesen Rückschluss zu.
Mit Demokratie hat dieses Gebaren für mich nichts mehr zu tun. Ich erkläre meine persönliche Haltung zur AfD hier nicht zum X. Mal. Damit dringe ich ohnehin nicht durch.
Als Willy Brandt 1969 davon sprach, mehr Demokratie wagen zu wollen, konnte er kaum ahnen, dass wenige Jahre später ein Beschluss folgen würde, der nichts Gutes bewirkte.
Der sogenannte Extremistenbeschluss, besser bekannt als Radikalenerlass, wurde am 28. Januar 1972 von den Ministerpräsidenten und Kanzler Willy Brandt verabschiedet. Ziel war es, Bewerber für den Öffentlichen Dienst auf ihre Gesinnung hin zu durchleuchten – wer als „extrem“ galt, konnte draußen bleiben. »Im Laufe der 1970er-Jahre stieß der Radikalenerlass auf immer mehr Unmut in der Bevölkerung, vor allem bei jungen Menschen. Aufgrund zunehmender Kritik aus dem In- und Ausland schwächte die mittlerweile von Helmut Schmidt (SPD) geführte Bundesregierung 1976 die Regelungen auf Bundesebene erstmals ab.« (Quelle)

Nun verlangen einige besonders eifrige Demokratieverteidiger eine Rückkehr zu genau diesem Geist. Die Ausgrenzung der letzten Jahre hat ihnen offenbar nicht gereicht. Der allenthalben beklagte schrumpfende Meinungskorridor? Für diese Leute nichts als Geschwurbel von Rechten.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), selbst Betroffener des Erlasses, gestand im Januar 2022 ein, dass den Betroffenen Unrecht widerfahren sei und schloss eine Entschuldigung bei den Betroffenen nicht aus.
Wie damals dreht sich die Debatte um Beschäftigte im Öffentlichen Dienst: Lehrer, Verwaltungsbeamte, Polizisten. Bereits heute kommt es zu Disziplinarverfahren, Versetzungen oder gar Entlassungen, wenn eine AfD-Zugehörigkeit mit extremistischen Äußerungen einhergeht. Den meisten ist das herzlich egal. Was das aber für unser demokratisches Klima bedeutet, wird gerne verdrängt.
Juristisch ist ein generelles Berufsverbot für Parteimitglieder eine heikle Kiste. Artikel 12 des Grundgesetzes schützt die Berufsfreiheit. Nur wer konkret gegen Dienstpflichten oder Verfassungsgrundsätze verstößt, kann sanktioniert werden. Ein Parteibuch reicht dafür nicht.
Und doch: AfD-Mitglieder, die durch schrille Töne auffallen, zahlen mit ihrer beruflichen Existenz. Auch in der Privatwirtschaft fliegen Kündigungen, wenn jemand öffentlich-politisch aneckt. Das hat dann weniger mit Demokratie und mehr mit Imagepflege zu tun.
Einige fordern gar ein „AfD-freies Klassenzimmer“. Lehrer oder Polizisten mit Parteibuch? Geht gar nicht – finden manche. Doch was bleibt dann noch von einem demokratischen Rechtsstaat?
Beispiele gefällig?
2018 entlassen wegen rassistischer Äußerungen und fehlender Neutralität. Das Gericht bescheinigte ihm mangelnde Verfassungstreue.
Wikipedia – Thomas Seitz
2022 vorläufig suspendiert, später in den Ruhestand versetzt. Sein Verhalten ließ Zweifel an Unparteilichkeit und Verfassungstreue aufkommen.
Welt.de
2024 vom Bistum Trier aus einem Kirchenverwaltungsrat entfernt. Die Bischöfe sehen keinen Platz für Nationalismus im Christentum.
Welt.de
4. Polizeibeamte in Thüringen
2024 erinnerte das Innenministerium alle Polizisten an ihre Verfassungstreue – mit expliziter Warnung vor der AfD. Die Polizei reagierte irritiert.
BILD.de
5. Michael Büge – Ex-Staatssekretär in Berlin
Wegen Verbindungen zu einer rechtsextremen Burschenschaft 2013 entlassen. Später AfD-Mitglied, dann Fraktionsgeschäftsführer.
Wikipedia – Michael Büge
6. Christian Lüth – Ex-Pressesprecher der AfD
2020 entlassen nach menschenverachtenden Äußerungen. Hatte sich selbst als „Faschist“ bezeichnet.
Wikipedia – Christian Lüth
Die aktuellen Umfragen, die ein AfD-Verbot befürworten, spiegeln eher Frust als Überzeugung. Es geht den meisten nicht um demokratische Prinzipien, sondern um Ruhe. Die AfD nervt – also weg damit. Der Bericht des Verfassungsschutzes hat diesen Wunsch befeuert. Aber zu welchem Preis?
Ich glaube nicht, dass viele Menschen die Tragweite eines Parteiverbots verstehen. Und bevor wieder einer schreit: Nein, ich nehme nicht für mich in Anspruch, es besser zu wissen. Ich bin nur ein Blogger, der seine Gedanken ins Netz schreibt.
Dass man sich mit solchen Texten schnell unbeliebt macht – besonders bei grün-linken Saubermännern –, weiß ich. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum die Blogsphäre zwar angeblich floriert, aber zu vielen Themen schweigt. Es ist nun mal naheliegender, Selbstreferenzielles zu bloggen.
Und dann kommt Detlev. Sein Kommentar (Ausschnitt) zeugt von einem Geist, der dieses Land vielleicht nie verlassen hat:
du, horst, bist der ideologische nachfahre adolf hitlers. so einen deutschen wie dich, das ist der feuchteste traum vom adolf gewesen. einer, der die rechtsradikalen verteidigt und sich einbildet keiner zu sein. das perfekte rassistische, hyperfaschistische system.
es heisst heute halt neo-liberalismus.
bitte horst, ich bete dafür, dich auf offener straße mal zu erwischen und mit dir sehr hitzig zu diskutieren. wird der schönste tag meines lebens.
So klingt politische Auseinandersetzung im Jahr 2025. Es könnte schlimmer kommen – und vermutlich wird es das auch.
Engagement gibt’s also noch. Oder nennt man das heute schon Extremismus?
Warum sollten u.a. Richter/Staatsanwälte/Polizisten , die Mitglied sind in der AFD nicht als Beamte arbeiten dürfen, unverständlich !
Danke! Danke für Deine nüchterne Betrachtung der aktuellen Situation. Ich bin der Meinung, ein Verbot der AfD würde der Demokratie mehr Schaden zufügen, als es die AfD vermutlich jemals könnte.
Die Politik sieht auch nach 10 Jahren noch keinen Bedarf daran, sich den Problemen zu widmen, die einen Großteil der AfD-Wähler beschäftigen. Das ist der Grund, weswegen die AfD auch nicht verschwindet oder weniger zuspruch bekommt.
Kümmert Euch endlich um die Probleme der Menschen, dann ist auch das Problem AfD gelöst!
AfD-Verbot, richtig oder falsch? Ich weiß es nicht. Ich mag mir dazu kein Urteil bilden.
AfD-Wähler vor die Türe zu setzen, das ist für mich kein richtiger Weg. Damit vertiefen wir die Gräben im Land nur noch mehr. Vielleicht würde eine Regierung, die mal wieder handelt, statt zu streiten, die Arbeit abliefert, statt in den Social Medias präsent herumzupöbeln, das Problem von allein beseitigen.