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Herkunft, Jugend und Stadtbild: Schauen wir wirklich hin oder reproduzieren manche Multikulti-Wunschbilder?

Im Beitrag lege ich dar, wie die Präsenz junger Männer mit Migrationshintergrund und bestimmte soziale Rahmenbedingungen in Deutschland eine relevante Rolle bei der Kriminalitätsstatistik spielen.

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In Deutschland stellt sich zunehmend die Frage: Wenn die Zahlen der Täterstatistik zeigen, dass Menschen mit Migrationshintergrund bei bestimmten schweren Delikten (z. B. Körperverletzung, Raub, Sexualdelikte) häufiger auftauchen, dann dürfen wir das nicht vorschnell ignorieren – und wir dürfen es auch nicht vereinfachen. Der Impuls, dass allein die Präsenz junger Männer in einem bestimmten Alter und ihre Stärke in bestimmten Bevölkerungsgruppen eine Rolle spielt, ist legitim. Genau dort liegt ein wichtiger Hebel – aber auch eine Quelle von Unsicherheit.

Bevor manche beim Lesen mit dem Kopf schütteln: Den Artikel vom WDR bitte aufmerksam lesen. Ich habe versucht, die Erkenntnisse aus dem Artikel zu durchdringen, und erlaube mir, meine Schlussfolgerungen zu kommentieren. Nachdem ich heute von der Aktion (einer ärgerlichen Retourkutsche) von 50 linksintellektuellen Frauen gegen Kanzler Merz erfahren habe, finde ich das geradezu zwingend. Auch bei dieser Initiative hätte ich mir gewünscht, dass etwas Differenzierung erkennbar gewesen wäre. Fehlanzeige, was sonst?


Was wie ein moralisch aufgeladener Appell von fünfzig prominenten Frauen klingt, ist zugleich ein taktisches Spiegelmanöver. Der offene Brief nutzt die Rhetorik von Merz gegen ihn selbst: Er hatte das „Fragen Sie Ihre Töchter“ als suggestives Bild bemüht, um ein diffuses Sicherheitsgefühl zu adressieren – die Unterzeichnerinnen nehmen genau dieses Bild und wandeln es in eine sachpolitische Agenda um. Das ist rhetorisch brillant, aber riskant für ihn: Jede Antwort, die Merz nun geben könnte, würde entweder seine ursprüngliche Symbolpolitik entlarven oder ihn in Widerspruch zu den eigenen Worten bringen. Schweigt er, bleibt der Eindruck eines Kanzlers, der große Bilder malt, aber keine Politik daraus formt. Reagiert er, wird seine Formulierung zur Falle, denn sie verliert im nüchternen Licht sozialer Forderungen ihren populistischen Glanz. Die eigentliche Pointe dieser „Töchter“-Kampagne ist daher nicht der Schutz von Frauen, sondern der Versuch, das Spiel der Deutungshoheit umzudrehen – und Merz’ eigene Sprache gegen ihn zu richten. Genau darin liegt ihre Sprengkraft. Ich hab’s gesagt: Das dient nicht dem vermeintlichen Anliegen der Frauen!

Der demografische Faktor

Junge Männer gelten in Kriminalitätsforschung schon lange als Risikogruppe – nicht weil sie inhärent kriminell sind, sondern weil Alter und Geschlecht statistisch mit höherem Risiko korrelieren, straffällig zu werden. Wenn nun in bestimmten Städten oder sozialen Milieus diese Gruppe unverhältnismäßig stark vertreten ist – etwa durch Migration oder Neuzuzüge –, dann entsteht ein erhöhtes Risiko innerhalb dieses Blickfeldes. Das bedeutet: Wir müssen fragen, wie stark „junge Männer“ ohne deutsche Herkunft in bestimmten Vierteln, Unterkünften oder sozio-ökonomischen Lagen vertreten sind – und was das für Lebenswege bedeutet. Bis dahin sind vermutlich viele meiner Meinung. Was kann die Gesellschaft, der Staat tun, um mitunter perspektivlose Lage insbesondere junger Männer zu verbessern?

Herkunft, Soziallage, Integration

Migration oder Herkunft sind keine Erklärung für Kriminalität – das betonen seriöse Studien immer wieder. Vielmehr wirken Herkunft und Migration oft über vermittelte Faktoren:

  • Sprach- und Bildungsdefizite, blockierte Arbeitsmarktchancen, Wohnsituation in prekären Quartieren.
  • Entwurzelung, Unsicherheit im Status, teilweise Belastung durch Flucht oder traumatische Erlebnisse.
  • Kulturelle Prägungen (z. B. Rollenbilder junger Männer, Geschlechterverhältnisse, Ehr- und Schamkulturen), die in einem neuen Umfeld auf Brüche treffen. – All dies kann zusammenwirken mit dem klassischen Alter-Geschlecht-Risikofaktor. Die Statistik, wie im Beispiel von Bundeskriminalamt oder den Landeskriminalstatistiken Nordrhein-Westfalen, zeigt Überrepräsentationen – aber nicht automatisch Ursachen. Und: Vielfach fehlen Bezugsgrößen (z. B. Anteil junger Männer mit Migrationshintergrund in der Bevölkerung) für präzise Quotendarstellungen.

Die Debatte um das „Stadtbild“ und Symbolpolitik

Hier kommt der politische Teil ins Spiel: Kanzler Merz sagte im Kontext der Migrationspolitik: „Wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem“ … und ein paar Tage später: „Fragen Sie Ihre Töchter.“  Eine linksgrüne Initiative reagierte mit Demonstrationen vor der CDU-Zentrale und kritisierte, dass junge Frauen hier als Symbol gebraucht werden, um eine migrationskritische Erzählung zu untermauern. 

Was passiert hier? Zwei Dinge:

  • Erstens wird eine statistische Fragestellung (Kriminalität, Herkunft, junge Männer) durch eine symbolische Politik-Äußerung aufgeladen, die eher suggeriert als erklärt. Verdrängung und Wegschauen sind über die Jahre verankert.
  • Zweitens wird das Thema „Frauen und Sicherheit“ in den Dienst einer politischen Botschaft gestellt – nicht primär mit Blick auf die konkrete Situation junger Frauen, sondern als Vehikel für ein Bild („Wir müssen unser Stadtbild sichern“) mit migrationspolitischer Schlagseite.

Warum das problematisch ist

  • Wenn junge Männer mit Migrationshintergrund als Gruppe symbolisch mit Kriminalität verknüpft werden, entsteht Stigmatisierung – und das wird Integration behindern.
  • Wenn Frauen-Initiativen instrumentalisiert werden, steigt das Risiko, dass berechtigte Anliegen (Sicherheit, Gleichberechtigung, Teilhabe) von der Migrations-Debatte überlagert werden.
  • Wenn Debatten primär über Symbolik geführt werden, verlieren wir die tiefergehenden Fragen:
    • Wie reparieren wir soziale Räume?
    • Wie schaffen wir Teilhabe?
    • Wie verhindern wir soziale Unzufriedenheit, die kriminalitätsfördernd wirkt?

Meine Schlussfolgerung

  • Ja: Wir haben ein Problem, wenn junge Männer in bestimmten sozialen Milieus und mit bestimmten Lebensbedingungen überproportional häufig Tatverdächtige sind. Das sollte nicht immer wieder aufs Neue ins Reich der Legende verwiesen werden.
  • Nein: Wir dürfen Herkunft nicht als alleiniges Erklärungskriterium nehmen – das wäre vereinfachend und gefährlich.
  • Wir müssen differenzieren: Es geht um Mischungen von Faktoren: Alter, Geschlecht, Herkunft, Soziallage, Wohn- und Lebensumfeld.
  • Politisch muss es darum gehen, Aufklärung, Prävention und Integration besser zu gestalten – nicht primär mit populistischen Bildern („das Stadtbild“) oder Symbolpolitik, sondern mit konkreten Maßnahmen: Bildung, Wohnraum, Chancen, Anerkennung.
  • Und: Frauen und Sicherheit dürfen nicht benutzt werden als Alibi für migrationspolitische Schlagzeilen – echte Sicherheit braucht echte Teilhabe und gute Bedingungen, nicht nur Rhetorik.

Diese billige Aktion, um den Stadtbild-Hype am Köcheln zu halten oder jedenfalls die überflüssige Retourkutsche gegen Kanzler Merz hätte ich vielen der Unterzeichnerinnen nicht zugetraut. Das hat mich enttäuscht. Dass dabei das Anliegen an sich ein absolut berechtigtes ist, steht außer Frage. Aber die Forderung in dieser Form liegt erheblich unter dem Niveau der Initiatorinnen. Die Forderung, sich für die Sicherheit von Frauen einzusetzen, wird durch den Zusammenhang mit dem (wenn man so mag) Töchter-Eklat aus meiner Sicht bloß entwertet.

Sexualdelikte
Sexualdelikte. (Screenshot WDR-Website)

„Überrepräsentation“ heißt zunächst nur: Eine bestimmte Gruppe taucht häufiger in der Statistik auf, als es ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entspricht. Beispiel: Wenn Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit 15 % der Bevölkerung stellen, aber 30 % der Tatverdächtigen in einer Kategorie ausmachen, sind sie in dieser Kategorie überrepräsentiert.

In der Forschung ist man deshalb vorsichtig: Eine Überrepräsentation ist ein Signal, dass man genauer hinschauen muss – kein Beweis für kulturell oder genetisch bedingte Gewaltneigung.

Sie beschreibt ein statistisches Muster, kein moralisches Urteil. Wir können also durchaus weiter unsere Augen vor den Fakten verschließen oder die Themen endlich vernünftig debattieren und vor allem: Schlussfolgerungen ziehen.


Der linke Grünen-Flügel muss sich fragen lassen, ob er das politische Klima nicht noch unversöhnlicher macht. Wer so agiert, nur bedacht um Empörungs-PR, muss sich fragen lassen, ob er eine weitere Spaltung billigend in Kauf nimmt. Überhaupt scheint Empörung das Gebot der Stunde, jede und jeder darf sich in einem der reichsten Länder der Welt als „Opfer“ beschreiben.

Quelle

Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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Artikelinformationen
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