Kennt ihr das? Da entdeckt man auf ARTE eine spannende Serie, feinfĂŒhlig, klug erzĂ€hlt und dann: Schnitt. Der Bildschirm verabschiedet sich ins Englische. Die Serie lĂ€uft weiter, aber nicht fĂŒr dich. Nicht fĂŒr mich. Nicht fĂŒr uns Deutschsprachige. Nur noch auf Englisch. Untertitel? Selbst die fehlt. Fehlanzeige.
Ein seltsames GefĂŒhl macht sich breit. Man sitzt vor dem Bildschirm und denkt sich: Moment mal⊠leben wir nicht in einem der KernlĂ€nder der EU? Haben wir nicht mit unseren RundfunkbeitrĂ€gen ein bisschen was beigetragen zum Gelingen dieser Sendung? Und doch â es bleibt das fade GefĂŒhl, etwas weniger dazuzugehören. BĂŒrger zweiter Klasse im digitalen Medienland.
Gott sei Dank gibt es immer weniger Menschen, die kein Englisch sprechen. Ich habe die Sprache nicht gelernt und jammere nun herum. Das kann man mir entgegenhalten. Und so hĂ€ufig kommt es nicht vor, dass ein Film nicht ĂŒbersetzt ist und deshalb mit Untertiteln gesendet wird. Immerhin sollen auch heute noch 33 % der deutschen Bevölkerung kein Englisch sprechen.
In acht der hier betrachteten 29 Staaten gab Ende 2005 mehr als die HĂ€lfte der Bevölkerung an, dass sie gar keine Fremdsprache spricht: TĂŒrkei (67 Prozent), Irland (66 Prozent), GroĂbritannien (62 Prozent), Italien (59 Prozent), Portugal und Ungarn (jeweils 58 Prozent), Spanien (56 Prozent) sowie RumĂ€nien (53 Prozent). Aber auch in Frankreich (49 Prozent) lag der entsprechende Anteil klar ĂŒber dem EU-25-Durchschnitt (44 Prozent). In Deutschland sprachen 33 Prozent der BĂŒrger neben ihrer Muttersprache keine weitere Sprache.
Quelle
FrĂŒher war es in der Schweiz vielfach so, dass man in Kinos Filme nur in der Originalsprache sehen konnte. Selbst groĂe Hollywood-Streifen wurden dort nur in Englisch â mit deutschen Untertiteln â gezeigt. Obwohl es reichlich Kinos gab, habe ich wĂ€hrend unserer Urlaube deshalb nur einen Film gesehen.
Barrierefreiheit? Nur fĂŒr manche.
Was sich wie eine kleine Panne oder vielleicht ein redaktioneller Zufall anfĂŒhlt, hat System. Ob öffentlich-rechtlich oder privat, ob in der Mediathek oder bei Streaming-Anbietern â immer hĂ€ufiger stoĂen wir auf Inhalte, die technologisch oder sprachlich unzugĂ€nglich sind. Fehlende Untertitel, Audiodeskriptionen, Sprachversionen, abgeschnittene Fortsetzungen â all das trifft nicht etwa nur Menschen mit Seh- oder Hörbehinderungen. Es trifft uns alle, wenn wir plötzlich nicht mehr angesprochen werden.
Barrierefreiheit heiĂt nicht nur Rampen fĂŒr RollstĂŒhle â sie heiĂt auch: Sprache, Kontext, kulturelle Teilhabe. Wozu mache ich mir als kleiner Blogger so viel MĂŒhe mit dem Thema (Barrierefreiheit), wenn sich groĂe Anbieter augenscheinlich nicht besonders anstrengen?

Technologie, die uns auslÀdt
Inmitten all der glitzernden Versprechen von Digitalisierung und Medienvielfalt geschieht etwas ganz anderes: eine stille, schleichende Exklusion. Neue Plattform? Nur auf Englisch. Neue App? Nur fĂŒr iOS. Neue Features? Nur in bestimmten LĂ€ndern â bevorzugt dort, wo Silicon Valley seine Finger im Spiel hat.
Wir klicken, wir hoffen, wir warten â und bleiben doch auĂen vor.
Gerade hier ruht meine Hoffnung auf KĂŒnstlicher Intelligenz. Mit einer SelbstverstĂ€ndlichkeit, die beinahe magisch wirkt, rĂ€umt sie sprachliche HĂŒrden beiseite. Das ist â bei aller gebotenen Kritik â eine Gabe, die man nicht oft genug lobend hervorheben kann.
Technologische Entwicklung sollte generell nicht exklusiv, sondern inklusiv sein. Sie sollte verbinden, nicht selektieren. Aber leider funktioniert unser digitales Ăkosystem hĂ€ufig wie ein Club mit TĂŒrsteher. âDu sprichst nur Deutsch? Sorry, heute nur VIP mit Englisch-Level B2+.â
Die Ignoranz der MedienhÀuser
NatĂŒrlich könnte man sagen: âAber Englisch ist doch Weltsprache!â Ja, klar. Und trotzdem hat Sprache Macht. Und wer entscheidet, was ĂŒbersetzt wird und was nicht, der entscheidet auch, wer gehört wird â und wer eben nicht.
Dass deutschsprachige Inhalte manchmal fehlen oder nur in Sparversionen bereitgestellt werden, ist mehr als nur ein Lapsus. Es ist ein Ausdruck kultureller GeringschĂ€tzung. Einer, der in einer zunehmend fragmentierten Medienlandschaft besonders weh tut. Denn was ist das fĂŒr eine Ăffentlichkeit, in der wir nur noch mitlesen dĂŒrfen, aber nicht mehr mitreden?
Ein PlĂ€doyer fĂŒr gleichberechtigte Mediennutzung
Was wir brauchen, ist keine Ăbersetzungsmaschine aus dem Silicon Valley. Was wir brauchen, ist mediale SensibilitĂ€t. Ein Bewusstsein dafĂŒr, dass ZugĂ€nglichkeit nicht optional ist. Dass Sprache, Technik, Plattformen nicht von oben herab verteilt werden dĂŒrfen wie Almosen, sondern gestaltet werden mĂŒssen â fĂŒr alle.
Einige könnten sagen: âStell dich nicht so an, ist doch nur eine Serie.â Aber es geht um mehr. Es geht um Sichtbarkeit, Teilhabe, um Respekt vor kultureller Vielfalt. Und um das Versprechen, das in der Idee von öffentlich-rechtlichen Medien einmal steckte: FĂŒr alle da zu sein.
Es sind die kleinen Dinge, die groĂe Wirkung haben. Eine fehlende Synchronfassung hier, ein englischsprachiges Interface dort â und schon wird aus dem viel beschworenen Mediennutzer ein Zuschauer mit Geduld, mit GlĂŒck⊠oder mit VPN.
đ Wie hat sich Barrierefreiheit entwickelt?
đ Digital
- Seit Inkrafttreten der EU-Webseitenrichtlinie (2016) und der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0) sind öffentliche Stellen verpflichtet, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten.
- In Deutschland ist seit 2021 auch das BarrierefreiheitsstĂ€rkungsgesetz (BFSG) in Kraft, das ab 2025 auch private Unternehmen zur Barrierefreiheit verpflichtet â etwa im E-Commerce oder bei Bankautomaten.
đ Statistischer Fortschritt (Auswahl):
- Webseiten der öffentlichen Hand: laut Monitoring-Berichten der EU zeigen ĂŒber 60âŻ% MĂ€ngel bei barrierefreier Gestaltung.
- Nur etwa 25âŻ% der deutschen Behörden-Webseiten gelten als âgut barrierefreiâ.
- Private Unternehmen hinken stark hinterher â laut einer Google-Stiftung-Studie sind nur ca. 5â10âŻ% der deutschen Online-Shops wirklich barrierefrei.
đïž Baulich
- Ăffentlicher Verkehr hat Fortschritte gemacht: 82âŻ% der Bahnhöfe haben barrierefreie ZugĂ€nge (Stand 2023), allerdings mit groĂen regionalen Unterschieden.
- Im Wohnungsbau gibt es groĂen Nachholbedarf: Nur rund 2âŻ% aller Wohnungen in Deutschland gelten als âbarrierefrei nach DIN 18040â.
đ§ Gesellschaftlich
Dennoch: Alltagsdiskriminierung und strukturelle HĂŒrden bestehen weiterhin, oft unsichtbar fĂŒr Nichtbetroffene.cordion content.
Die gesellschaftliche SensibilitĂ€t ist gewachsen â auch dank Aktivismus und Initiativen.
Die UN-Behindertenrechtskonvention (2009 in Deutschland ratifiziert) hat den Anspruch auf Barrierefreiheit als Menschenrecht verankert.