Ärztemangel, obwohl die Zahl der Ärzte ständig gestiegen ist

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Was mich immer wie­der beschäf­tigt, ist die Behaup­tung, dass wir ein Pro­blem mit der haus­ärzt­li­chen Ver­sor­gung haben (wer­den). 

Eine Neben­er­schei­nung ist, dass zu vie­le Leu­te die Not­fall­am­bu­lan­zen der Kran­ken­häu­ser auf­su­chen, eine ande­re, dass man­che Men­schen schon heu­te kei­nen Haus­arzt mehr fin­den. Das ist – wie man hört – inzwi­schen nicht mehr nur auf den länd­li­chen Raum beschränkt.

Inzwi­schen wer­den staat­li­cher­seits finan­zi­el­le und ande­re Anrei­ze geschaf­fen, damit die aus Alters­grün­den aus­schei­den­den Haus­ärz­te zah­len­mä­ßig halb­wegs adäquat ersetzt werden.

NRW führt die Land­arzt-Quo­te ein: Medi­zin­stu­den­ten sol­len sich dem­nach zu Beginn ihres Stu­di­ums ver­pflich­ten, nach dem Abschluss min­des­tens zehn Jah­re als Haus­arzt in einer unter­ver­sorg­ten Regi­on von NRW zu arbei­ten. Im Gegen­zug gibt es ein Ent­ge­gen­kom­men bei der Studienplatzvergabe.

Wei­te­re Eckpunkte

  • Die Land­arzt­quo­te soll erst­mals zum Win­ter­se­mes­ter 2019/​2020 gel­ten. Sie gilt nur für Studienanfänger.
  • Das Land kann 7,6 Pro­zent der Stu­di­en­plät­ze für Land­ärz­te reser­vie­ren. Das sind 168 Plät­ze. Ziel sei, so Lau­mann, die Quo­te auf zehn Pro­zent zu erhöhen.
  • Die Aus­wahl der Stu­die­ren­den liegt nicht bei den Uni­ver­si­tä­ten, son­dern beim Lan­des­zen­trum für Gesundheit.
  • Aus­wahl­kri­te­ri­en sol­len neben der Abitur­no­te auch Berufs­er­fah­rung, vor­he­ri­ge Aus­bil­dun­gen und Eig­nungs­tests sein.
  • Es kön­nen sich auch Men­schen bewer­ben, die nicht in NRW leben. Aber: Sie müs­sen sich ver­pflich­ten, in NRW als Haus­arzt zu arbeiten.
  • Der frisch­ge­ba­cke­ne Haus­arzt kann sich aus­su­chen, wo er arbei­tet. Es muss aber ein Ort sein, den das Land als unter­ver­sorgt defi­niert. Momen­tan sind das 160 Gemeinden.
  • Wer einen Platz über die Land­arzt­quo­te bekommt, schließt einen Ver­trag mit dem Land ab. Wenn er spä­ter doch nicht als Land­arzt arbei­tet, muss er eine Geld­stra­fe zah­len. Das könn­ten bis zu 250.000 Euro sein, sag­te Laumann.

Aus frü­he­ren Beschäf­ti­gun­gen mit dem The­ma weiß ich, dass in Deutsch­land Zahl der Ärz­te von Jahr zu Jahr wächst. Die Anzahl von Haus­ärz­ten geht aber zurück. Noch nicht in allen Regio­nen ist das dra­ma­tisch aber lang­sam spü­ren wir es immer mehr Patienten.

Die Bun­des­ärz­te­kam­mer ver­öf­fent­licht jähr­lich eine Unmen­ge an inter­es­san­ten Zah­len. Das Lay­out der Berich­te wur­de in den letz­ten Jah­ren ver­än­dert, so dass man nicht mehr auf einen Blick die Per­so­nal­ent­wick­lung bei den nie­der­ge­las­se­nen Ärz­ten bzw. bei den Haus­ärz­ten ent­neh­men kann.

Auch die Alters­grup­pen des ärzt­li­chen Per­so­nals waren bis vor eini­gen Jah­ren dif­fe­ren­ziert auch für Haus­ärz­te aus den Sta­tis­ti­ken zu entnehmen. 

So habe ich mir nur drei sta­tis­ti­sche Ent­wick­lun­gen genau­er ange­se­hen und habe die eigent­lich ent­schei­den­de Fra­ge zurück­ge­stellt, wie sich näm­lich die Alters­grup­pen bei den Haus­ärz­ten anhand der Zah­len darstellen. 

Aus all­ge­mei­nen Tex­ten (Quel­le: BÄK) habe ich ent­nom­men, dass ca. 1/​3 aller im Bun­des­ge­biet täti­gen Haus­ärz­te bereits heu­te über 60 Jah­re alt sind. In NRW sind es allein 6.000 Haus­ärz­te von ins­ge­samt 11.000, die in die­ser Alters­klas­se liegen.

Der­zeit gibt es in Deutsch­land 46.760 Haus­ärz­te. Bis 2020 – so schätzt man – sol­len es noch 44.903 sein. Von 2020 aus­ge­hend hie­ße das, dass wir inner­halb von 10 Jah­ren ca. 6.600 Haus­ärz­te aus Alters­grün­den „ver­lo­ren“ hät­ten. Nach Schät­zun­gen soll bis 2030 die Zahl der feh­len­den Haus­ärz­te im Bun­des­ge­biet auf ca. 10.000 (Quel­le) ansteigen.

Es gilt die freie Berufs­wahl. Es gibt also gute Grün­de für die Ent­wick­lung der aktu­el­len Haus­arzt­quo­te. Die Nach­tei­le schei­nen klar zu über­wie­gen. Des­halb sind poli­tisch durch­ge­setz­te Maß­nah­men wohl die ein­zi­ge Mög­lich­keit, die Ent­wick­lung (hof­fent­lich) zum Posi­ti­ven zu beeinflussen.

Die Anzahl der Ärz­te steigt ins­ge­samt von Jahr zu Jahr (s. Gra­fik). Aller­dings gibt es dazu sei­tens der Bun­des­ärz­te­kam­mer ein paar Infor­ma­tio­nen, die man zwar in die­sem Zusam­men­hang viel­leicht schon gehört hat, die aber die zuneh­men­de Bri­sanz der Lage für sich genom­men nicht begrün­den können. 

Inso­fern ist es aus mei­ner Sicht rich­tig und ein Stück weit auch beru­hi­gend, dass Minis­ter Lau­mann (CDU) in NRW sein Land­arzt­pro­gramm gegen eini­gen Wider­stän­de bei man­chen Ärz­te­funk­tio­nä­ren durch­ge­setzt hat.

Die Bun­des­ärz­te­kam­mer nennt als einen Grund für Per­so­nal­knapp­heit die Tat­sa­che, dass „Arzt­stun­den“ feh­len? Wodurch feh­len die­se Arzt­stun­den? Liegt die Wochen­ar­beits­zeit bei Haus­ärz­ten nicht immer noch bei ca. 75 Stunden? 

Es gab 2017 385.000 Ärz­te, 2010 waren es noch 334.000. 15% mehr Ärz­te schaf­fen kei­ne Ent­las­tung, weil weni­ger Stun­den auf­ge­bracht wer­den? Bekannt ist auch, dass die Aus­wir­kun­gen der demo­gra­fi­schen Ent­wick­lung immer stär­ker zu Buche schla­gen. Bis 2040 wird der Bevöl­ke­rungs­an­teil um 42% bei den­je­ni­gen anstei­gen, die über 67 Jah­re alt sind. Ich (65) ahne, dass die bekann­ten Zip­per­lein ver­stärkt nach ärzt­li­cher Für­sor­ge verlangen.

2016 gab es 19,5 Mio. Behand­lungs­fäl­le in Kran­ken­häu­sern. Hin­zu kamen laut BÄK eine Mil­li­ar­de Arzt­kon­tak­te in Pra­xen. Sta­tis­tisch heißt das, dass jeder Haus­arzt in 2016 21.277 Kon­tak­te mit Pati­en­ten gehabt hat. Ärz­te haben laut Tarif (wenn er denn greift) 30 Tage Urlaub jähr­lich, so dass ich bei mei­ner Rech­nung von rund 220 Arbeits­ta­gen im Jahr ausgehe. 

Das wür­de hei­ßen, dass jeder Arzt (sta­tis­tisch) täg­lich 97 Kon­tak­te mit Paten­ten hät­te. Auch bei 250 Arbeits­ta­gen wären dies – aus­ge­hend vom Refe­renz­jahr 2016 – immer noch 85 Pati­en­ten­kon­tak­te täg­lich. Wenn ich mir Berich­te zum The­ma anschaue, liegt die Spann­wei­te von Kon­tak­ten im rea­lis­ti­schen Bereich. 

Vor 5 Jah­ren scheint die Zahl der Pati­en­ten­kon­tak­te deut­lich gerin­ger gewe­sen zu sein. In die­sem Arti­kel ist von ca. 45 Pati­en­ten je Tag die Rede. Auch 2010 beweg­te sich die durch­schnitt­li­che Zahl von Pati­en­ten­kon­tak­ten um die 45. 

In die­sem Arti­kel wird hin­ge­gen wie­der­um von einer Mil­li­ar­de Arzt­kon­tak­ten (in Arzt­pra­xen) gespro­chen. Viel­leicht liegt die Abwei­chung in der nicht immer sau­be­ren Unter­schei­dung zwi­schen Haus­ärz­ten und Fachärzten?

Was mich stört und wes­halb ich auf die­sen Zah­len her­um­rei­te ist schon klar, oder? Ent­we­der sind die Zah­len von 2016, die die BÄK ver­öf­fent­licht hat falsch oder die ande­ren mit denen vor­her über Jah­re han­tiert wur­de. Der Unter­schied beträgt ja auch gera­de mal fast 100 %. Für unwahr­schein­lich hal­te ich, dass sich die Zah­len in den paar Jah­ren so krass ent­wi­ckelt haben. Wenn wir seit 2010 ca. 5000 Haus­ärz­te aus Alters­grün­den „ver­lo­ren“ haben, erklärt das nicht die Dif­fe­renz zwi­schen 45 : 95 Pati­en­ten­kon­tak­ten am Tag. 

Auf­schluss­reich ist die­ser Arti­kel über eine „ren­ta­ble Arzt­pra­xis“. Dort ist bei­spiel­haft von 75 Wochen­stun­den und 45 Arbeits­wo­chen im Jahr die Rede. Somit wür­de mei­ne Annah­me von rund 220 Arbeits­ta­gen im Jahr unge­fähr zutref­fen, die Zahl der Wochen­stun­den ist deut­lich höher, was nun kei­ne Über­ra­schung darstellt.


Inter­es­san­te Erkennt­nis am Ran­de: In Öster­reich fehlt es eben­falls an Ärz­ten. Zufäl­lig gibt es eine Pro­gno­se für 2030, nach der in Öster­reich 10.000 Ärz­te (alle Fach­rich­tun­gen) fehlen).

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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2 Gedanken zu „Ärztemangel, obwohl die Zahl der Ärzte ständig gestiegen ist“

  1. „Das wür­de hei­ßen, dass jeder Arzt (sta­tis­tisch) täg­lich 97 Kon­tak­te mit Paten­ten hätte.“

    Eine sehr dis­kus­si­ons­wür­di­ge Zahl! Mein Erle­ben: Es geht den Ärz­ten als aller­ers­tes dar­um, dass man ein­mal im Quar­tal zum Kärt­chen ste­cken kommt. Dann wird die Fall­pau­scha­le fäl­lig, die regio­nal sehr ver­schie­den auf­ällt. Wie über­haupt die gesam­te Hono­rie­rung sehr intrans­pa­rent ist:

    Ver­die­nen Ärz­te das, was sie ver­die­nen? (Apo­the­ker­zei­tung)
    https://​www​.deut​sche​-apo​the​ker​-zei​tung​.de/​n​e​w​s​/​a​r​t​i​k​e​l​/​2​0​1​6​/​0​1​/​2​2​/​v​e​r​d​i​e​n​e​n​-​a​r​z​t​e​-​d​a​s​-​w​a​s​-​s​i​e​-​v​e​r​d​i​e​nen

    Von Radio­lo­ge bis Psych­ia­ter: So viel ver­die­nen Pra­xis-Ärz­te (STERN 2016)

    Das erwähn­te „Kärt­chen ste­cken“ bedeu­tet nicht zwin­gend einen Arzt­kon­takt! Es reicht, dass man sich ein Rezept bei der Arzt­hel­fe­rin abholt. Bei Fach­ärz­ten ist mir auf­ge­fal­len, dass angeb­lich nöti­ge Unter­su­chun­gen ins nächs­te Quar­tal gelegt wer­den – ins­be­son­de­re, wenn man (noch) nicht auf der Schie­ne „Rezept reicht“ Pati­ent ist.

    Beein­dru­ckend ist auch die Ver­wei­ge­rung der Digi­ta­li­sie­rung, die sich die Ärz­te­schaft leis­tet. Da liest man immer wie­der von Tele­me­di­zin, die auf dem Land hel­fen soll – aber einen Arzt, der mit sei­nen Pati­en­ten mailt, kann man mit der Lupe suchen! Obwohl das in vie­len Fäl­len viel sinn­vol­ler und für bei­de Sei­ten zeit­spa­ren­der ist als ein Praxisbesuch.

    Ganz grund­sätz­lich fin­de ich es frag­wür­dig, dass nie­der­ge­las­se­ne Ärz­te hier­zu­lan­de Unter­neh­mer sein müs­sen – und es and­rer­seits doch nicht sein dür­fen, da sie gar nicht sinn­voll kal­ku­lie­ren kön­nen, weil nie vor­ab bekannt ist, wie­viel ein „Punkt“ wert sein wird. Bes­ser fin­de ich tat­säch­lich das frü­he­re DDR-Sys­tem der Poly­kli­ni­ken: vie­ler­lei Ärz­te in Ärz­te­häu­sern, die das Orga­ni­sa­to­ri­sche für alle managen. 

    Das Feh­len der Ärz­te auf dem Land ent­spricht der all­ge­mei­nen Land­flucht. Es ist halt müh­sa­mer und weni­ger erfül­lend, da über­all rum­zu­fah­ren und die Alten zu betreuen.

    Stan­des­dün­kel ist ein wei­te­rer Hemm­schuh, der Ver­bes­se­run­gen ent­ge­gen steht. So gibt es in ande­ren Län­dern Gemein­de­schwes­tern, die die­se Ver­sor­gung über­neh­men und vie­les dür­fen, was hier­zu­lan­de nur ein Arzt darf.

    Ins­ge­samt ein ziem­li­cher Sumpf! In dem Ärz­te ganz all­ge­mein doch immer noch zu den deut­lich bes­ser Ver­die­ne­nen im Ein­kom­mens-Ran­king gehören.

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