Gesellschaft

Geteilte Verantwortung ist keine Verantwortung.

Um die Verantwortung aller Firmen, die sich in einer Lieferkette befinden, einzubeziehen, braucht es ein Lieferkettengesetz gegen das sich nun, da das Thema konkret wird, die deutsche Wirtschaft mit fadenscheinigen Begründungen wehrt. Hoffentlich wird die Regierung wegweisende Weichen stellen. Klare Regeln sind seit Jahren überfällig.

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Plötzlich scheint die Öffentlichkeit an sowas Abstraktem wie Arbeitsbedingungen und Verantwortung interessiert zu sein. Dafür sorgte erst die hohe Zahl von Corona-Infektionen im Tönnies – Schlachthof. Der Skandal und die folgenden Empörungswellen sorgten dafür, dass die dort herrschenden unterirdischen Produktions- und Lebensbedingungen für die Arbeiter:Innen auf die politische Agenda gerieten.

Tönnies als Beispiel und Anlass

Das für Tönnies und andere geniale Konstrukt von Werksverträgen wird seit Jahren letztendlich allein zum Zweck der Profitmaximierung eingesetzt. Damit lassen sich bestehende Vorschriften umgehen und Verstöße verschleiern. Gut, dass die Politik jetzt einzusehen scheint, dass es so nicht weitergehen darf!

Bisher war das Motto: Geteilte Verantwortung ist keine Verantwortung!

Dass „wir“, jedenfalls die Fleischesser unter uns, an diesen Verhältnissen nicht schuldlos sind, haben hoffentlich inzwischen alle verstanden?! So billiges Fleisch, wie es in Deutschland angeboten wird, hat einen Preis, den nicht der Kunde, sondern andere zahlen. Ich denke, die Lektion haben viele begriffen.

Aber diesen Faden müssen wir weiterziehen. Nicht nur Konstrukte wie Werksverträge müssen überall, also branchenübergreifend, überprüft und gegebenenfalls verboten werden.

Lieferkettengesetz

Entwicklungsminister Müller (CSU) und Arbeitsminister Heil (SPD) wollen noch in dieser Legislaturperiode ein Lieferkettengesetz vorlegen und verabschieden lassen.

Dabei geht es u.a. um hunderttausende von Menschen, in in fernen Ländern unter haarsträubenden, ja menschenverachtenden Bedingungen und natürlich vor allem für lächerliche „Löhne“ in die Lieferketten integriert sind, von denen wir in Deutschland regelmäßig aber doch eher selten (bei Unfällen oder durch Journalistenrecherchen) etwas hören.

Wenn in Bangladesh eine Textilfabrik abbrennt und wir mit Entsetzen erfahren, wie viele Menschen gestorben sind, horchen wir auf. Wir hören atemlos, wie es in diesen Fabriken zugeht und unter welchen Bedingungen die Menschen dort ihrer Arbeit nachgehen. Wir wissen, dass diese Firmen alle möglichen deutschen und internationalen Markenhersteller beliefern.

Alles um möglichst billige Produkte anbieten zu können

Wir wissen nicht nur, dass die deutschen Unternehmen ihre Fertigungen ins Ausland verlagert haben, sondern natürlich auch weshalb sie dies taten. Es geht um viel Geld. Die Löhne in den osteuropäischen Ländern sind inzwischen etwas, zum Teil sogar deutlich, gestiegen. Das heißt, der Tross der deutschen und internationalen Einkäufer hat sich längst weiter nach Osten begeben und in andere Himmelsrichtungen. Immer dorthin, wohin die Verheißung billigster Arbeitskräfte sie zog.

Und das alles, um ihre Ketten in Deutschland und anderswo mit tollen und für unser Leben zum Beispiel dringend benötigten Wegwerftextilien oder Ähnlichem beliefern zu können. Ich nenne keine Marke, keinen Discounter oder Supermarkt. Wir kennen die Namen natürlich.

Bestenfalls dürfen wir davon ausgehen, dass ein paar Leute ihre Einkaufsgewohnheiten verändert haben, weil sie ein schlechtes Gewissen bekamen. Welchen Einfluss haben solche Einsichten auf das Verhalten unserer Unternehmen?

Ethische Grundsätze für die Pfeife

Sind sie in der Lage, ihre eigenen ethischen Grundsätze einzuhalten? Unternehmensleitbilder, irgendwas mit Compliance und Antikorruptionsregeln und so weiter finden sich auf wohl jeder Unternehmenswebsite. Sowas ist immer ganz prominent platziert, damit man dem geneigten Leser auch ja ein Märchen erzählen kann.

Es wird Zeit, endlich die Lieferketten deutscher Unternehmen in den Blick zu nehmen und zwar so, dass etwas Verbindliches für sie daraus entsteht. Dass Freiwilligkeit nichts bringt, haben die Erfahrungen ja gezeigt. Wer davon überrascht wurde, dem ich nicht zu helfen!

50% der betreffenden Unternehmen kommen ihrer Sorgfaltspflicht nicht nach!

Es geht um 7.400 Unternehmen, die Müller und Heil in die Pflicht nehmen wollen. Heil sagte: „Man werde nur verlangen, was machbar und verhältnismäßig sei“. Die Reaktion von Wirtschaftsminister Altmaier war zurückhaltend. Die deutsche Wirtschaft hat schon heftigst protestiert, weil man ja bisher bereits gearbeitet habe und den Menschenrechten verpflichtet sei. Der Zeitpunkt (Corona) sei ungünstig.

Ja, wann ist er das schon, meine Damen und Herren aus den Vorstandsetagen? Außerdem: „Es sei problematisch, wenn Unternehmen für Missstände aufkommen müssten, die auf Dritte zurückzuführen seien und nicht in ihrem eigenen Verschulden lägen. Dies sei unter keinen Umständen zu akzeptieren.“

Ohne eigenes Verschulden? Gut, ne? Natürlich haben allein diese Leute, die jetzt zu jammern anfangen, ganz allein die Verantwortung dafür, was innerhalb ihrer Lieferketten passiert. Wenn sie keinen Einfluss auf bekannte „Missstände“ haben, dann müssen sie gefälligst einen anderen Weg finden.

Es heißt, dass deutlich weniger als 50 % ihrer unternehmerischen Sorgfaltspflicht nachkommen. So ist das mit der Freiwilligkeit. Wie heißt es so schein: Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht. Hoffentlich war der Lärm, den die permanenten Brüche verursacht haben, endlich laut genug und die Regierung zieht es durch. Merkel scheint jedenfalls der Meinung zu sein, dass es so nicht weitergehen sollte.


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Link: Menschenrechte: Heil und Müller kündigen Lieferkettengesetz an | ZEIT ONLINE

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Quelle Featured-Image: HorstSchulte.com

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