Angebliche und tatsächliche Alternativen in Sachen Corona-Bekämpfung

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Alle Welt schwärmt vom schwe­di­schen Modell. Auch die, so scheint es mir, die eigent­lich nicht mal an das Virus glau­ben. Viel­leicht sind es ja sogar vor allem die. Und natür­lich die Frei­heits­apos­tel, die sich von den Maß­nah­men der deut­schen Regie­rung so gegän­gelt fühlen.

Deut­schen Medi­en wird indes gern vor­ge­wor­fen, sie wür­den die Maß­nah­men des schwe­di­schen Staats­vi­ro­lo­ge Anders Teg­nell nega­tiv dar­stel­len, um damit die­je­ni­gen der deut­schen Regie­rung zu unter­stüt­zen. Wir haben es hier wohl auch mit einer Form von Ver­schwö­rungs­theo­rie zu tun.

Geteilte Verantwortung = keine Verantwortung

Ob nun der legen­dä­re par­ti­zi­pa­ti­ve Ansatz Teg­nells einen über­trag­ba­ren, weil wün­schens­wer­ten Stan­dard gesetzt hat, ist inso­fern längst nicht aus­ge­macht, als wir uns doch immer noch am Beginn der Pan­de­mie befin­den. Das Eigen­ar­ti­ge an den Lobes­hym­nen, die an vie­len Stel­len zu lesen ist, ist inso­fern deren Voreiligkeit. 

Schwe­den hat einen ande­ren Weg gewählt: So blie­ben die Gren­zen für EU-Bür­ger stets offen – ohne Qua­ran­tä­ne. Eben­so ging der Unter­richt in den Pri­mar­schu­len nor­mal wei­ter. Den­noch gel­ten im Land eini­ge strik­te Regeln: Wäh­rend die Schweiz gros­se Events wie­der zuliess, hat Schwe­den die Vor­schrif­ten bis heu­te nicht gelo­ckert. Ver­samm­lun­gen mit über 50 Per­so­nen blei­ben ver­bo­ten: Sei es in der Dis­co, im Sport oder der Kirche.

Die Schwe­den kön­nen Coro­na – NZZ am Sonn­tag – Blendle

Trotz der hohen Infek­ti­ons­zah­len in Deutsch­land liegt die Zahl der Todes­fäl­le per Mil­li­on Ein­woh­ner in Schwe­den unge­fähr um das 4 1/​2fache über dem deut­schen Wert. Hät­ten wir die schwe­di­schen Maß­nah­men kopiert, könn­ten wir statt der bis­her ca. 11.000 Tote bereits bei einer Zahl von über 50.000 Toten liegen. 

Bevölkerungsdichte in Skandinavien

Nun haben bei der Fra­ge, wie sich das Virus aus­brei­tet, wie wir längst wis­sen, sozi­al­öko­no­mi­sche und ande­re Fak­to­ren eine Bedeu­tung. Dazu gehört, gera­de was die Ver­brei­tung des Virus anlangt, ver­mut­lich auch die Bevöl­ke­rungs­dich­te. Die­se ist in Schwe­den im Ver­gleich zu fast allen EU-Län­dern sehr nied­rig. Es gibt nur ein Land mit einer noch gerin­ge­ren Bevöl­ke­rungs­dich­te (Finn­land).

Der schwe­di­sche Lebens­stan­dard gehört zu den welt­weit 10 höchs­ten. Inter­es­sant fin­de ich, dass die Fol­gen der Coro­na-Epi­de­mie gera­de in den Län­dern weni­ger dra­ma­tisch aus­ge­fal­len sind, die eine eher gerin­ge Bevöl­ke­rungs­dich­te vor­wei­sen. Dazu gehö­ren neben Finn­lan­de, Neu­see­land auch Kana­da und Aus­tra­li­en. Wir sehen bei den Län­dern mit hoher Bevöl­ke­rungs­dich­te im Hin­blick auf Coro­na eine beson­ders star­ke Betrof­fen­heit. Hier­zu zäh­len die Nie­der­lan­de, Bel­gi­en, Luxem­burg oder Groß­bri­tan­ni­en und Ita­li­en. Deutsch­land zählt eben­falls in die­se Kate­go­rie, Spa­ni­en weni­ger. Ins­ge­samt wis­sen wir also immer noch wenig über die Grün­de, wes­halb in man­chen Län­dern die Ver­brei­tung viel stär­ker ist als in anderen. 

Witterung

Was ich inter­es­sant fin­de, ist, dass der hohe Anstieg der Coro­na-Neu­in­fek­tio­nen auch in den Län­dern stark ist, in denen die Wit­te­rung bis­her im Ver­gleich zu Deutsch­land eher noch mild ist. Ich den­ke an Ita­li­en, Spa­ni­en oder Iran und Mexi­ko. Wie­so sind auch die­se Län­der so stark betrof­fen, obwohl es dort noch mil­de Tem­pe­ra­tu­ren gibt? Eine The­se bezüg­lich der Ver­brei­tung des Virus lau­te­te doch immer, dass es in geschlos­se­nen Räu­men wäh­rend der kal­ten Jah­res­zeit beson­ders aktiv sei. Dazu passt nicht, dass sich die Men­schen in wär­me­ren Gefil­den doch (ver­mut­lich) immer noch vor­wie­gend drau­ßen aufhalten. 

In dem skan­di­na­vi­schen Land gilt wei­ter kei­ne Mas­ken­pflicht, von Maß­nah­men wie einer nächt­li­chen Aus­gangs­sper­re ist kei­ne Rede. Eini­ge Emp­feh­lun­gen zum Umgang mit der Pan­de­mie haben die schwe­di­schen Behör­den zwar ver­schärft, zugleich wur­den Maßga­ben für Senio­ren aber gelockert.

Kein Rich­tungs­wech­sel in Schwe­den trotz zwei­ter Coronawelle

Die Lebens­um­stän­de in Län­dern wie Ita­li­en und Spa­ni­en, in denen eben­falls ein sprung­haf­ter Anstieg der Infek­tio­nen fest­zu­stel­len ist, unter­schei­den sich von denen bei uns vor allem dar­in, dass dort oft meh­re­re Gene­ra­tio­nen in Häu­sern und Woh­nun­gen zusam­men­le­ben. Unse­re Woh­nungs­not rührt u.a. daher, dass die jün­ge­re Leu­te die Selbst­stän­dig­keit suchen und wohl viel häu­fi­ger Sin­gle­haus­hal­te grün­den, als dies in Ita­li­en und Spa­ni­en üblich ist. Viel­leicht hat das auch mit den weni­ger leis­tungs­fä­hi­gen Sozi­al­sys­te­men zu tun. Die Jugend­ar­beits­lo­sig­keit in die­sen Län­dern ist sehr hoch und führt sicher eben­falls dazu, dass die Fami­li­en zusam­men­rü­cken, um sich gegen­sei­tig zu unterstützen. 

Wirksamkeit von Masken, die 1.300ste

Eine Aus­sa­ge von Teg­nell fin­de ich beson­ders inter­es­sant. Er stellt die Wirk­sam­keit von Mas­ken infrage. 

Am 10. August 2020 sag­te Teg­nell der Bild vor dem Hin­ter­grund in Schwe­den stark gefal­le­ner Infek­ti­ons­zah­len zu einer all­ge­mei­nen Maskenpflicht: 

Das Resul­tat, das man durch die Mas­ken erzeu­gen konn­te, ist erstaun­lich schwach, obwohl so vie­le Men­schen sie welt­weit tra­gen. Es über­rascht mich, dass wir nicht mehr oder bes­se­re Stu­di­en dar­über haben, wel­che Effek­te die Mas­ken tat­säch­lich her­bei­füh­ren. Län­der wie Spa­ni­en oder Bel­gi­en haben ihre Bevöl­ke­rung Mas­ken tra­gen las­sen – trotz­dem gin­gen die Infek­ti­ons­zah­len hoch. Zu glau­ben, dass Mas­ken unser Pro­blem lösen kön­nen, ist jeden­falls sehr gefährlich.

Teg­nell, schwe­di­scher Staatsvirologe 

Obwohl die Neu­in­fek­tio­nen auch in Schwe­den stark anstei­gen, gibt es kei­ne Anstal­ten, die Maß­nah­men zu verschärfen. 

Schwe­den zählt zu den weni­gen Län­dern, die nicht das Tra­gen eines Mund-Nasen-Schu­t­­zes zur Ein­däm­mung des Coro­na­vi­rus emp­feh­len. Die Gesund­heits­be­hör­de sieht für eine Schutz­wir­kung der Mas­ken kei­ne aus­rei­chen­den Belege.

Kein Rich­tungs­wech­sel in Schwe­den trotz zwei­ter Coronawelle

Was die Asia­ten wohl von sol­chen Aus­sa­gen hal­ten? Dort haben sich Mas­ken als eine der Haupt­schutz­maß­nah­men längst eta­bliert. Immer­hin weiß ich jetzt, woher der Prä­si­dent der deut­schen Ärz­te­kam­mer sei­ne Weis­hei­ten hat. Er wird sich Teg­nells Sicht­wei­se ange­schlos­sen haben. Mich erin­nert das alles an die Anfangs­zeit der Epi­de­mie. Schon damals wur­de behaup­tet, die Mas­ken bräch­ten nichts. Die Grün­de dafür waren aller­dings ande­re. Das Feh­len evi­denz­ba­sier­ter Bele­ge hin­sicht­lich ihrer Wirk­sam­keit wur­den jeden­falls nicht angeführt.

Strategie gegen einen unbekannten und unsichtbaren Feind

In den fol­gen­den Wochen und Mona­ten wur­de unse­re Regie­rung vor allem des­halb kri­ti­siert, weil sie nicht den Pan­de­mie­pro­to­kol­len gefolgt war, die die Beschaf­fung von Mil­lio­nen von Mas­ken erfor­dert hät­ten. Heu­te erzäh­len uns man­che, dass wir die läs­ti­gen Din­ger doch eigent­lich gar nicht gebraucht hät­ten. Inzwi­schen gibt es so vie­le Tests, die die Wirk­sam­keit bestä­ti­gen, dass man ange­sichts man­cher Äuße­run­gen, zumal als Laie, nur mit dem Kopf schüt­teln kann. 

Am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag verkün­dete die Regie­rung von Ste­fan Löf­ven Ein­schrän­kun­gen für Nacht­clubs und nahm zu­gleich über­ra­schend die seit Beginn der Pan­de­mie gel­ten­de Emp­feh­lung zurück, Men­schen ab 70 Jah­ren soll­ten zu Hau­se blei­ben. Als Grund wur­de das Risi­ko genannt, dass die Senio­ren wegen ihrer Iso­la­ti­on Gesund­heits­pro­ble­me wie Depres­sio­nen bekom­men. Bereits Anfang Okto­ber war das Besuchs­ver­bot in Alten­hei­men auf­ge­ho­ben wor­den. Es zähl­te zu den weni­gen stren­gen Restrik­tio­nen in Schwe­den. Wei­ter­hin ver­bo­ten sind An­sammlungen von mehr als 50 Men­schen, bei Kul­tur- und Sport­er­eig­nis­sen wur­de die Ober­grenze jüngst auf 300 Zuschau­er angehoben.

Kein Rich­tungs­wech­sel in Schwe­den trotz zwei­ter Coronawelle

Spezifische Maßnahmen

Obwohl sich die Maß­nah­men durch­aus unter­schei­den, sind alle ziel­ge­rich­tet und wur­den auf­grund der spe­zi­fi­schen Vor­aus­set­zun­gen im jewei­li­gen Land getrof­fen. Dass die schwe­di­schen Maß­nah­men immer wie­der – ich glau­be vor allem zum Zwe­cke der Ver­un­si­che­rung – instru­men­ta­li­siert wer­den, geht mir all­mäh­lich auf die Nerven. 

Rich­tig wäre, wenn sich alle lern­fä­hig erwie­sen oder zumin­dest von posi­ti­ven Erfah­run­gen ler­nen wür­den. Dann wür­de man Maß­nah­men weg­las­sen, die sich als falsch oder inef­fek­tiv erwie­sen haben. Aber die­ses stän­di­ge refe­rie­ren dar­auf, dass die­ses oder jenes bes­ser wäre, als die eige­nen Maß­nah­men ist nicht hilf­reich. Vor allem sind die­se Mecha­nis­men dazu geeig­net, das Ver­trau­en der Bevöl­ke­rung zu unter­gra­ben. Die Medi­en müss­ten dies leisten. 

Verantwortungsloses Gebrabbel kommt mir an den Ohren raus

Sie tun es nicht, son­dern neh­men ihre Ver­ant­wor­tung wohl im Sin­ne einer aus­ge­wo­ge­nen Bericht­erstat­tung, ein­mal mehr nicht wahr. DAS ist für mich eine Schande!

Die Ver­ant­wort­li­chen soll­ten sich weni­ger Gedan­ken dar­über machen, ob sie noch halb­wegs gut weg­kom­men in den Bei­trä­gen, Pod­casts und Vide­os irgend­wel­cher staats­feind­li­chen, reni­ten­ten rech­ten Sek­tie­rer, die sich bei Sput­nik, Rt deutsch, Tichy oder Bro­der fin­den, bloß weil ihnen die Desta­bi­li­sie­rung unse­rer Demo­kra­tie nicht schnell genug von­stat­ten geht.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Corona Maßnahmen Schweden

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4 Gedanken zu „Angebliche und tatsächliche Alternativen in Sachen Corona-Bekämpfung“

  1. Gerhard 246 2. November 2020 um 13:51

    Mir wur­de auch kürz­lich schon ein Link um die Ohren gehau­en, der das Mas­ken­tra­gen als sinn­los dar­stellt. Dort sind etwa 30 Stu­di­en auf­ge­führt. Der Linkfreund/​die Link­freun­din sprach davon, es sei­en ALLE Stu­di­en zur Mas­ke dar­in vertreten.
    Ver­lin­ken wer­de ich das JETZT NICHT, logisch.
    Im Übri­gen: Du KANNST dage­gen nicht argu­men­tie­ren. Zu gegen­tei­li­gen Aus­sa­gen heisst es dann, sie sei­en gekauft oder ähn­li­ches. Führt zu nichts.

  2. Ver­ant­wor­tungs­lo­ses Gebrab­bel kommt mir an den Ohren raus

    Mir auch, immer wie­der. Und auf Face­book ist es man­chen Tagen wirk­lich unerträglich.
    LG
    Sabiene

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