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Die AfD nutzt das hohe Defizit an politischer Führung

Wenn es unsere Verfassung zuließe, könnte man die Wahlen auf die Nach-Corona-Zeit verschieben. Nur leider geht genau das nicht. Also, reißt euch gefälligst zusammen, ihr Politiker.

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Björn Höcke hat beim Dresdner Parteitag der AfD mehrfach zum Mikro gegriffen. Offenbar sah er, anders als beim letzten Mal, eine gute Gelegenheit, seine Standpunkte durchzusetzen. Die Stimmung des Parteitages gabs her. Fallen die Beschlüsse beim Volk ebenfalls auf fruchtbaren Boden? Ich wünschte, diese Frage stellte sich gar nicht.

  • Der Parteitag der Nationalisten hat den Austritt aus der EU beschlossen
  • Der Parteitag der Rassisten und Ausländerfeinde nimmt in sein Programm auf, dass jeglicher Familiennachzug von Flüchtlingsfamilien verboten wird

Der Leitantrag der Parteispitze hatte die Formulierung ‚Familiennachzug zu Anerkannten nur unter strengen Bedingungen‘ vorgesehen. Nach kontroverser Debatte heißt es nun, dass jeglicher Familiennachzug abgelehnt werde.

Dresden – AfD spricht sich gegen Familiennachzug für Flüchtlinge aus

Vorläufiger Aufschub

In der Causa Jörg Meuthen hat es einen Aufschub bis zum Herbst gegeben. Dann wird er wohl endgültig entmachtet. Bis zum Wahltermin im Herbst möchte man den vermeintlich moderaten Meuthen dabei haben. Auf die Stimmen für seine vergleichsweise moderate Politik kann man (im Westen) nicht verzichten. Im Osten (Sachsen) liegen die Rechtspopulisten inzwischen bei 29%, in anderen Ost-Ländern bei zirka 20. Es ist also zu erwarten, dass die Quälerei, die wir nach den Wahlen in Thüringen gesehen haben, sich in Sachsen-Anhalt wiederholen wird. Wir wissen, dass es aus der CDU Signale in Richtung Zusammenarbeit mit der AfD gab.

Schon diese beiden Beispiele dokumentieren die rechtspopulistische bis rechtsextreme Orientierung der AfD. Immerhin sind ein paar mehr Dinge jetzt geklärt! Zuzuschreiben ist dieser offene Bruch mit den Spiegelregeln der sehr auf Konsens basierenden Politik, dem desolaten Bild einer politischen Elite. Verstärkt wird das durch das lemmingartige, arg plötzlich wirkende Loslassen der unzerbrechlich geglaubten Loyalitäten deutscher Journalisten gegenüber der Merkel-Regierung hinzu.

Die höchsten Inzidenzen und die verrücktesten Urteile

Ende der Woche hat ein Richter in Weimar für Furore gesorgt und die thüringischen Corona-Maßnahmen per Urteil untersagt. Das Urteil schließt die Abstandsregeln, das Maskentragen sowie das Testen ein. Für die, die es nicht glauben können… Das Urteil hat das Aktenzeichen Az.: 9 F 148/21.

Wie die journalistische Rechte dieses Urteil abfeiert, kann jeder selbst nachlesen. Hier nur ein kurzes Zitat aus einem solchen Blog:

Lob für das Urteil kam von dem „Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte“. Es bezeichnete den Richterspruch als “bahnbrechend”. Erstmalig sei ein Gericht in der Bundesrepublik seiner Aufgabe der Tatsachenaufklärung in der gebotenen Weise und in Anbetracht der Bedeutung des Falles nachgekommen.

Aus dem Blog eines Rechtspopulisten

Es könnte bei den Wählerinnen und Wählern helfen, die immer noch glauben, bei der AfD handle es sich um eine bürgerliche Partei. Es ist so lachhaft wie beängstigend, wie viele Deutsche sich von Rechtspopulisten wie Höcke, Curio, Brandner und so weiter beeinflussen lassen.

Demokratie oder Autokratie?

Alles läuft gegen die demokratische Verfasstheit unseres Landes. Die Regierung macht weiterhin keinerlei konkrete Anstalten, ihren Job zu machen und liefert den Rechtspopulisten damit reichlich Nahrung für ihre Angriffe auf die Demokratie.

Immerhin ist seit heute klar, dass Söder – was Wunder – bereit ist, die Vakanz des Union-Kanzlerkandidaten auszufüllen. Ob sich außerhalb der Union dafür jetzt einer interessiert? Journalisten und solche, die sich dafür halten, einmal ausgenommen.

Armin Laschet erklärte heute, es sei ein grundsätzliches Ziel, soviel Einigkeit wie möglich zwischen CDU und CSU zu erzielen. Die Welt erwarte ein stabiles Deutschland. Söder sagte: „Wir sind nicht Helmut Kohl und Franz-Josef Strauß. Wir haben keine Grundsatzstreitigkeiten“. Es sei ein gemeinsames Ziel, die Wahlen im Herbst zu gewinnen.

Ausgangslage

Laschets Ausgangsposition mag nicht besonders gut sein. Aber die CDU/CSU – Spitzen dürften sich darüber im Klaren sein, welche Signale sie durch ihre morgigen Beratungen aussenden. Würde nicht Laschet der gemeinsame Kandidat werden, so ist er – kurz nach seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden der CDU – bereits stärker angeschlagen, als es Annegret Kram-Karrenbauer nach einem knappen Jahr gewesen ist. Ob die Personalie Söder auf der anderen Seite die nach Umfragen naheliegenden Sympathievorteile in Stimmen bei den Wahlen ummünzen könnte, bliebe außerdem abzuwarten. Sicher kann man diesbezüglich jedenfalls aus heutiger Sicht nicht sein.

Was wäre die ehemalige Volkspartei mit dem bisherigen Abonnement auf Regierungsbeteiligung noch wert, wenn ihre Repräsentanten sich von der erheblich kleineren Schwesterpartei deren Kandidaten „aufdrücken“ ließe? Zumal sie unter großen Schmerzen erst kürzlich eine neue Führung wählen musste. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in diesen Zeiten mit dem Selbstverständnis der CDU zu vereinbaren ist, Söder zum gemeinsamen Kanzlerkandidaten zu machen.

Vergleich Laschet / Söder

Andererseits war der Eindruck, den Armin Laschet in diesen schwierigen Zeiten bisher gemacht hat, vor allem im Vergleich mit seinem bajuwarischen Amtskollegen, nicht überzeugend. Es ist einmal mehr interessant, mitzuerleben, wie Laschet, der nachdenklich und zögernd agiert, im Vergleich mit dem polternden aber überzeugend wirkenden Söder durch die veröffentlichte Meinung ins Hintertreffen gerät. Dass es Fairness in den Social-Media-Kanälen quasi nicht gibt, ist nichts Neues. Aber mich wundern doch, dass Söder, der in seinem Bundesland keine bessere Bilanz vorzuweisen hat, als Laschet hier bei uns, trotzdem in der öffentlichen Wahrnehmung so viel besser wegkommt.

Es sind eben doch Oberflächlichkeiten. Ich hatte hier schon einmal erwähnt, dass Laschets lokal kolorierte Stimmlage weniger Sympathien findet als der bayerische Dialekt eines Markus Söder. Die meisten werden das zwar nicht offen zugeben. Aber ich glaube, dass auch diese Oberflächlichkeit eine Rolle spielt.

Wie gehts weiter?

Ich stelle mir vor, wie das nun weitergehen könnte. Ich nehme an, dass die Entscheidung durch die günstigen Umfragewerte zugunsten Söders ausfallen wird. Laschet wird durch allgemeine, unverbindliche Erklärungen der Parteigranden über den Wahltermin hinaus gestützt und danach fallengelassen werden.

Inwieweit er sein Amt als Ministerpräsident in NRW, das er – wie ihm auch Journalisten bescheinigen – mit Erfolg ausgeübt hat, unter diesen Voraussetzungen weiterführen wird, hängt auch davon ab, wie Laschet mit einem solchen Tiefschlag persönlich umgehen kann. Unterschätzen sollte man den Mann nicht. Er hat innerhalb der NRW-CDU über Jahre ein Standing bewiesen, das in diesem nicht ganz einfachen Umfeld, beachtenswert ist. Den Ruf als Brückenbauer hat er sich dadurch erworben. Helfen wird ihm das in dieser zugespitzten Lage, die er durch sein Taktieren mitverursacht hat, nicht.

Baerbock for cancler

Es wird lustig werden: Ich bin sicher, dass Annalena Baerbock Kanzlerkandidatin der Grünen wird. Von Olaf Scholz und der SPD wissen wir das längst. Stellen wir also Markus Söder in diese Reihe der Kandidaten und überlegen kurz, was im Herbst passieren könnte.

Die Union verliert weiter an Zustimmung. Derzeit liegen nur 4 Prozentpunkte zwischen der Union und den Grünen. Gut, die Grünen sehen fast traditionell in Umfragen besser aus als bei Wahlen. Trotzdem traue ich ihnen ein Ergebnis von 25 bis 26 % zu. Die Union könnte – trotz Söder – verlieren. Zumal nicht sicher ist, dass nicht noch der eine oder andere Korruptionsfall öffentlich werden könnte. Frau Baerbock wird mit der Regierungsbildung beauftragt. Olaf Scholz käme damit nicht klar und würde ins Glied zurücktreten, die SPD wäre, auch wegen Personalverschleiß, raus.

Die Linke und die FDP zeigen sich bei dieser Konstellation uninteressiert. Es käme folglich zu einer neuen Großen Koalition – diesmal aus Grünen und Union. Söder wäre Vizekanzler unter Kanzlerin Annalena Baerbock. Was für ein Alptraum für die Union, wie spannend für das Land. Vielleicht hält Söder sich die Rückzugsoption offen. Aber gab es da nicht mal einen Fall Norbert Röttgen? War was anderes, aber trotzdem.

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Horst Schulte
Herausgeber, Blogger, Autor und Hobby-Fotograf
Seit 2004 blogge ich über Politik und Gesellschaft – also seit die meisten noch SMS statt Tweets geschrieben haben. Mit 70 Jahren lebe ich immer noch im schönen Bedburg, direkt vor den Toren Kölns, und schreibe über alles, was die Welt bewegt (oder mich zumindest vom Sofa aufstehen lässt).

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Artikelinformationen:

Politik

AfD, Laschet, Meuthen, Söder, Union, Wahlen

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