Flüchtlinge Gesellschaft

Wurden Migranten über Corona unzureichend informiert?

Warum ist der Migrantenanteil auf Intensivstationen (angeblich) so hoch? Liegt das wirklich nur an den sozialen Bedingungen, an kleinen Wohnungen und an prekären Tätigkeiten?

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H. Schulte

4 Min.

4 Kommentare

Köln-Chorweiler ist ein Stadtteil mit hohem Migrantenanteil (39,9 % in 2019). In Köln-Hahnwald leben viele gut situierte Menschen, eher wenig Migranten (11,2 % in 2019). Köln insgesamt hatte eine Inzidenz von 230. In Köln-Chorweiler lag sie über 500, in Köln-Hahnwald beträgt sie 0 (in Worten: NULL!).

Was spricht aus dieser Beschreibung: Rassistisches Gedankengut oder Kapitalismuskritik?

Im August letzten Jahres sprach ein Arzt aus, was unverzüglich zu den in Deutschland üblichen Reaktionen führte. Ein Zusammenhang epidemiologischer Faktoren wird nachdrücklich auf sozioökonomische Einflüsse begrenzt. Damit ist bereits hinreichend dargelegt, dass die Frage nach Herkunft und Eigenart von Migranten nicht relevant ist. Mit der üblichen Verve wird bis heute unterdrückt, dass auch das Verhalten von Migranten eine Rolle spielt. Bequemer ist halt, die Umstände (Arbeits- und Wohnumfeld) für alles verantwortlich zu machen.

So stellt sich die Frage erst gar nicht, ob sich Migranten den Corona-Maßnahmen entziehen, weil sie sich an die Regeln unseres Staates nicht gebunden fühlen. Ich drücke dieses Verhalten bewusst freundlich aus.

Lieber wird die Verantwortung für den hohen Belegungsanteil von Intensivstationen durch Migranten den zuständigen deutschen Regierungsstellen in die Schuhe geschoben. Sie hätten (passt zum Selbstzerfleischungsritual dieser Zeit!) nicht dafür gesorgt, dass in allen Sprachen die notwendigen Informationen verbreitet werden. Kurzum, sie haben mal wieder versagt! Der Deutsche kennt das inzwischen aus dem Effeff. Die Medien haben daran einen ordentlichen Anteil.

Ich nix verstehn!

Zu glauben, dass innerhalb migrantischer Communitys die Spielregeln der Pandemie nicht diskutiert werden, ist doch total abwegig. Wenn die verschiedenen Nationalitäten aufgrund etwaiger Sprachprobleme vermutlich die TV-Angebote ihrer Herkunftsländer nutzen, dürften sie spätestens auf diesem Wege auf der Höhe der Informationen sein, jedenfalls der wichtigen (Abstands- und Hygieneregeln gibts schließlich überall!).

Dass ich oft Migranten ohne Mundschutz sehe oder auch solche, die in Geschäften ohne Abstand ihre Ignoranz bezeugen (bei Deutschen übrigens viel seltener), wird mir keiner ausreden.

Es ist bequem, dass Zahlen (wieder einmal aus Datenschutzgründen) nicht zur Verfügung stehen.

Über die Gründe für das Verhalten der eigenen Leute reden Migranten mit dem Fernsehen. Das wird zwar gezeigt aber dann gleich als belanglose Einzelmeinung wieder beiseite geschoben. Wenn russische Baptisten auf Corona-Schutzmaßnahmen pfeifen, weil sie im Grunde auf alles Pfeifen, was von deutschen Behörden kommt, muss man das halt ertragen. Und wer weiß schon, aus welch prekären Verhältnissen diese Menschen gerade kommen? Schließlich tolerieren wir seit Jahren, dass insbesondere diese Klientel RT deutsch guckt. Da lernt man sowas im Handumdrehen. Dass dort angebliche Meinungsfreiheit gepflegt wird mit dem erkennbaren Ziel, dem deutschen Staat nachhaltig zu schaden, wird nur mir aufgefallen sein. Scheinbar ist der schädliche Einfluss dieser Medien nicht so hoch. Jedenfalls lässt man Putin gewähren.

In diesem Verdrängungswahn sind wir Deutsche inzwischen so geübt, dass es uns in Fleisch und Blut übergegangen ist.

Dass sich Migranten mit türkischem oder kroatischem Hintergrund besonders schwertun, die Impfprogramme anzunehmen, wird uns in den nächsten Monaten noch sehr beschäftigen, sage ich einmal voraus. Schlussendlich werden die Schwierigkeiten sicher einmal damit erklärt werden, dass die Communitys von den verantwortlichen Stellen eben sträflich vernachlässigt worden sind. Da tut es auch nichts zu Sache, dass über Corona-Impfungen beispielsweise in Flüchtlingsheimen schon seit Monaten ständig gesprochen wird.

— Update: 29.04.2021

Interessant, dass genau dieses Thema gestern Abend im „Heute Journal“ ziemlich ausführlich behandelt wurde. Die Rückschlüsse sind – wie meistens – andere:

VOR
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Horst Schulte
Herausgeber, Blogger, Autor und Hobby-Fotograf
Seit 2004 blogge ich über Politik und Gesellschaft – also seit die meisten noch SMS statt Tweets geschrieben haben. Mit 70 Jahren lebe ich immer noch im schönen Bedburg, direkt vor den Toren Kölns, und schreibe über alles, was die Welt bewegt (oder mich zumindest vom Sofa aufstehen lässt).
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4 Gedanken zu „Wurden Migranten über Corona unzureichend informiert?“

  1. Ich denke die sozialökonomischen Verhältnisse muss man schon berücksichtigen. Ob ich in Köln-Hahnwald mit vier Personen auf 400 Quadratmeter lebe, oder in Chorweiler mit acht Personen auf 60 Quadratmeter, macht auch epidemisch einen Unterschied.

    Allerdings: Ein Faktor für hohe Inzidenz ist bei einigen Migranten sicherlich die Ablehnung des Rechtsstaats– dann natürlich mit all den Folgen die Du hier beschreibst.

    Insofern deckt die Pandemie vielleicht auch viele Problemecken auf, in die man vorher lieber nicht so genau geguckt hat. Man fängt sich heutzutage nämlich leichter einen Shitstorm ein, als einen Schnupfen 😉

    Nicht erst seit der Pandemie dürfte klar sein, dass an den Integrationsbemühungen, vor allem aber am Integrationswillen aller Beteiligten dringend gearbeitet werden muss.

    Das wiederum würden die Lifestylebürger in ihren abgeschotteten Villen, deren einziger Kontakt zu Migranten der beim Einkaufen türkischer Spezialitäten ist, wahrscheinlich gänzlich anders sehen.

    Antworten
    • Hallo Peter,
      es spielt natürlich eine Rolle, wie gebildet jemand ist, welcher Arbeit er nachgeht oder wie beengt jemand wohnt und mit wie vielen Personen er die Wohnung teilt. Es ist unübersehbar, dass diese Faktoren einen, wahrscheinlich den wesentlichen Anteil bei hohen Inzidenzen hat. Das Beispiel Köln-Hahnwald ist diesbezüglich doch sehr anschaulich.

      Ich wehre mich bloß dagegen, dass viele immer so tun, als gäbe es den Aspekt, den ich noch einmal angesprochen habe, nicht. Krisen kann man leichter lösen, wenn man die Realität betrachtet und möglichst umfassend analysiert. Wir sollten uns endlich angewöhnen, Tacheles zu reden und nicht jedes unbequeme Thema reflexhaft kleinzureden.

      Es gibt viel aufzuarbeiten nach der Pandemie. Vielleicht finden wir endlich mal die Kraft dafür. Kurt Schumacher soll einmal gesagt haben: „Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit.“ So war es und so ist es 🙂

      Antworten
  2. Den Bericht im Heute Journal habe ich auch gesehen. Interessant ist ja schon die Aussage, dass einige Migranten glauben, man würde sie nach der Impfung gleich wieder zurück in ihr Herkunftsland schicken. Woher das wohl herkommt?
    LG
    Sabiene

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