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Nicht reden, handeln

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Aktuell gibt es wieder viel Diskussionsbedarf über die Lage in Nahost. Zwei komplexe und weit auseinanderliegende Sichtweisen repräsentieren Dr. Wolffsohn und Dr. Lüders.

Zunächst hatte ich Anfang der Woche bei Focus den Artikel des Historikers Prof. Dr. Wolffsohn gelesen. Seine radikal einseitige Sicht weckte mein Interesse an der Meinung eines anderen profunden Kenners der Materie, des israelkritischen Journalisten und Nahost-Experten Dr. Michael Lüders.

Er hat vorgestern bei YouTube einen Podcast zum aktuellen Geschehen in Israel und zur Konflikthistorie veröffentlicht. Ich war nicht der Illusion verfallen, danach mehr von diesem Drama menschlicher Geschichte verstanden zu haben. Dass Ansichten und Analysen aber so weit auseinandergehen, muss man auch nicht unbedingt erwarten…

Richtig oder falsch?

Dass Wolffsohn eine deutsche Mitschuld am Terror der Hamas beschreibt, überrascht ebenso wenig wie die wiederum einseitigen Positionen von Michael Lüders für die Sache der Palästinenser auf der anderen. Beide Haltungen sind bekannt und auch in Deutschland umstritten.

Die stets aggressive Haltung Wolffsohns ist mir unsympathisch.

Aber es stimmt: Deutschland und die EU unterstützen Gaza. Milliarden gingen dorthin. Die Zahlungen erfolgen regelmäßig. Auch Länder wie Katar unterstützen Gaza mit hunderten von Millionen. Man sollte meinen, am Geld liegt es nicht, dass die Menschen dahinvegetieren.

Es leben dort ca. 2 Mio. Menschen. Der Gaza Streifen hat eine Fläche ungefähr so groß wie Bremen. Die Lebensverhältnisse der Menschen sind furchtbar. Wofür wird das Geld eingesetzt und weshalb verbessert sich die Lage nicht?

Verantwortlich ist die Hamas (gewählt 2006 von der dortigen Bevölkerung). Wohin die Mittel fließen, kann man sich (auch ohne Vorurteile) vorstellen. Vermutlich landet es bei Hamas-Führern und beim Bau der Raketen, die Gaza selbst und Israel treffen. Dass die Hamas auch rücksichtslos gegen die eigene Bevölkerung vorgeht, ist eines der Mysterien mit denen man zuerst einmal klarkommen muss.

Dass es Widersprüche gibt, ist also selbstverständlich.

Demos mit Gewaltaufrufen und endlosen Bedrohungen

Um es klar zu sagen: Die antisemitischen Demos von arabischen und türkischen Migranten sind zu verurteilen. Aber bitte nicht bloß deshalb, weil es deutsche Straßen sind, auf denen sie sich abspielen und „wir“ es nun gar nicht leiden können, wenn „Ausländer“ hier randalieren.

Warum aber gerade jetzt Hamas-Iran-Raketen auf Israel? Weil der Iran ein brennendes Interesse an der Wiederbelebung des 2015 geschlossenen Atomabkommens hat. Einer seiner geistigen Väter war der damalige US-Vize- und heutige Präsident Joe Biden. Auch Deutschland mischte mit. Federführend war Außenminister Steinmeier. Damals Außenminister, heute Bundespräsident.

Deutschland als Friedensstifter? Hintenrum fließen Terror-Millionen an die Hamas – FOCUS Online

Während Wolffsohn die von unseren Medien überwiegend vorgetragenen Gründe für die Raketenangriffe bestreitet bzw. vor allem strategische Überlegungen Irans als Gründe beschreibt, bleibt Lüders bei den bisher bekannten Begründungen:

  1. Die drohende Enteignung muslimischen Besitzes in Ost-Jerusalem
  2. Israels Übergriffe in der al Aqsa Moschee (während des Ramadan)

Strategische Ziele

Die wenigsten werden die Wirkung der beiden israelischen Maßnahmen wirklich nachvollziehen können. Vielleicht haben diese das Fass zum Überlaufen gebracht. Dass Iran auch solche Ereignisse für ihre strategischen Ziele nutzen wird, ist jedenfalls höchstwahrscheinlich.

Ebenso gut könnten Netanjahu, der trotz wiederholter Wahlen immer noch keine stabile Regierung zustande gebracht hat, genau deshalb die Provokationen als Ablenkungsmanöver willkommen gewesen sein.

Jeder scheint irgendwie recht zu haben

Ich traue es mir nicht zu, mir aufgrund selbst so detailreicher und profunder Darlegungen, ein Urteil zu bilden. Aber ich habe trotzdem Verständnis für beide Positionen. Einerseits deshalb, weil ich zunehmenden Antisemitismus bei uns sehe, andererseits weil ich die Verzweiflung über das politische Kalkül einerseits und die politischen Erklärungen – auch unserer Staatsvertreter – zermürbend und schrecklich scheinheilig finde.

Dass Synagogen und jüdische Schulen permanent bewacht werden müssen, weil Juden in diesem Land vor Gewalt und Terror nicht sicher sind, ist einfach nur furchtbar. Gleichzeitig sehe ich kaum realistische Möglichkeiten, diesen Schutz so zu gestalten, dass er eine höhere Wirksamkeit hat. Ich muss es so lakonisch ausdrücken: Die Polizei kann nicht überall sein.

Standpunkte austauschen – aber mit Anstand

Umso mehr wäre es die Aufgabe von Politik weniger ihre Standpunkte zu verkünden (im Zweifel, würde ich sagen, haben wir sie alle schon 100 Mal gehört!), sondern auf geeignete Maßnahmen zu setzen.

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Dazu rechne ich die eindeutigen Empfehlungen von Ahmad Mansour, der glücklicherweise in diesen Tagen zu den meistgehörten Experten für diese Konfliktlage zählt. Es fehlt nicht an gutem Willen (den unterstelle ich) und an politischen Erklärungen. Es fehlt an Mut und Konsequenz.

Für unsere aktuellen Probleme gibt es Ansätze, wie diese in den Griff zu kriegen sind:

  1. Dazu zähle ich klare Ansagen an das Klientel, das wir auf den Straßen gesehen haben. Bei den Corona-Impfungen vor Ort (Problemgebiete) haben wir gelernt, dass auch sprachliche Barrieren ein Problem für die Impfbereitschaft darstellten. Es scheint also möglich zu sein, muslimische Migranten zu erreichen, wenn ich die Erfolgsmeldungen bei diesem Thema richtig gedeutet habe. Können Sozialarbeiter vor Ort etwas gegen Antisemitismus und für die Werte unseres Staates erreichen? Was sonst hätten wir uns unter präventiven Maßnahmen sonst vorzustellen?
  2. Polizisten, die bei Einsätzen leider verletzt werden, obwohl sie an den Einsatzorten unser aller Sicherheit gewährleisten, dürfen nicht von irgendwelchen Idioten als Faschisten oder staatliche Handlanger diffamiert werden. Politik, Medien und Bürger müssten sich vielmehr hinter die Beamten stellen. Stattdessen müssen sie ständig befürchten, als Rassisten beschimpft zu werden.
  3. Die Strafverfolgung muss besser werden. Es muss dafür gesorgt werden, dass Täter eindeutig identifiziert werden können (hochauflösende Kameras an den bekannten Stellen/Orten).
  4. Parallel zur Bestrafung muss der Staat dafür sorgen, dass die beteiligten und identifizierten, verurteilten Straftäter nach antisemitischen, rassistischen Demos nach Verbüßung der Strafe aus Deutschland ausgewiesen werden. Mit den Beteiligten mit deutscher Staatsangehörigkeit sollen Sozialarbeiter oder Fachleute ähnlicher Instanzen reden und ihnen das vermitteln, was sie nie gelernt oder wieder vergessen haben.
  5. Der Erfolg solcher Maßnahmen sollte medial aufbereitet werden. Auf diese Weise wäre die wünschenswerte, präventive Wirkung zu erreichen. Die Leute müssen lernen, dass wir für antisemitische Ausfälle dieser Art Null Toleranz aufbringen.

Versucht euch mal daran, solche „Empfehlungen“ zu erstellen. An jeder einzelnen Position können sich vehemente und bösartige Diskussionen entzünden. So ist das eben heute in Deutschland. Auch das (vielmehr vor allem das) muss sich ändern.

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Horst Schulte
Herausgeber, Blogger, Autor und Hobby-Fotograf
Seit 2004 blogge ich über Politik und Gesellschaft – also seit die meisten noch SMS statt Tweets geschrieben haben. Mit 70 Jahren lebe ich immer noch im schönen Bedburg, direkt vor den Toren Kölns, und schreibe über alles, was die Welt bewegt (oder mich zumindest vom Sofa aufstehen lässt).

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Artikelinformationen:

Gesellschaft

Antisemitismus, Demos, Deutschland, Israel, Politik, Proteste, Türkei

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