100 Euro Strafe, weil die Google Fonts doch so leicht zu hosten sind!

HS230625

Horst Schulte

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Borlabs hat eben erst eine neue Ver­si­on des teu­ren, aber her­vor­ra­gen­den Word­Press – Plug-ins „Bor­lab Coo­kies“ her­aus­ge­bracht. Neben ande­ren Ver­bes­se­run­gen sieht die Mel­de­box jetzt ver­än­dert aus. Sie ent­hält mehr Infor­ma­tio­nen, genau­er gesagt, einen Abschnitt aus der an Bord befind­li­chen Daten­schutz­er­klä­rung. Inzwi­schen, so wür­de ich ein­mal behaup­ten, hat sich die Auf­re­gung um die Ein­füh­rung der DSGVO etwas gelegt. 

Man sieht es unter ande­rem dar­an, dass die vom Gesetz­ge­ber ziem­lich detail­liert vor­ge­schrie­be­nen Hin­wei­se längst nicht mehr auf allen Sei­ten ange­zeigt wer­den. Die Plug­ins hal­ten den Betrieb auf. Sie sind (fin­de ich) stö­rend, und wer ver­flucht es nicht, dass bei vie­len wie­der­hol­ten, meist aber erst­ma­li­gen Sei­ten­auf­ru­fen, die­se Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen aufpoppen?

Wo kein Kläger, da kein Richter

Dass die­se Vor­schrif­ten auch für Blogs gel­ten – egal wie groß oder irrele­vant sie auch sein mögen, es fin­det sich immer einer, der einem Kol­le­gen, einem Wett­be­wer­ber oder einem ande­ren Blog­ger gern mit sei­nem Denun­zi­an­ten­tum auf den Wecker geht und Anzei­ge wegen irgend­wel­cher Regel­ver­stö­ße erteilt. Gera­de erst wie­der fühl­te sich jemand in sei­nem infor­mel­len Selbst­be­stim­mungs­recht ein­ge­schränkt und zeig­te irgend­je­man­den an. Er hat, was jeder bos­haf­te Leser in einer Sekun­de via Abfra­ge im Brow­ser „ermit­teln“ kann. 

Systemfonts nutzen!

Der in mei­nen Augen arg bos­haf­te Leser stell­te zu sei­nem Ent­set­zen fest, dass die Fonts, die auf der frag­li­chen Web­site, die er gera­de las, benutzt wer­den, nicht selbst gehos­tet waren und der Text auch nicht durch die noch viel schnel­le­ren Sys­tem­fonts (weil sie gar nicht erst gela­den wer­den müs­sen) aus­ge­lie­fert wur­de, son­dern die Fonts kamen von den Goog­le-Ser­vern aus den USA. Ein kras­ser Regel­ver­stoß! Der Mann fühl­te sich – was auch sonst, wir sind schließ­lich in Deutsch­land – in sei­ner infor­mel­len Selbst­be­stim­mung beein­träch­tigt und erstat­te­te Anzeige. 

Das ange­ru­fe­ne Gericht gab dem Klä­ger recht und ver­ur­teil­te den Nut­zer der Font-Ser­ver von Tan­te Goog­le zu 100 Euro Stra­fe. Gut, dar­über lässt sich noch kom­men. Ich hat­te mal bei ande­rer Gele­gen­heit eine Rech­nung von 3.500 Euro zu beglei­chen. Das war hart und eine Erfah­rung, die rich­tig weh­ge­tan hat. Nicht nur wegen des Gel­des. Wie doof kann man sein, war die Fra­ge, die mich danach lan­ge beschäf­tigt hat und die mir die Freu­de am Blog­gen eine Wei­le ver­grätzt hat. 

Mich ärgert die­se Stra­fe pri­mär des­halb, weil es ein­mal mehr bestä­tigt, wie der Daten­schutz in Deutsch­land prak­ti­ziert wird. Lang­sam soll­ten die­je­ni­gen, die die­sen so toll fin­den, sich ein­fach mal klar dar­über wer­den, wie bekloppt das ist – und zwar nicht nur im Ver­gleich mit ande­ren Län­dern. Die Pan­de­mie lässt grü­ßen. War­um haben wir bloß so schlech­te Daten? Die­se Fra­ge geht immer nur an die Poli­tik, dabei schei­nen wir doch so glück­lich mit unse­rem Daten­schutz zu sein. 

Deutscher Datenschutz

Dass das bedeu­tet, dass es hier kein Impf­re­gis­ter gibt und kei­ne wirk­lich aus­sa­ge­fä­hi­gen Zah­len an allen mög­li­chen Stel­len (Bet­ten­be­le­gung außer­halb der Inten­siv­sta­tio­nen) sind nur klei­ne Bei­spie­le für die Kon­se­quen­zen, die sol­che Ver­rückt­hei­ten am Ende haben. Den Ärger mit der Coro­na-App und ihren Alter­na­ti­ven wer­den wir auch noch nicht ganz ver­ges­sen haben – oder? Aber machen wir doch ein­fach wei­ter so. Dar­in sind wir geübt. Es hat sich zwar nicht bewährt, aber wir blei­ben dabei. Wir haben das schließ­lich „immer so gemacht“. 

Ich habe über eine lan­ge Zeit, seit der Ein­füh­rung der DSVGO, alle Fonts gehos­tet. Nach und nach bin ich dazu über­ge­gan­gen, die Fonts wie­der direkt von Goog­le, Ado­be und ande­ren exter­nen Ange­bo­ten zu benut­zen. Ich wähn­te mich auf der siche­ren Sei­te, weil die Mus­ter-Daten­schutz­er­klä­run­gen schließ­lich die ent­spre­chen­den Mög­lich­kei­ten offen­lie­ßen. Da heißt es dann:

Goog­le Fonts

Wir bin­den die Schrift­ar­ten (»Goog­le Fonts«) des Anbie­ters Goog­le LLC, 1600 Amphi­theat­re Park­way, Moun­tain View, CA 94043, USA, ein. Daten­schutz­er­klä­rung: https://​www​.goog​le​.com/​p​o​l​i​c​i​e​s​/​p​r​i​v​a​cy/, Opt-Out: https://​adsset​tings​.goog​le​.com/​a​u​t​h​e​n​t​i​c​a​ted.

Daten­schutz­er­klä­rung | horst schulte

Ver­wen­dung von Ado­be Type­kit

Wir set­zen Ado­be Type­kit zur visu­el­len Gestal­tung unse­rer Web­site ein. Type­kit ist ein Dienst der Ado­be Sys­tems Soft­ware Ire­land Ltd. der uns den Zugriff auf eine Schrift­ar­ten­bi­blio­thek gewährt. Zur Ein­bin­dung der von uns benutz­ten Schrift­ar­ten, muss Ihr Brow­ser eine Ver­bin­dung zu einem Ser­ver von Ado­be in den USA auf­bau­en und die für unse­re Web­site benö­tig­te Schrift­art her­un­ter­la­den. Ado­be erhält hier­durch die Infor­ma­ti­on, dass von Ihrer IP-Adres­se unse­re Web­site auf­ge­ru­fen wur­de. Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zu Ado­be Type­kit fin­den Sie in den Daten­schutz­hin­wei­sen von Ado­be, die Sie hier abru­fen kön­nen: www​.ado​be​.com/​p​r​i​v​a​c​y​/​t​y​p​e​k​i​t​.​h​tml

Daten­schutz­er­klä­rung | horst schulte

Was die Datenschutzerklärung nicht kann

Ich war natür­lich nie so ver­rückt zu glau­ben, dass irgend­ei­ner mei­ner Lese­rIn­nen die­se Daten­schutz­er­klä­rung lesen wür­de. Ich mache das woan­ders eben­so wenig! Dass sie (die­ser Teil) aber gewis­ser­ma­ßen nicht das Papier wert, auf das sie gedruckt ist, hat mich den­noch über­rascht. Nun, die Orga­ne der Rechts­pfle­ge dürf­ten vom Mün­che­ner Urteil auch eini­ger­ma­ßen über­rascht wor­den sein? Oder wie sind sol­che Tex­te in unse­ren Daten­schutz­er­klä­run­gen zu verstehen?

Hier nun ein­mal eine Stel­le, die ich als maß­geb­li­chen Teil der Begrün­dung des Land­ge­rich­tes Mün­chen ver­stan­den habe:

Der Ein­satz von Schrift­ar­ten­diens­ten wie Goog­le Fonts kann nicht auf Art. 6 Abs. 1 S.1 lit. f DSGVO gestützt wer­den, da der Ein­satz der Schrift­ar­ten auch mög­lich ist, ohne dass eine Ver­bin­dung von Besu­chern zu Goog­le Ser­vern her­ge­stellt wer­den muss. RN 8 Es besteht kei­ne Pflicht des Besu­chers, sei­ne IP-Adres­se zu „ver­schlüs­seln“ (meint ver­mut­lich ver­schlei­ern, etwa durch Nut­zung eines VPN). LINK

LG Mün­chen: 3 O 17493/​20 vom 20.01.2022 | 3. Zivil­kam­mer Papier­fund­stel­len: GRUR-RS 2022, 612 Beck­RS 2022, 612

Der Ein­satz von Goog­le-Fonts ist auch mög­lich, ohne die Goog­le-Ser­ver in der fer­nen USA zu bemü­hen. Ach, ist das so? Natür­lich kann man jeden Font ganz leicht her­un­ter­la­den und selbst hos­ten. Vie­le machen das und sind nicht so ange­fres­sen wie ich gera­de. Auch weil sie so klug sind, ohne­hin nur Sys­tem­schrif­ten zu nut­zen. So muss man sich über sol­che Din­ge kei­ne Gedan­ken machen. Und über die Geschäfts­mo­del­le von Goog­le, Ado­be und ande­ren Schrift­an­bie­tern muss ich mir auch kei­ne Gedan­ken machen, nicht wahr? 

Adobe Schriften lassen sich nicht hosten

Das mag alles zutref­fen, ich fin­de die­se typi­sche deut­sche Hand­ha­bung echt ver­rückt und voll­kom­men ärger­lich. Ich habe unter ande­rem die Foto­pro­gram­me von Ado­be abon­niert und darf des­halb die tol­len Ado­be – Fonts kos­ten­los nut­zen. Die­se kann man nicht selbst hos­ten. Es gibt nur die Mög­lich­keit, denen einen oder and­ren Font für teu­res Geld zu kau­fen und dann zu hosten.

Gegen­stand Unter­las­sungs­an­spruch und Scha­dens­er­satz (hier 100 €) wg. Wei­ter­ga­be von IP-Adres­se an Goog­le durch Nut­zung von Goog­le Fonts LINK

LG Mün­chen: 3 O 17493/​20 vom 20.01.2022 | 3. Zivil­kam­mer Papier­fund­stel­len: GRUR-RS 2022, 612 Beck­RS 2022, 612

Ich glaub es nicht! Ein Scha­den­er­satz von 100 € an den­je­ni­gen, der denun­ziert und ande­re damit beläs­tigt. Nicht zuletzt auch unse­re kom­plett über­las­te­te Jus­tiz. Was ist das für ein Land, in dem so etwas zuge­las­sen wird?

Net­ter­wei­se hat Clau­dia mich über die­se Neu­ig­keit ins Bild gesetzt. Mir war das bis­her ent­gan­gen. Vie­len Dank an Clau­dia für den Tipp.

Übri­gens habe ich Web­sites von Anwäl­ten gefun­den, die (natür­lich) auch Goog­le-Fonts nut­zen und die­se über die Goog­le-Ser­ver abru­fen. Sie wer­den also nicht selbst gehos­tet. Tstststs.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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12 Gedanken zu „100 Euro Strafe, weil die Google Fonts doch so leicht zu hosten sind!“

  1. Ich ver­ste­he auch nicht, war­um man noch immer The­men anbie­tet, die Goog­le-Schrif­ten nut­zen oder sie nicht lokal ein­bin­den. Schon seit fast 2 Jah­ren bie­tet Word­Press die Mög­lich­keit Goog­le-Fonts lokal ein­zu­bin­den. Sie­he hier.

  2. Da hast du wohl recht. Vie­le The­me-Macher wer­den sich nicht für die EU-Pro­ble­me mit dem Daten­schutz inter­es­sie­ren. Ich selbst fin­de das The­ma Daten­schutz und was man bei uns draus macht auch etwas übertrieben.

  3. Wir haben heu­te tat­säch­lich des­we­gen kein Impf­re­gis­ter, weil wir auch frü­her nie eines hat­ten. Und zwar schon sehr lan­ge, bevor es Daten­schutz­dis­kus­sio­nen gab.

    Heu­te sind aller­dings völ­lig zu Recht Daten­schutz­fra­gen zu stel­len, wenn ein sol­ches Regis­ter ein­ge­führt wer­den soll­te. Wobei ich durch­aus dafür wäre, ein sol­ches Regis­ter einzuführen.

    Auch ist die Coro­na-Warn­app nicht wegen des angeb­lich über­mä­ßig über­trie­be­nen Daten­schut­zes geschei­tert – eben des­we­gen, weil sie über­haupt nicht geschei­tert ist.

    Das alles ent­springt lei­der einer ziem­lich üblen, seit Jah­ren schwe­len­den Kam­pa­gne inter­es­sier­ter Krei­se aus dem rech­ten Spek­trum, denen Daten­schutz ein Stör­fak­tor für ihre poli­ti­schen Geschäfts­mo­del­le ist.

  4. Ich hat­te bei einem frü­he­ren The­me Goog­le-Fonts lokal auf mei­nem Web­space ein­ge­bun­den. Unge­fähr zu dem Zeit­punkt, als die DSGVO scharf­ge­schal­tet wur­de. Das hat damals her­vor­ra­gend funktioniert.

    Im Moment las­se ich aller­dings wie­der die jeweils gege­be­nen Sys­tem­fonts verwenden.

  5. Ein wei­te­rer Vor­teil des Selbst­ho­s­tings der Fonts ist, dass sich die Lade­zei­ten der Sei­te dadurch erheb­lich ver­kür­zen. Allei­ne schon des­halb lohnt es sich auf den Abruf der Schrif­ten bei Goog­le zu verzichten.

  6. Ich habe kei­ne Mes­sun­gen durch­ge­führt, aber ich habe nach der Umstel­lung eine deut­li­che Ver­kür­zung der Lade­zeit fest­ge­stellt. Für die Umstel­lung habe ich übri­gens das Plug­in Borlabs Font Blo­cker installiert.

    Bist du sicher, dass du bei dei­nem Test die Auf­ru­fe der Goog­le-Fonts kom­plett ent­fernt hast? Es gibt meh­re­re Mög­lich­kei­ten der Ein­bin­dung und falls du eine davon über­se­hen hast, kann es sein, dass die Fonts doch über Goog­le gela­den wer­den. Um sicher zu sein, müss­test du den erzeug­ten HTML-Code nach dem Auf­ruf durchsuchen.

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