Bedröppelter Bundespräsident

HS230625

Horst Schulte

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Bei Twit­ter sind vie­le (zu vie­le!) der Ansicht, dass Bun­des­prä­si­dent Stein­mei­er es ver­dient hät­te, vom ukrai­ni­schen Prä­si­den­ten Selen­skyj so behan­delt zu werden. 

Kiew hat­te die Betei­li­gung des höchs­ten Reprä­sen­tan­ten Deutsch­lands an einer Grup­pen­rei­se nach Kiew mit ande­ren Ost-euro­päi­schen Staats­ober­häup­ter und Stein­mei­er abge­lehnt und ihn damit zur uner­wünsch­ten Per­son erklärt.

Die Reak­tio­nen von mei­ner Frau und mir waren abzu­se­hen. Als wir aber nur wenig spä­ter hör­ten, dass unser Stand­punkt angeb­lich dem der AfD ent­sprach, haben wir kurz zurück­ge­zuckt. Kei­ne wei­te­re Unter­stüt­zung der Ukrai­ne mehr, das war im ers­ten Ärger auch unse­re Haltung.

Dass ich kein Freund die­ses Bun­des­prä­si­den­ten bin, habe ich hier mehr­fach aus­ge­führt. Sei­ne guten Bezie­hun­gen zu Law­row dis­qua­li­fi­zie­ren Stein­mei­er für vie­le Deut­sche als Bun­des­prä­si­dent, waren aber nicht mein The­ma. Ich hat­te an dem gepfleg­ten Bezie­hun­gen zu Russ­land nichts auszusetzen. 

Schließ­lich haben unse­re Poli­ti­ker genau das gemacht, was man gemein­hin unter Wah­rung der Inter­es­sen unse­res Lan­des ver­steht. Dass dies auch auf­grund der gran­dio­sen Ener­gie­wen­de im Sinn unse­rer wirt­schaft­li­chen Stär­ke drin­gend nötig war, kommt in den Kom­men­ta­ren zu kurz. Das ist unfair, aber typisch deutsch. 

Mei­ne Anti­pa­thie gegen Stein­mei­er rührt aus der Zeit, als er als Kanz­ler­amts­mi­nis­ter unter Schrö­der die Agen­da 2010 ent­wi­ckelt hat. Dar­über wur­de auch nie gern gere­det, weil die­ses The­ma den Kapi­ta­lis­ten, der Uni­on und der FDP so in die Kar­ten gespielt hat. Letzt­lich ver­dan­ken wir es der Agen­da-Poli­tik, dass Deutsch­land wei­ter­hin als ein Bil­lig­lohn­land gilt. Wie sich Ver­mö­gen und die zum Teil mick­ri­gen Löh­ne seit­dem ent­wi­ckelt haben, wird sich schon bald (bei der wei­ter davon galop­pie­ren­den Infla­ti­on) als sozia­ler Spreng­stoff erwei­sen. Da bleibt die Zuver­sicht auf der Stre­cke, wenn ange­sichts des Krie­ges und der sich abzeich­nen­den Pro­ble­me wich­ti­ger Tei­le unse­rer Wirt­schaft die Segel strei­chen könnten. 

Die kur­zen und hef­ti­gen Aus­sa­gen bei Twit­ter sug­ge­rie­ren einen feh­len­den Rück­halt des Staats­ober­haupts in der Bevöl­ke­rung. Also anders, als sich dies jüngst vor sei­ner Wie­der­wahl gezeigt hat­te. Es hat sich inner­halb kur­zer Zeit viel geändert. 

Die Deut­schen (nicht zuletzt die, die unse­re Medi­en­land­schaft beherr­schen) schei­nen immer schon gewusst zu haben, dass die Ver­qui­ckung deutsch-rus­si­scher Inter­es­sen uns gewal­tig auf die Füße fal­len wür­de. Im Land, fin­de ich, war es dies­be­züg­lich ganz schön ruhig. Wahr ist, dass es im Aus­land schon län­ger rumor­te. Nun, inzwi­schen hat der Ami sei­ne Wün­sche durch­ge­setzt. Wir bezie­hen US-Frack­ing-Gas. Der Dol­lar rollt statt des Rubels. 

Vie­le Deut­sche for­dern Stein­mei­er auf­grund einer ver­fehl­ten Russ­land­po­li­tik vehe­ment zum Rück­tritt auf. Ich schlie­ße mich nicht an! Da bin ich ein wenig so wie die von der rus­si­schen Regie­rungs­pro­pa­gan­da indok­tri­nier­ten Rus­sen (nicht nur die Deutsch­rus­sen und ihre Brü­der und Schwes­tern im Geis­te, die hier ihr Demons­tra­ti­ons­recht wahr­ge­nom­men haben).

Mir gehen Mel­nyks und Selen­sky­js stän­di­ge Vor­wür­fe gegen unser Land auf den Zei­ger. Ihre Aus­sa­gen brin­gen mich dazu, mich hin­ter Stein­mei­er zu stel­len. Und auch hin­ter unse­re Regie­rung, die nun wirk­lich kein gutes Bild abgibt. Trotz­dem: Die­se Regie­rung ist die gewähl­te deut­sche Regierung

Die Aus­län­der, die sie angrei­fen, sind nicht mei­ne Freun­de. So ähn­lich dürf­ten die Erdo­gan- und Putin-Fans viel­leicht auch drauf sein. Irgend­wann ist man es leid, dass per­ma­nent über das eige­ne Land geschimpft wird. Dann spielt es auch kei­ne Rol­le mehr, wie man zur eige­nen Regie­rung ein­ge­stellt ist. 

Ja, für man­che ist man in die­sem Fall ein Natio­na­list. Und es wird schon was damit zu tun haben. 

Naiv und kin­disch wäre es nun, wenn wir die Unter­stüt­zung der Ukrai­ne jetzt ein­stell­ten. Die AfD for­dert das. Mei­ne Frau und ich haben gera­de noch zurück­ge­zo­gen. Ich wünsch­te, Scholz oder ande­re Muti­ge aus unse­rer Regie­rung, fühl­ten sich durch den öffent­li­chen Druck nicht dazu her­aus­ge­for­dert, end­lich in die Ukrai­ne zu rei­sen. Das käme nach die­sem Eklat gar nicht gut. Ein biss­chen Ehre soll­ten deut­sche Poli­ti­ker doch im Leib haben.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Melnyk Steinmeier Ukraine

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