Keine Revolution, solange ein paar Bröckchen vom Tisch fallen

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Die Zahl der Millionäre in Deutschland ist gewal­tig gestie­gen. In Deutschland gibt es inzwi­schen 1,63 Millionen Krösusse. Das sind 100.000 mehr als im letz­ten Jahr. Boomende Aktienmärkte und stei­gen­de Immobilienpreise waren wich­ti­ge Treiber der Entwicklung. 

In die­sem Umfeld ist eine Revolution wohl unwahr­schein­lich. Für die meis­ten, die von abhän­gi­ger Arbeit leben, fal­len ja noch immer ein paar Bröckchen vom Tisch der Kapitalisten. Daran ändert die hohe Inflation wenig. Der Arbeitsmarkt boomt, nicht nur an Fachkräften herrscht Mangel. Trotzdem zetern die Kapitalisten, wenn es um die Erhöhung eines Mindestlohns geht. Und die 12 Euro – sei­en wir ehr­lich – ret­ten unter den aktu­el­len Verhältnissen auch kei­nen. Aber bis Oktober ist ja noch Zeit.

Weltweit stieg das Vermögen der Reichen auf 86 Billionen US-​Dollar. Die Zahl ist grö­ßer als das jähr­li­che BIP der größ­ten 5 Wirtschaftsmächte der Welt. 

Welche Macht mit sol­chen uner­mess­li­chen Reichtümern ver­bun­den ist, kann ich mir kaum vor­stel­len. Ein paar Gedanken zum Einfluss etwa gewis­ser Industriezweige auf poli­ti­sche Entscheidungen beflü­geln die Fantasie. Welchen Einfluss haben die US-​Öl‑, Gas- und Kohleindustrie auf Politik und somit auf den Supreme Court?

Das Gesamtvermögen der Dollar-​Millionäre in Deutschland klet­ter­te danach im ver­gan­ge­nen Jahr um 7,4 Prozent auf rund 6,3 Billionen Dollar. Vor allem gestie­ge­ne Aktienkurse, aber auch eine höhe­re Sparquote und der Immobilienboom waren dafür die Hauptgründe. LINK

Mehr Millionäre in Deutschland: Vermögen der Reichen deut­lich gewach­sen | tages​schau​.de

Solche Summen machen mich nicht heiß. Eher wir­ken sie absto­ßend auf mich. Einer aus der unte­ren Mittelschicht kann sich die­se Dimensionen nicht wirk­lich vor­stel­len, sie wir­ken abs­trakt. Außerdem neig­te ich noch nie dazu, nei­disch zu sein. 

Es stört mich auch nicht, dass es so vie­le ver­mö­gen­de Menschen gibt. Ich schaue auf „die ande­re Seite“ und möch­te nicht akzep­tie­ren, dass die Armut auf der Welt und hier in Deutschland zunimmt. 

Armut und Reichtum

Damit, dass es seit Jahrzehnten Leute gibt (auch Wissenschaftler), die die­se Entwicklung leug­nen, nicht zuletzt, indem sie die Qualität der Statistiken infra­ge stel­len, habe ich mich abgefunden. 

Vor der Pandemie ging es berg­auf – sagen man­che. Angeblich hat die Armut abge­nom­men. Jetzt gehen die Zahlen wie­der stark nach oben. Daran haben Pandemie und Putin ihren Anteil.

Um noch ein­mal die gän­gi­ge Weltbank-​Definition zu bemü­hen: Ursprünglich hat­te die Weltbank pro­gnos­ti­ziert (sie­he: hier), dass 2020 die Zahl der extrem armen Menschen um 31 Millionen sin­ken wird. Stattdessen sind geschätz­te 88 Millionen Menschen zusätz­lich unter die Grenze von 1,90 $-Dollar gerutscht. Ihre Gesamtzahl ist Stand heu­te so hoch wie 2015, anders gesagt: Die Pandemie wirft die Welt im Kampf gegen die glo­ba­le Armut um (min­des­tens) fünf Jahre zurück. LINK

Armut – welt­weit auf dem Rückzug? – Neven Subotic Stiftung

Die welt­wei­te Armut ging zurück, der Hunger spiel­te nicht mehr die domi­nie­ren­de Rolle in bestimm­ten Gegenden unse­rer Erde. Jetzt, nach­dem Russland auch noch die­sen unse­li­gen und ver­bre­che­ri­schen Krieg gegen die Ukraine führt, bre­chen die alten Probleme mit aller Macht auf. Hungerkatastrophen gro­ßen Ausmaßes wer­den befürch­tet. Die Russen reden das Problem klein und schie­ben die Verantwortung der Ukraine und dem Westen in die Schuhe. Elende Politik!


Alte Dogmen

In einem Büchlein, das ich mir Anfang der 1970er-​Jahre bei „Zweitausendeins“ in Köln gekauft habe, ging es dar­um, mit wel­chen Mitteln kapi­ta­lis­ti­sche Gesellschaften davor »bewahrt« wer­den, revo­lu­tio­nä­re Tendenzen zu entwickeln. 

Stark ver­kürzt lag die Antwort dar­in, den Menschen gera­de so viel Krümel vom Kuchen (Vermögen) abzu­ge­ben, dass die Lust auf Revolution erst gar nicht entsteht.

Wäre dann nicht jeder gewerk­schaft­li­che Kampf um höhe­re Löhne und bes­se­re Arbeitsbedingungen nicht, jeden­falls wenn man den Ausgang all die­ser Bemühungen betrach­tet, ein Indiz dafür, dass die­se mir damals zu ein­fach schei­nen­de Behauptung im Buch zutrifft? Gewerkschaften die­nen als ein ele­men­ta­rer Systembestandteil? Kein Wunder, dass Mitgliederschwund ange­sagt war. Natürlich sind die Gründe dafür wohl ande­rer Natur.

Mich hat die Frage immer wie­der beschäf­tigt. Wie leicht las­sen wir, die vor­mals zur Arbeiterklasse zäh­len­den Menschen, zu, dass »man« uns durch Brot(krümel) und Spiele mani­pu­liert? Aber die­se Schicht, so wie vie­le sie frü­her ein­mal begrif­fen, soll es kaum noch geben. Mir egal, wie wir gesell­schaft­li­che Schichten nen­nen. Fakt ist, es gibt mehr Arme, mehr Reiche und all die, die irgend­wie dazwi­schen ihr Glück suchen. 

Dabei ist Deutschland seit Jahren (Danke, Gerhard Schröder!) das Land in Europa mit größ­ten Niedriglohnsektor. Auch beim Durchschnitt sieht der Vergleich für Deutsche mau aus. 

Das Rentenniveau ist nied­ri­ger als in ande­ren, ver­gleich­ba­ren Ländern der EU. Das legt Zeugnis ab über die sozia­le Situation bei uns. „Deutschland geht es gut?“ 

Liebe Union, euer Motto ist eine der schlimms­ten Provokationen für alle Menschen in die­sem Land. 

Dies vor­ab.


Abtreibung, Waffen, Klima, Kirche und Staat: Die Entscheidungen des Supreme Court bedeu­ten für die USA kei­ne Rückkehr in düs­te­re Zeiten, son­dern den Aufbruch in eine fins­te­re Zukunft.

LINK
Volkes Wille? Die Entscheidungen des Supreme Court in USA – Kultur – SZ​.de

Feinde der Menschheit

Im „Spiegel“ schrieb ein Professor eine Kolumne mit dem Titel: „Im Würgegriff der Feinde der Menschheit“. Diesen Würgegriff wen­den die Reichen, Mächtigen und ihre Lobbygruppen an, die bis in den Supreme-​Court Einfluss nehmen. 

Im kon­kre­ten Fall gehts um die letz­te (sic?) fata­le Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der USA. Die Richter dele­gie­ren die Kompetenz für weit­rei­chen­de Entscheidungen von einer US-​Bundesbehörde zum Kongress. 

Ein Komplott von US-​Öl‑, Gas- und Kohleindustrie? 

Klingt die­se Maßnahme an sich (die Verlagerung von Beamten zu gewähl­ten Volksvertretern) nicht eher nach mehr Demokratie als nach einem Würgegriff? Im Kongress haben die Demokraten die Mehrheit, im Senat die Republikaner. Man darf also fra­gen, wes­halb die Entscheidung des Supreme Courts so kri­tisch gese­hen wird. Es ent­schei­den kei­ne Beamte, son­dern gewähl­te Abgeordnete. 

Möglicherweise kön­nen Entscheidungen der Richter wahr­ge­nom­men wer­den, als sei­en die­se gegen das Volk gerich­tet. In die­sem Fall sehe ich das nicht. Allerdings zeigt sich aus mei­ner Sicht ein Problem der US-​amerikanischen Demokratie. Es ist mög­lich, dass die drin­gend nöti­gen Entscheidungen ange­sichts der Zerstrittenheit über vie­le Themen auf die lan­ge Bank gescho­ben respek­ti­ve gar nicht getrof­fen wer­den. An sol­chen Stellen hät­ten Putin und Xi viel Freude. 

Wie ist es um das Vertrauen in die in den USA mehr­heit­lich von repu­bli­ka­ni­schen Mehrheiten domi­nier­ten Landesparlamenten bestellt? Die Amis haben bekannt­lich einen ande­ren Blick auf ihre Republikaner. Sie haben gute Chancen, sich die Präsidentschaft (die ja für vie­le von denen ohne­hin gestoh­len war) zurück­zu­ho­len. Wir sind jeden­falls gegen Donald Trump. Bloß – was nützt das? 

Umweltbehörde ohne Mandat

Die US-​Umweltbehörde ver­liert also ihren Gestaltungsauftrag für die­ses so emi­nent wich­ti­ge Thema. 

Die Entscheidungen trifft der Kongress oder – der Supreme-​Court. Das kos­tet viel Zeit. Vielleicht zu viel. Und dar­um ging es den Lobbygruppen vielleicht.

Bei uns ent­schei­det letzt­lich das Bundesverfassungsgericht. Das haben wir zuletzt unter gro­ßem Applaus der Grünen und den ihnen zuge­ta­nen. Es han­del­te sich zum Glück um eine ganz ande­re Ausrichtung. Dies ist zwar auch in Deutschland nicht über­all popu­lär. Aber was soll’s: Das Verfassungsgericht hat der Politik kla­re Aufträge erteilt. Dass man­che ihrer Vertreter über die­ses Urteil beju­belt haben, zeigt die gan­ze Verdorbenheit man­cher Politiker. 

In Deutschland hat sich auf die­sem Feld der Teil der Gesellschaft behaup­tet, der die stär­ke­ren Narrative gesetzt hat. Atomenergie ist Geschichte. Kohlekraftwerke, Öl und Gas – alles Geschichte. Manchen geht die Transformation nicht schnell genug von­stat­ten. Die Mainstream-​Medien unter­stüt­zen die grü­nen Positionen bedingungslos. 

Die Ampel wird ange­trie­ben, fast zer­ris­sen, durch ver­ba­le Schläge ver­är­ger­ter Grüner und die Anhängerschaft (FFF, SFF), weil alles immer noch viel zu lang­sam geht. Beim rus­si­schen Erdöl soll­ten wir ja längst kom­plett aus­ge­stie­gen sein. Es gibt, wie ich heu­te las, neue „Berechnungen von Wissenschaftlern“, die bele­gen, dass das alles pro­blem­los mög­lich ist. 

Wissenschaft und Verantwortung

Ich wür­de zu gern sehen, ob die­se Wissenschaftler die Verantwortung dafür über­neh­men, wenn die Wirtschaft Massen von Arbeitsplätzen abbau­en müss­ten. Sind das übri­gens die glei­chen Wissenschaftler, die die­se Berechnungen auch bereits zu Beginn der Krise vor­ge­legt hat­ten (z.B. Herr Prof. Hirschhausen?). 

Schade, dass es nicht zwangs­läu­fig die bes­se­ren Argumente sind, die sich durch­set­zen. Allerdings muss ich ein­räu­men, sol­che Debatten kön­nen nur von Wissenschaftlern und Politikern ent­schie­den wer­den. Die Expertise und Verantwortung müs­sen gege­ben sein. Schwafeln (Twitter) führt hier zu nichts. 

Es war frü­her ™ Konsens, dass wich­ti­ge gesell­schaft­li­che Debatten ange­sto­ßen und aus­führ­lich geführt wer­den müs­sen, um gesell­schaft­li­che Herausforderungen zu meis­tern. An ihrer Stelle haben wir Streit, gegen­sei­ti­ge Beschuldigungen, per­sön­li­che Angriffe und Cancel Culture. 

Tolles Urteil, schlimmes Urteil

Hier betrach­ten die Menschen das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimawandel ganz über­wie­gend mit Wohlwollen. Ich habe das betref­fen­de Urteil des Verfassungsgerichtes so ver­stan­den, dass es der Politik in die­ser Angelegenheit kla­re Vorgaben macht, wie sie zu han­deln hat. 

Ich fin­de, es wur­de in die­sem Fall der woken Community nach dem Mund gere­det. Das fin­det auch in Deutschland nicht nur Zustimmung. Die Diskussion über die Intervention des Supreme Court wirft die Frage nach dop­pel­ten Standards auf. Wenns passt, ist es gut, wenn nicht, gibts Randale.


Juristen stehen über allen Dingen

Ich hal­te die Entscheidungen des Supreme Courts für schlimm. Und zwar jede für sich! In New York dür­fen Waffen wie­der offen getra­gen wer­den, das Abtreibungsrecht wur­de gekippt und jetzt könn­te der Kampf gegen den Klimawandel ver­lo­ren sein. Was ist der nächs­te Coup der kon­ser­va­ti­ven Mehrheit im Obersten Gerichtshof der USA? 

Bei die­sen Richtern habe ich das Gefühl, dass selbst die Aufhebung der Rassentrennung oder Anerkennung gleich­ge­schlecht­li­cher Partnerschaften denk­bar wären.

Wenn der Papst die Abtreibung im Kontext der US-​amerikanischen Entscheidung soeben mit einem Auftragsmord ver­gleicht, ist das für vie­le Menschen inak­zep­ta­bel. Viele wer­den sich von sol­chem Gerede auch pro­vo­ziert füh­len. Ich glau­be, die gro­ße Zahl von Austritten aus der katho­li­schen Kirche ist nicht auf Deutschland beschränkt.

Die Durchsetzung ultra­kon­ser­va­ti­ver, rück­wärts­ge­wand­ter Denkweisen ist viel­leicht nur des­halb mög­lich, weil sich die Macht auf immer weni­ger Menschen mit immer mehr Geld ver­eint. Interessengruppen sind viel­leicht bald schon nicht mehr nötig. Wenn ein­zel­ne Menschen über immer höhe­re Geldsummen ver­fü­gen als gan­ze Staaten in ihren Etats aus­wei­sen, stinkt es zum Himmel. 

Kommunist oder Sozialist

Ich fra­ge mich, ob Kommunismus oder Sozialismus wirk­lich so falsch waren. Es ist etwas zu tri­vi­al, mit den übli­chen Abschreckungsbegriffen wie Kuba oder Nordkorea alles vom Tisch zu fegen.

Wenn wir auf die­ser Erde nicht zu radi­ka­len Maßnahmen kom­men, unse­re Lebensweise den wis­sen­schaft­li­chen Erkenntnissen anpas­sen und Maßnahmen gegen den Klimawandel nur regio­nal durch­set­zen, wer­den wir die Ziele nie­mals errei­chen. Die Kapitalisten und Egoisten sind ganz offen­sicht­lich zu vie­le und natür­lich zu mächtig. 

Im so genann­ten frei­en Westen braucht es ein neu­es Verständnis für den Wert der Demokratie. Die Frage ist, was genau den Aufstieg natio­na­lis­ti­scher, neo­kon­ser­va­ti­ver und im Kern ras­sis­ti­scher Regierungen beför­dert und ermög­licht hat. Wir reden so gern von unse­ren Werten, die zum Beispiel zur Zeit von der Ukraine ver­tei­digt werden. 

Hält eine Überprüfung unse­rer Werte lan­ge stand, wenn wir unse­ren Blick zum Beispiel auf die Südgrenze der EU rich­ten? Wie geht die EU mit Flüchtlingen um und was wird alles gegen unge­woll­te Migration unternommen? 

Wertegemeinschaft

Wie kön­nen wir es dul­den, dass Großbritannien (doch auch ein Mitglied unse­rer Wertegemeinschaft) Menschen, die auf Asyl hof­fen, nach Afrika abschie­ben und ihnen groß­zü­gi­ger­wei­se ein Asylverfahren für Ruanda ermöglichen? 

In den USA haben Demokraten und Republikaner jahr­zehn­te­lang dabei zuge­se­hen, wie die Menschen im Zentrum des Landes ihre Arbeit, ihre Existenz und ihren Glauben an ihr groß­ar­ti­ges Land ver­lo­ren haben. 

Dass sich die Parteien womög­lich dar­über wun­dern, dass die Enttäuschung, die Wut über eine solch ver­wahr­los­te, igno­ran­te Politik Menschen in die ers­te Reihe der Politik gespült hat, die dort vor allem unter mora­li­schen Gesichtspunkten nichts ver­lo­ren haben, ist bemerkenswert. 

Es gibt vie­le schlech­te Politiker und fol­ge­rich­tig schlech­te Politik. Vielleicht müs­sen wir uns mehr enga­gie­ren und unse­re Geschicke nicht Menschen über­las­sen, über die wir eine so schlech­te Meinung haben. Später ein­mal wer­den die Menschen die­ser simp­len Erkenntnis fol­gen. Dann gibt es ent­we­der einen gro­ßen Krieg oder eine Revolution (ver­mut­lich kei­ne friedliche!). 


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