Politik

Präsident Macron und die verlorenen Europäer

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H. Schulte

6 Min.

5 Kommentare

Die Kritik an Macrons jüngsten Äußerungen ist gewaltig. Medien und Politik in Deutschland und Europa scheinen sich in erdrückender Mehrheit einig. Vereinzelte Stimmen aber unterstützen Macrons Vorstoß zu einer europäischen strategischen Autonomie Europas. Dass der Zeitpunkt in mehrfacher Hinsicht schwierig ist – geschenkt. Es geht ums Grundsätzliche. Und da sehe ich Macron im Recht.

Unterschiedliche Interessenlagen

Die den Geheimarchiven der Amis abhanden gekommenen Informationen (Assange hat es nicht mal bedurft und trotzdem sitzt er inzwischen bereits vier Jahre in Haft) sollten hinreichend deutlich gemacht haben, welche Absichten die USA in der Ukraine in Wahrheit verfolgen. Es geht weniger um den Schutz der Ukraine oder Europas, es geht – wie immer – um den nachhaltigen politischen und militärischen Kampf gegen Russland. Es ist und bleibt der klassische Stellvertreterkrieg, der das Existenzrisiko Europas und Deutschlands lediglich vergrößert.

Viele verhalten sich mMn an diesem wichtigen Punkt ideenlos. Sie zeigen sich so der gewaltigen Verantwortung für dieses technokratische, lahme Monster namens EU kaum gewachsen. Stattdessen brabbeln sie und kritisieren denjenigen, der ausgesprochen hat, was nicht wenige ähnlich sehen werden wie Macron.

Wenig Bewegung in Europa

Einerseits hören wir von Politikern, dass wir unser Land nach Jahren militärischer Agonie wieder in die Lage versetzen müssen, uns zu verteidigen. Die europäischen Länder, inkl. Deutschlands, sollen gegen beliebige Aggressoren auch ohne Hilfe der Amerikaner auskommen.

Andererseits lassen wir jedoch zu, dass die Amerikaner durch ihr aggressives imperialistisches Handeln, den Frieden gefährden. Aus Sicht vieler Leute, so ist mein Eindruck, nicht weniger als Russlands Terrorfürst Wladimir Putin.

Macron hat bekanntlich immer wieder Versuche unternommen, die europäischen Länder zu stärkerer Zusammenarbeit zu bewegen und so die Interessen der Europäischen Union in den Beziehungen zu den Großmächten dieser Welt klarer (stärker) zu positionieren.

Deutschlands Trägheit

Dass Merkel auf seine vor Jahren gehaltene Sorbonne-Rede eigentlich kaum reagiert hat, hatte keine Auswirkungen. Dem Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich, vor allem jedoch der innereuropäischen Gesamtheit und Stärke hat die deutsche Ignoranz nicht gutgetan.

Es ist dringend erforderlich, den in Sonntagsreden gemachten Ansagen an die Stärkung Europas (EU) Taten folgen zu lassen. Ich fand Macrons diesbezügliche Aussagen so vollkommen überzeugend, dass ich mich nur wundern kann, wie falsch Politik und Medien in Deutschland überwiegend reagiert haben.

Was wird unsere Vasallentreue gegenüber den USA bringen, wenn Trump oder einer seiner politischen „Ziehsöhne“ mit dem stark belasteten Bündnis aufräumen werden? Wie wird unsere Öffentlichkeit reagieren, wenn die Amis nicht mehr die heißen Kartoffeln für uns aus dem Feuer holen werden und wir unsere Interessen selbst wahren müssen? Die Präsidentschaft Macrons könnte zu diesem Zeitpunkt bereits Geschichte sein und im schlimmsten Falle eine rechts- oder linksextreme Partei die La Grande Nation regieren.

Schließlich sind die Proteste der Franzosen gegen die unverschämte Verschiebung des Renteneintrittsalters längst nicht vorbei. Wie die deutsche Presse Macrons Durchregieren an diesem Punkt beurteilt, ist ein Thema für sich. Macrons diverse Reformen, um die Perspektiven seines Landes zu verbessern, zeigten ihre Erfolge. Dass die dennoch wachsende Staatsverschuldung jede (auch rechte und linke) Regierungen zu Maßnahmen zwingen würde, sehen die Franzosen nicht. Na, bei uns wär’s nicht anders.

Warum sollte das Renteneintrittsalter auch in Frankreich erhöht werden?


Einer der wichtigsten Gründe ist, dass die Lebenserwartung in Frankreich und anderen Ländern in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist, was zu einem längeren Zeitraum führt, in dem die Rentner Rente beziehen müssen. Um sicherzustellen, dass das Rentensystem nachhaltig bleibt, müssen die Regierungen daher das Renteneintrittsalter erhöhen, um die zusätzlichen Kosten zu decken.

Ein weiterer Grund für die Änderung des Renteneintrittsalters in Frankreich ist die zunehmende Zahl älterer Arbeitnehmer, die länger im Beruf bleiben und später in den Ruhestand gehen. Wenn ältere Arbeitnehmer länger im Beruf bleiben, kann dies die Beschäftigungsmöglichkeiten für jüngere Arbeitnehmer einschränken, da weniger Stellen frei werden.

Weiterhin spielen auch wirtschaftliche und demografische Faktoren eine Rolle. In vielen Ländern, einschließlich Frankreich, geht die Zahl der jungen Menschen zurück, während die Zahl der älteren Menschen steigt.

Quelle: ChatGPT

Wer steht zur USA? Deutschlands Bevölkerung nicht ganz.

Ein paar skandinavische Länder werden diese Änderungen wohl gelassener nehmen als wir Deutsche. Von Italien, Ungarn, Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz gar nicht zu reden. In vielen Ländern wird das EU-kritische Lager stärker. Verabredungen im Sinne der EU und Europas werden nicht leichter zu treffen sein. Vielleicht ist die Zeit gekommen, die letzte Chance zur Entwicklung einer echten Strategie im Sinne Macrons und Europas zu wahren!

Ich fürchte, dass die Schwerfälligkeit der EU-Apparatschiks und die Mutlosigkeit der deutschen Ampelregierung, die über hohle Schwüre hinaus nichts zustande bringt, die Zukunft der EU und Europas auch weiterhin aufschiebt und die von Macron geforderte Strategie nur Gerede bleibt.

VOR
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Horst Schulte
Herausgeber, Blogger, Autor und Hobby-Fotograf
Seit 2004 blogge ich über Politik und Gesellschaft – also seit die meisten noch SMS statt Tweets geschrieben haben. Mit 70 Jahren lebe ich immer noch im schönen Bedburg, direkt vor den Toren Kölns, und schreibe über alles, was die Welt bewegt (oder mich zumindest vom Sofa aufstehen lässt).
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5 Gedanken zu „Präsident Macron und die verlorenen Europäer“

  1. Rentenpolitik ist Landespolitik. Sie muss zwar gewisse Standards erfüllen, aber auch da ist das Papier geduldig.

    Der Fehler der EU ist immer noch der Gleiche: Sie war ist und bleibt bislang ein Wirtschaftskonstrukt. Das hätte man spätestens in den 90ern ändern müssen. Was wurde eigentlich aus den Brüsseler Butterbergen?
    Derzeit verbraten da auch die Üblichen fach: Deloitte, KPMG, Blackrock, etc.
    Natürlich kann es bei solchen Fehlentwicklungen (ich empfehle dazu auch gerne den Bericht aus Brüssel mit Martin Sonneborn) keine Souveränität Europas geben. Da müsste man schon die EU neu stricken, was natürlich so wenig passieren wird, wie sich auf die richtige Zeit im Jahr zu einigen. Die Chinesen wissen das. Daher haben die auch eher nach innen gelächelt, als Moorbranduschi vor dem Gipfel noch schnell zum Appell bei den Amis in deren Botschaft antrat.

    Die Forderung von Macron ist daher leider reine Symbolpolitik, wenn auch gut gemeint.

    Vielen europäischen Ländern gelingt es ja nicht mal mehr, eigene Staatsziele zu formulieren, geschweige denn umzusetzen. Wie sollte das denn dann in und mit der EU klappen?

    Die EU lebt von der Umverteilung von Geldern und Krediten. Das reicht in solchen Fällen nicht.

    Mit den so hochgelobten Amis haben wir jedenfalls nur eher selten gemeinsame Interessen, vor allem innerhalb des europäischen Kontinents.

    Das ist aber nichts Neues.

    Warum hat es die Dekaden davor eigentlich geklappt, mit China un Taiwan ohne viel Aufhebens zu Handeln und zu Verhandeln?

    Warum sollte man da nicht wieder hinkommen können?

    Weil etliche des Spitzenpersonals nicht ihre angestrebte Altersrente mit Gastprofessur in Florida oder Kalifornien verbringen können?

    Antworten
    • Es ist deprimierend. Wir werden von einer Politikkaste regiert, die es nicht drauf hat. Die einen sind vollkommen uninspiriert, die anderen spinnen herum und geben dem Land den Rest. Auf internationaler Ebene sieht es allerdings leider nicht besser aus.

      Antworten
      • Das sehe ich anders. Würden im weissen Haus deutsche Einflussagenten sitzen, die die Amis zwingen würden Dr Oetker anstelle von Dr Pepper zu kaufen, hätten sie die schon längst erschossen!

        Würde in Texas im TV und Radio ständig laufen, was in Berlin gerade los ist und warum der Anzug von Olaf Scholz nicht gut sitzt und wie man die Polen wieder zurück zur Demokratie bringt, gefolgt von dem Fussballspiel Bayern gegen RB, dann würden da die Sender brennen.

        Die haben zwar nicht mal ein vernünftiges Stromnetz und Straßen, die man ohne Spezialfederung befahren kann, aber einen Plan für sich und die Welt haben sie. Und zur Not eine Knarre, um entweder sich selbst oder besser die anderen zu richten haben sie auch.

        Das haben auch viele andere Länder. Ich empfehle nachdrücklich internationale Presse zu bemühen, fernab von unserer aktuellen Kamera wird man besser informiert, bekommt andere Sichtweisen und selbst die Geschichten und Zeitungsenten sind oft origineller.

        Antworten
        • Wenn ich dich richtig verstehe, siehst du die Ursachen für das Versagen dieser Bundesregierung im Einfluss der USA? Ich glaube schon, dass wir diese Leute gewählt und vielleicht ein Stück weit auch verdient haben. Was die Demokratie in den Vereinigten Staaten anlangt, nun dazu gäbe es viel zu sagen. Vor allem, dass das in meinen Augen keine Demokratie ist. Vielleicht sogar nie war.

  2. Das gesellschaftliche Versagen liegt eher daran. Das Politische ist eine Mixtur, wobei man immer auch schauen muss, von wem die fachmännisch so verbraten werden (KPMG, Deloitte, McKinsey, Blackrock, etc.).

    Demokratie ist das weder hüben noch drüben. Das bei uns nun auch mal ein paar mehr Parteien dabei sind, sagt leider nichts aus. Die Frage ist ja auch, was die machen. Funktioniert die Opposition, etc.?

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