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Deutschland ist demokratisch, am Ende sogar zu demokratisch?

Was wird in Sachsen pas­sie­ren, wenn das Land von der AfD regiert wird? Ich mag es mir nicht ausmalen.

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In Sachsen deu­tet sich an, dass ein Landtag ohne Grüne, SPD und FDP in rea­lis­ti­sche Nähe rückt. Es kann pas­sie­ren, dass Ampel-​Parteien in Sachsen unter die 5 % – Hürde rut­schen. Ist die Demokratie in Gefahr? AfD und CDU könn­ten Sachsen und letz­ten Endes Deutschland ins­ge­samt in einer Weise ver­än­dern, an die eine Mehrheit im Land nicht ein­mal den­ken möchte.

Vielleicht sind die Leute nir­gends kri­ti­scher. Das soll his­to­risch belegt sein und auf die­se Sonderstellung schei­nen die Sachsen stolz zu sein. Nun ja, ich neh­me die Ostdeutschen gene­rell, wie vie­le im Westen, als Querulanten wahr. Dass das dar­an liegt, dass ich mei­ne Biografie so gar nicht mit einer ost­deut­schen ver­glei­chen kann, ist unbe­streit­bar. Aber wer die Demokratie gefähr­det – und genau das pas­siert in eini­gen ande­ren Ländern in die glei­che Richtung – kann nicht auf mei­ne Sympathie zäh­len. Es könn­te ums Ganze gehen.

Ich bin nicht für ein Verbot der AfD. Das wäre die fal­sche Maßnahme. Leider habe ich heu­te kei­ne Idee, wie man kurz- und mit­tel­fris­tig die­se Fixierung auf eine Partei ver­än­dern könn­te. Eine bes­se­re Politik? Ja, das sagt sich so leicht. 

Was hat sich vor allem die SPD alles anhö­ren müs­sen, als es um den Verzicht auf bil­li­ges Gas und Öl aus Russland ging. Wie konn­te sich Merkel nur so abhän­gig von rus­si­schem Erdgas machen? 

Wer dar­über nach­denkt, der könn­te inzwi­schen end­gül­tig begrif­fen haben, war­um das so gewe­sen ist. Dass sich man­che (nicht nur die AfD und ihre Sympathisanten) dar­über auf­re­gen, was wir mit unse­rer mora­lisch ach so unta­de­li­gen Handlungsweise ange­rich­tet haben, erken­nen wir erst nach und nach. Dass es Warnungen zum Zeitpunkt der anste­hen­den Entscheidungen gab, wur­de ver­drängt. Dafür wer­den die Auswirkungen u.U. sehr lang und trost­los sein.

Die star­ke deut­sche Industrie jam­mert nun über zu hohe Energiepreise. Statt ihre Interessen laut und klar zu ver­tre­ten, hal­ten ihre Funktionäre lie­ber in Bezug auf die bis­he­ri­gen Energiebezugsquellen den Mund und die Regierung wird statt­des­sen auf­ge­for­dert, die erneu­er­ba­ren Energien schnellst­mög­lich aus­zu­bau­en. Wem möch­te man damit etwas bewei­sen? Bis die Wirkung des Ausbaus viel­leicht irgend­wann ein­setzt, wird womög­lich noch viel Zeit ver­ge­hen. Bis dahin kann vie­les geschehen.

Ich könn­te die Themen auf­lis­ten, die unser Land pola­ri­sie­ren. Das ist hin­läng­lich gemacht wor­den. Was aller­dings in die­sen Listen sel­ten als Thema auf­taucht, ist die fre­che und natür­lich auch nie beleg­te Behauptung, dass Deutschland doch eigent­lich kei­ne Demokratie sei. 

Wir machen uns Gedanken dar­über, dass unser Parlament viel zu groß ist und auch dies dafür spricht, dass sich die Parteien den Staat unter den Nagel geris­sen haben. Ja, wenn es mal so ein­fach wäre. Dass das nächs­te Parlament deut­lich klei­ner wird, weil die Ampel end­lich die Voraussetzungen dafür geschaf­fen hat, bleibt umstrit­ten. Die einen sagen, es gibt immer noch zu vie­le Abgeordnete, die ande­ren sehen die Unionsparteien (CSU) in ihren Chancen unzu­läs­sig beschnit­ten. Beides ist richtig.

Das ist nur ein klei­nes Beispiel dafür, dass Demokratie, so beschwer­lich sie ist, zu Entscheidungen kommt. Dass die­se meis­tens Kompromisslösungen sind, liegt in der Natur der Sache.

Wir leben in einem Land, in dem alle mit­re­den. Übrigens sind heu­te dabei gesell­schaft­li­cher Minderheiten viel lau­ter in Erscheinung getre­ten als je zuvor. Man mag das kri­tisch sehen, weil bestimm­te Gruppen die­se neu­en Möglichkeiten ein wenig exzes­siv nut­zen und damit wie­der­um den Widerstand der­je­ni­gen her­aus­for­dern, die – ich sage es vor­sich­tig – eher aus einer kon­ser­va­ti­ven Sicht auf die Dinge schau­en. Nicht jeder, der tra­dier­te Werte ver­tei­digt, ist ein Reaktionär.

Dass die­se Regierung sich selbst als Fortschrittsregierung prä­sen­tiert hat, ist ange­sichts der inter­nen Streitigkeiten und der damit ver­bun­de­nen gegen­sei­ti­gen Blockade, voll­ends in den Hintergrund gerückt. Das wirkt sich lei­der nicht nur auf den damit ver­bun­de­nen Anspruch aus, son­dern natür­lich auf die Wahrnehmung in der Gesamtbevölkerung. Das zahlt ein auf die Umfragewerte der AfD.

Dass ein unheil­vol­les Hochschaukeln von dem, was in den aso­zia­len Medien ver­han­delt wird, aber zuvor in nicht gerin­ger Anzahl von tra­di­tio­nel­len Medien als Themen gesetzt wur­de, wer­den die Journalisten begrif­fen haben. Sie reflek­tie­ren die­se Zusammenhänge jedoch nicht öffent­lich. Eine Änderung des Vorgehens erfolgt nicht. Daran mag man erken­nen, wie exis­ten­zi­ell die schlech­te Lage der Zeitungen und Verlage ist, es ändert nichts an der Gefährlichkeit die­ses Zusammenspiels für unse­re Demokratie. 

Die öffentlich-​rechtlichen Medien bespie­len die­ses Feld, obwohl sie finan­zi­ell im Vergleich auf Rosen gebet­tet sind. 

Ein Überdenken der eige­nen Verantwortung ist nicht erkenn­bar. Ich glau­be, Politik wird über die Rundfunkräte eine Veränderung errei­chen. Aber wir sind in Deutschland und das dau­ert. Ich glau­be, die Intendanten der Sender las­sen ten­den­zi­ell alles so lau­fen wie bis­her. Nicht, weil man glaubt, auf der rich­ti­gen Seite zu ste­hen oder dass die Gebühren eine Art Demokratieabgabe sei­en (wie der WDR-​Programmdirektor Information, Fiktion und Unterhaltung, Jörg Schönenborn ein­mal sag­te), son­dern weil sie wis­sen, dass ihre Schiffe zum Untergang ver­dammt sind. Statt einer Reformation liegt den Sender-​Verantwortlichen eher dar­an, die bestehen­den Verhältnisse, solan­ge es irgend geht, wei­ter­zu­füh­ren. Die Höhe der umstrit­te­nen Bezüge der Intendanten legen das, glau­be ich, nahe.

Wenn wir uns anse­hen, wie vie­le Menschen in unse­rem Land bei den Themen (nicht nur den stark pola­ri­sie­ren­den) mit­re­den, kann man doch wirk­lich nicht davon reden, dass Deutschland kei­ne Demokratie sei. Ja, bei vie­len Verzögerungen auf allen mög­li­chen Feldern spielt auch die Bürokratie eine Rolle.

Warum kom­men wir bei Stromtrassen nicht vor­an, war­um brau­chen wir so vie­le Jahre bis ein neu­er Windpark errich­tet wird, war­um wer­den Bahntrassen für Hochgeschwindigkeitszüge nicht im geplan­ten Zeitraum fer­tig? Das sind nur ein paar Beispiele. In allen Fällen spie­len Bürgereingaben, Klagen und Proteste eine Rolle. 

So furcht­bar ich das auch fin­de und alle jam­mern ja eigent­lich über die zulan­gen Planungs- und Umsetzungszeiträume, das ist ande­rer­seits der Beleg für eine – wenn man so will – funk­tio­nie­ren­de Demokratie. Alle dür­fen mit­re­den, alle kön­nen ihre Rechte wahr­neh­men. Jeder hat was zu sagen und tut das auch. Und dann wun­dern sich am Ende noch die glei­chen Leute dar­über, dass in die­sem Land nichts weitergeht?

Hallo!? Ja! Deutschland ist eine funk­tio­nie­ren­de Demokratie! Die Institutionen arbei­ten, und wir leben in Freiheit und noch in rela­ti­vem Reichtum. Ich bestrei­te nicht, dass im Kontext der Coronapandemie auch poli­tisch schwe­re Fehler gemacht wur­den. Für den Umgang damit gab es aller­dings kei­ne Blaupause, wie es immer so schön heißt. Aber das stimmt ja auch. Und nir­gends auf der Welt ist man feh­ler­frei mit die­ser Ausnahmesituation umge­gan­gen. Daraus kann doch nie­mand, der noch alle Tassen im Schrank hat, ablei­ten, Deutschland sei kei­ne Demokratie.

Was mir übri­gens auch kom­plett gegen den Strich geht, ist, dass jeder Vorschlag aus der Regierung (das war auch schon unter Merkel nicht anders) Funktionäre der betrof­fe­nen gesell­schaft­li­chen Gruppen ihre nega­ti­ven Anmerkungen machen. Es ist ja fast schon ein posi­ti­ver Kommentar, wenn einer sagt: „Das geht in die rich­ti­ge Richtung…” Es folgt sogleich ein Aber… Dieses fol­gen­de „Aber” soll­ten die Herrschaften bes­ser mal ste­cken las­sen. Das ist fast so vor­her­seh­bar wie das schon in der Anmoderation ein­set­zen­de, pene­tran­te Nicken eines Frank Bethmann von den ZDF-Börsennachrichten. 

Das, lie­be Leser, sind kei­ne kon­struk­ti­ven Beiträge. Ich hal­te das Gequatsche oft für Wichtigtuerei von eben­die­sen Funktionären, die mög­li­cher­wei­se ihre eigent­li­chen Aufgaben und ihren Teil der Verantwortung für das Ganze nicht ver­stan­den haben. Opportunisten gibt es lei­der zu vie­le im Land. War das schon immer so oder sind die durch die „neu­en Möglichkeiten”, sprich aso­zia­len Medien, erst in die­se für sie so kom­for­ta­ble Lage gekommen?


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