Deutschland ist demokratisch, am Ende sogar zu demokratisch?

Was wird in Sach­sen pas­sie­ren, wenn das Land von der AfD regiert wird? Ich mag es mir nicht ausmalen.

7 Minute/n


Merken

0

In Sach­sen deu­tet sich an, dass ein Land­tag ohne Grü­ne, SPD und FDP in rea­lis­ti­sche Nähe rückt. Es kann pas­sie­ren, dass Ampel-Par­tei­en in Sach­sen unter die 5 % – Hür­de rut­schen. Ist die Demo­kra­tie in Gefahr? AfD und CDU könn­ten Sach­sen und letz­ten Endes Deutsch­land ins­ge­samt in einer Wei­se ver­än­dern, an die eine Mehr­heit im Land nicht ein­mal den­ken möchte.

Viel­leicht sind die Leu­te nir­gends kri­ti­scher. Das soll his­to­risch belegt sein und auf die­se Son­der­stel­lung schei­nen die Sach­sen stolz zu sein. Nun ja, ich neh­me die Ost­deut­schen gene­rell, wie vie­le im Wes­ten, als Que­ru­lan­ten wahr. Dass das dar­an liegt, dass ich mei­ne Bio­gra­fie so gar nicht mit einer ost­deut­schen ver­glei­chen kann, ist unbe­streit­bar. Aber wer die Demo­kra­tie gefähr­det – und genau das pas­siert in eini­gen ande­ren Län­dern in die glei­che Rich­tung – kann nicht auf mei­ne Sym­pa­thie zäh­len. Es könn­te ums Gan­ze gehen.

Ich bin nicht für ein Ver­bot der AfD. Das wäre die fal­sche Maß­nah­me. Lei­der habe ich heu­te kei­ne Idee, wie man kurz- und mit­tel­fris­tig die­se Fixie­rung auf eine Par­tei ver­än­dern könn­te. Eine bes­se­re Poli­tik? Ja, das sagt sich so leicht. 

Was hat sich vor allem die SPD alles anhö­ren müs­sen, als es um den Ver­zicht auf bil­li­ges Gas und Öl aus Russ­land ging. Wie konn­te sich Mer­kel nur so abhän­gig von rus­si­schem Erd­gas machen? 

Wer dar­über nach­denkt, der könn­te inzwi­schen end­gül­tig begrif­fen haben, war­um das so gewe­sen ist. Dass sich man­che (nicht nur die AfD und ihre Sym­pa­thi­san­ten) dar­über auf­re­gen, was wir mit unse­rer mora­lisch ach so unta­de­li­gen Hand­lungs­wei­se ange­rich­tet haben, erken­nen wir erst nach und nach. Dass es War­nun­gen zum Zeit­punkt der anste­hen­den Ent­schei­dun­gen gab, wur­de ver­drängt. Dafür wer­den die Aus­wir­kun­gen u.U. sehr lang und trost­los sein.

Die star­ke deut­sche Indus­trie jam­mert nun über zu hohe Ener­gie­prei­se. Statt ihre Inter­es­sen laut und klar zu ver­tre­ten, hal­ten ihre Funk­tio­nä­re lie­ber in Bezug auf die bis­he­ri­gen Ener­gie­be­zugs­quel­len den Mund und die Regie­rung wird statt­des­sen auf­ge­for­dert, die erneu­er­ba­ren Ener­gien schnellst­mög­lich aus­zu­bau­en. Wem möch­te man damit etwas bewei­sen? Bis die Wir­kung des Aus­baus viel­leicht irgend­wann ein­setzt, wird womög­lich noch viel Zeit ver­ge­hen. Bis dahin kann vie­les geschehen.

Ich könn­te die The­men auf­lis­ten, die unser Land pola­ri­sie­ren. Das ist hin­läng­lich gemacht wor­den. Was aller­dings in die­sen Lis­ten sel­ten als The­ma auf­taucht, ist die fre­che und natür­lich auch nie beleg­te Behaup­tung, dass Deutsch­land doch eigent­lich kei­ne Demo­kra­tie sei. 

Wir machen uns Gedan­ken dar­über, dass unser Par­la­ment viel zu groß ist und auch dies dafür spricht, dass sich die Par­tei­en den Staat unter den Nagel geris­sen haben. Ja, wenn es mal so ein­fach wäre. Dass das nächs­te Par­la­ment deut­lich klei­ner wird, weil die Ampel end­lich die Vor­aus­set­zun­gen dafür geschaf­fen hat, bleibt umstrit­ten. Die einen sagen, es gibt immer noch zu vie­le Abge­ord­ne­te, die ande­ren sehen die Uni­ons­par­tei­en (CSU) in ihren Chan­cen unzu­läs­sig beschnit­ten. Bei­des ist richtig.

Das ist nur ein klei­nes Bei­spiel dafür, dass Demo­kra­tie, so beschwer­lich sie ist, zu Ent­schei­dun­gen kommt. Dass die­se meis­tens Kom­pro­miss­lö­sun­gen sind, liegt in der Natur der Sache.

Wir leben in einem Land, in dem alle mit­re­den. Übri­gens sind heu­te dabei gesell­schaft­li­cher Min­der­hei­ten viel lau­ter in Erschei­nung getre­ten als je zuvor. Man mag das kri­tisch sehen, weil bestimm­te Grup­pen die­se neu­en Mög­lich­kei­ten ein wenig exzes­siv nut­zen und damit wie­der­um den Wider­stand der­je­ni­gen her­aus­for­dern, die – ich sage es vor­sich­tig – eher aus einer kon­ser­va­ti­ven Sicht auf die Din­ge schau­en. Nicht jeder, der tra­dier­te Wer­te ver­tei­digt, ist ein Reaktionär.

Dass die­se Regie­rung sich selbst als Fort­schritts­re­gie­rung prä­sen­tiert hat, ist ange­sichts der inter­nen Strei­tig­kei­ten und der damit ver­bun­de­nen gegen­sei­ti­gen Blo­cka­de, voll­ends in den Hin­ter­grund gerückt. Das wirkt sich lei­der nicht nur auf den damit ver­bun­de­nen Anspruch aus, son­dern natür­lich auf die Wahr­neh­mung in der Gesamt­be­völ­ke­rung. Das zahlt ein auf die Umfra­ge­wer­te der AfD.

Dass ein unheil­vol­les Hoch­schau­keln von dem, was in den aso­zia­len Medi­en ver­han­delt wird, aber zuvor in nicht gerin­ger Anzahl von tra­di­tio­nel­len Medi­en als The­men gesetzt wur­de, wer­den die Jour­na­lis­ten begrif­fen haben. Sie reflek­tie­ren die­se Zusam­men­hän­ge jedoch nicht öffent­lich. Eine Ände­rung des Vor­ge­hens erfolgt nicht. Dar­an mag man erken­nen, wie exis­ten­zi­ell die schlech­te Lage der Zei­tun­gen und Ver­la­ge ist, es ändert nichts an der Gefähr­lich­keit die­ses Zusam­men­spiels für unse­re Demokratie

Die öffent­lich-recht­li­chen Medi­en bespie­len die­ses Feld, obwohl sie finan­zi­ell im Ver­gleich auf Rosen gebet­tet sind. 

Ein Über­den­ken der eige­nen Ver­ant­wor­tung ist nicht erkenn­bar. Ich glau­be, Poli­tik wird über die Rund­funk­rä­te eine Ver­än­de­rung errei­chen. Aber wir sind in Deutsch­land und das dau­ert. Ich glau­be, die Inten­dan­ten der Sen­der las­sen ten­den­zi­ell alles so lau­fen wie bis­her. Nicht, weil man glaubt, auf der rich­ti­gen Sei­te zu ste­hen oder dass die Gebüh­ren eine Art Demo­kra­tie­ab­ga­be sei­en (wie der WDR-Pro­gramm­di­rek­tor Infor­ma­ti­on, Fik­ti­on und Unter­hal­tung, Jörg Schö­nen­born ein­mal sag­te), son­dern weil sie wis­sen, dass ihre Schif­fe zum Unter­gang ver­dammt sind. Statt einer Refor­ma­ti­on liegt den Sen­der-Ver­ant­wort­li­chen eher dar­an, die bestehen­den Ver­hält­nis­se, solan­ge es irgend geht, wei­ter­zu­füh­ren. Die Höhe der umstrit­te­nen Bezü­ge der Inten­dan­ten legen das, glau­be ich, nahe.

Wenn wir uns anse­hen, wie vie­le Men­schen in unse­rem Land bei den The­men (nicht nur den stark pola­ri­sie­ren­den) mit­re­den, kann man doch wirk­lich nicht davon reden, dass Deutsch­land kei­ne Demo­kra­tie sei. Ja, bei vie­len Ver­zö­ge­run­gen auf allen mög­li­chen Fel­dern spielt auch die Büro­kra­tie eine Rolle.

War­um kom­men wir bei Strom­tras­sen nicht vor­an, war­um brau­chen wir so vie­le Jah­re bis ein neu­er Wind­park errich­tet wird, war­um wer­den Bahn­tras­sen für Hoch­ge­schwin­dig­keits­zü­ge nicht im geplan­ten Zeit­raum fer­tig? Das sind nur ein paar Bei­spie­le. In allen Fäl­len spie­len Bür­ger­ein­ga­ben, Kla­gen und Pro­tes­te eine Rolle. 

So furcht­bar ich das auch fin­de und alle jam­mern ja eigent­lich über die zulan­gen Pla­nungs- und Umset­zungs­zeit­räu­me, das ist ande­rer­seits der Beleg für eine – wenn man so will – funk­tio­nie­ren­de Demo­kra­tie. Alle dür­fen mit­re­den, alle kön­nen ihre Rech­te wahr­neh­men. Jeder hat was zu sagen und tut das auch. Und dann wun­dern sich am Ende noch die glei­chen Leu­te dar­über, dass in die­sem Land nichts weitergeht?

Hal­lo!? Ja! Deutsch­land ist eine funk­tio­nie­ren­de Demo­kra­tie! Die Insti­tu­tio­nen arbei­ten, und wir leben in Frei­heit und noch in rela­ti­vem Reich­tum. Ich bestrei­te nicht, dass im Kon­text der Coro­na­pan­de­mie auch poli­tisch schwe­re Feh­ler gemacht wur­den. Für den Umgang damit gab es aller­dings kei­ne Blau­pau­se, wie es immer so schön heißt. Aber das stimmt ja auch. Und nir­gends auf der Welt ist man feh­ler­frei mit die­ser Aus­nah­me­si­tua­ti­on umge­gan­gen. Dar­aus kann doch nie­mand, der noch alle Tas­sen im Schrank hat, ablei­ten, Deutsch­land sei kei­ne Demo­kra­tie.

Was mir übri­gens auch kom­plett gegen den Strich geht, ist, dass jeder Vor­schlag aus der Regie­rung (das war auch schon unter Mer­kel nicht anders) Funk­tio­nä­re der betrof­fe­nen gesell­schaft­li­chen Grup­pen ihre nega­ti­ven Anmer­kun­gen machen. Es ist ja fast schon ein posi­ti­ver Kom­men­tar, wenn einer sagt: „Das geht in die rich­ti­ge Rich­tung…“ Es folgt sogleich ein Aber… Die­ses fol­gen­de „Aber“ soll­ten die Herr­schaf­ten bes­ser mal ste­cken las­sen. Das ist fast so vor­her­seh­bar wie das schon in der Anmo­de­ra­ti­on ein­set­zen­de, pene­tran­te Nicken eines Frank Beth­mann von den ZDF-Börsennachrichten. 

Das, lie­be Leser, sind kei­ne kon­struk­ti­ven Bei­trä­ge. Ich hal­te das Gequat­sche oft für Wich­tig­tue­rei von eben­die­sen Funk­tio­nä­ren, die mög­li­cher­wei­se ihre eigent­li­chen Auf­ga­ben und ihren Teil der Ver­ant­wor­tung für das Gan­ze nicht ver­stan­den haben. Oppor­tu­nis­ten gibt es lei­der zu vie­le im Land. War das schon immer so oder sind die durch die „neu­en Mög­lich­kei­ten“, sprich aso­zia­len Medi­en, erst in die­se für sie so kom­for­ta­ble Lage gekommen?

Diesen Beitrag teilen:
0CDD5CFF 182F 485A 82C6 412F91E492D0
Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Demokratie Deutschland Sachsen

Quelle Featured-Image: Standardbild...

Letztes Update:

Anzahl Wörter im Beitrag: 1276
Aufgerufen gesamt: 63 mal
Aufgerufen letzte 7 Tage: 7 mal
Aufgerufen heute: 1 mal

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


✅ Beitrag gemerkt! Favoriten anzeigen
0
Share to...
Your Mastodon Instance