Tarifvertragsbindungen nehmen ab. Die Arbeitnehmer haben das Nachsehen.

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Im WDR Fernsehen wird heu­te berich­tet, dass sich Tarifvertragsbindungen wei­ter­hin auf dem Rückzug befin­den. Der Redaktion ist dazu ein­ge­fal­len, dass das Land NRW dar­an eine Mitverantwortung trägt. 

Beanstandet wird, dass bei der Vergabe von Aufträgen nicht dar­auf geach­tet wer­de, dass die Auftragnehmer tarif­ver­trag­li­chen Bindungen unter­lie­gen. Ich glau­be, es ist so, dass vie­le gro­ße Aufträge auf­grund des euro­päi­schen Rechts nicht im Land, son­dern euro­pa­weit aus­ge­schrie­ben werden. 

Zum Beispiel arbei­ten laut einer Studie tarif­los Beschäftigte im Durchschnitt wöchent­lich fast eine Stunde mehr und ver­die­nen etwa zehn Prozent weni­ger. Zwar gebe es auch tarif­los Beschäftigte, die deut­lich mehr ver­die­nen als es der Tarifvertrag vor­sieht, sagt Torsten Schulten vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerk­schafts­na­hen Hans-​Böckler-​Stiftung. Aber für die meis­ten Beschäftigten habe eine Anstellung nach Tarifvertrag mehr Vor- als Nachteile.

Quelle: WDR

Seit Jahren gehen die­se Bindungen zurück. Ständig wird beklagt, dass dies der Fall ist und der Ball wird (wie gewohnt) an die Politik gespielt. Wie steht es um die Verantwortung der Arbeitnehmer? Sind sie noch orga­ni­siert in Gewerkschaften und wür­de ein hoher Organisationsgrad nicht hel­fen, ein bes­se­res Niveau der Löhne und Gehälter zu erzie­len? Innerhalb der EU liegt Deutschland übri­gens auf dem 18. Rang, was tarif­ver­trag­li­che Bindungen anlangt. 

Ich fän­de es statt die­ses ziem­lich ein­fa­chen Vorwurfs an die Politik inter­es­sant, sol­che Antworten auf die­se Fragen zu betrachten:

1.) Wie ver­hält sich das denn in einem sol­chen Fall? Wie ist der EU-​weite Organisationsgrad der Belegschaften? Hier wer­den die Mitgliedsländer dies­be­züg­lich ein­zeln dar­ge­stellt. Rosig ist dort der Organisationsgrad nicht.

2.) Wie hat sich der Organisationsgrad inner­halb Deutschlands in den ver­gan­ge­nen Jahrzehnten ver­än­dert? Ist es nicht so, dass die Arbeitnehmer jah­re­lang nur über die Arbeit der Gewerkschaften geschimpft haben und ist nicht der Organisationsgrad und damit der Einfluss von Gewerkschaften in der Fläche rück­läu­fig? Ja, und zwar gewal­tig. 1994 hat­te der DGB noch 9,8 Mio. Mitglieder, 2022 waren es noch 5,6 Mio. 

Die Wahrheit ist, dass in Deutschland im Vergleich zu ande­ren Ländern die soge­nann­te Allgemeinverbindlichkeitserklärung aus­ge­blie­ben ist. Sie könn­te (es wird seit Jahren dar­über dis­ku­tiert, aber nicht mit dem nöti­gen Druck gehan­delt) hin­sicht­lich der Tarifbindung Wirkung ent­fal­ten. In ande­ren west­eu­ro­päi­schen Ländern wird es bes­ser gehand­habt (sie­he Abb. Hans-Böckler-Stiftung). 

Minister Laumann könn­te genau dies auch für Deutschland for­dern bzw. für die Umsetzung sor­gen. Das macht er aber nicht. Stattdessen will er den Unternehmen den Vorzug geben, die Tarifbindungen unter­lie­gen. Das ist doof, weil die rich­tig gro­ßen Aufträge auf­grund euro­päi­scher Rechtsverordnungen gar nicht an deut­sche Unternehmen ver­ge­ben wer­den. Zudem haben deut­sche Arbeitnehmer nichts davon. Dort, also im EU-​Ausland, sind oft­mals die tarif­li­chen Bindungen des­halb Normalität, weil, wie erwähnt, die Allgemeinverbindlichkeitserklärung in höhe­ren Prozentwerten existiert. 


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2 Gedanken zu „Tarifvertragsbindungen nehmen ab. Die Arbeitnehmer haben das Nachsehen.“

  1. Als es noch die GHK in NRW gab, hat die­se mit den Unternehmen gestimmt. Diese ist dort in der IGM auf­ge­gan­gen und es wur­de nichts bes­ser. Da blei­ben dann eini­ge Fragen. Trotzdem ist es natür­lich gut, wenn eine Gewerkschaft hin­ter einem ste­hen würde.

🐞 Auch kleine Gesten zählen.

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