Der Strukturwandel in Deutschland ist im vollen Gange. Das Tempo macht vielen Sorgen.

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Gibt es Indi­zi­en dafür, die von Kri­ti­kern als Hin­wei­se auf die „Schuld“ der aktu­el­len Bun­des­re­gie­rung an der angeb­lich wirt­schaft­lich so mise­ra­blen Situa­ti­on Deutsch­lands ange­se­hen wer­den könn­ten? Schließ­lich ist die­se Regie­rung mit einer Situa­ti­on kon­fron­tiert, in der kei­ne der Nach­kriegs­re­gie­run­gen sich befun­den haben dürfte.

Wirt­schafts­da­ten: Die Ana­ly­se von Kenn­zah­len wie dem Brut­to­in­lands­pro­dukt (BIP), der Arbeits­lo­sen­quo­te, dem Wachs­tum der Indus­trie und ande­ren wirt­schaft­li­chen Indi­ka­to­ren kann Auf­schluss dar­über geben, ob die Regie­rungs­po­li­tik posi­ti­ve oder nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf die Wirt­schaft hat.

Die­se Sta­tis­tik dazu fin­den Sie bei Sta​tis​ta​.de. Aller­dings sind die Wer­te nicht ganz aktu­ell. Bei den Wer­ten von 2023 und 2024 han­delt es sich um Pro­gno­sen, die durch neue Ent­wick­lun­gen über­holt sind. Die­se Daten vom Wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um stam­men aus dem Febru­ar 2024.


Poli­ti­sche Ent­schei­dun­gen: Die Regie­rungs­po­li­tik, ein­schließ­lich Steu­er­po­li­tik, Inves­ti­tio­nen in Infra­struk­tur, Bil­dung und Inno­va­ti­on, Regu­lie­rung des Arbeits­mark­tes sowie Maß­nah­men zur För­de­rung von Wachs­tum und Wett­be­werbs­fä­hig­keit, kann eine direk­te Aus­wir­kung auf die Wirt­schaft haben. Kri­ti­ker der Regie­rung atta­ckie­ren bestimm­te Ent­schei­dun­gen als inef­fek­tiv oder schädlich.

Der par­tei­po­li­ti­sche Nut­zen man­cher Atta­cken wird sich ange­sichts der gra­vie­ren­den Aus­wir­kun­gen auf die Zukunft unse­rer Wirt­schaft maxi­mal nega­tiv aus­wir­ken. Ich fin­de, wir reden unser Land in einer Art schlecht, dass man den Ein­druck bekommt, die Poli­tik geht über par­tei­po­li­ti­sche Kos­ten-/Nut­zen­rech­nun­gen nicht mehr hin­aus. Die Poli­tik Chris­ti­an Lind­ners ist dafür ein beson­ders merk­wür­di­ges und selbst­zer­stö­re­ri­sches Bei­spiel. Die FDP wird die­se merk­wür­di­ge Poli­tik nicht über­le­ben. Sie fliegt bei den nächs­ten Wah­len erneut aus dem Bun­des­tag. Ob sie je wie­der zurück­kehrt, ist unter die­sen Vor­aus­set­zun­gen fraglich.

Inter­na­tio­na­le Ver­glei­che: Der Ver­gleich der deut­schen Wirt­schafts­ent­wick­lung mit ande­ren Län­dern oder Regio­nen kann Anhalts­punk­te dafür lie­fern, ob die Poli­tik der aktu­el­len Regie­rung im Ver­gleich zu ande­ren erfolg­rei­cher oder weni­ger erfolg­reich ist.

Ande­re Län­der kom­men mit den wirt­schaft­li­chen Ver­än­de­run­gen nach dem Über­fall der Rus­sen auf die Ukrai­ne bes­ser zurecht. Sie waren nicht in die­sem Umfang abhän­gig von rus­si­schen fos­si­len Res­sour­cen wie unser Land. Dass ins­be­son­de­re aus den ost­eu­ro­päi­schen Län­dern seit Jah­ren mas­si­ve Kri­tik geübt wur­de, hat die alte Bun­des­re­gie­rung in ihrer Ein­schät­zung der Lage nicht irri­tiert. Vor die­sem Hin­ter­grund ist zu begrei­fen, war­um Deutsch­land bzw. ein Teil unse­rer Indus­trie sich nicht nur auf­grund einer bis­her nicht geglück­ten Ener­gie­wen­de schwertut. 


Exper­ten­mei­nun­gen:
Die Ein­schät­zung von Wirt­schafts­exper­ten, Ana­lys­ten, Unter­neh­men und ande­ren Inter­es­sen­grup­pen kann eben­falls Hin­wei­se dar­auf geben, ob die Poli­tik der Regie­rung als posi­tiv oder nega­tiv für die Wirt­schaft ange­se­hen wird.

Es gibt im Aus­land kras­se Kri­tik, zum Teil auch Kopf­schüt­teln an der Wirt­schafts- und Ener­gie­po­li­tik Deutsch­lands. Ande­rer­seits war das unter ganz ande­ren Vor­zei­chen auch nicht anders. Nicht nur die Nord Stream – Pro­jek­te waren hoch­um­strit­ten, auch die stän­di­gen Han­dels­bi­lanz­über­schüs­se Deutsch­lands waren vie­len Län­dern aus ver­ständ­li­chen Grün­den ein Dorn im Auge. Die natio­na­len Ego­is­men sind halt trotz EU und aller Aus­gleichs­ver­su­che nicht überwunden. 


Es ist wich­tig zu beach­ten, dass die wirt­schaft­li­che Lage eines Lan­des von einer Viel­zahl von Fak­to­ren beein­flusst wird, ein­schließ­lich glo­ba­ler wirt­schaft­li­cher Trends, tech­no­lo­gi­scher Ent­wick­lun­gen, geo­po­li­ti­scher Ereig­nis­se und mehr. Daher ist es oft schwie­rig, die Schuld für eine bestimm­te wirt­schaft­li­che Situa­ti­on aus­schließ­lich einer Regie­rung zuzu­wei­sen. Nur wir in Deutsch­land sind offen­bar mehr­heit­lich ganz sicher, dass die­se Regie­rung für die Pro­ble­me die Ver­ant­wor­tung trägt.

Liest man die­sen Arti­kel ($) in der „Zeit“ oder die­sen ($) in der „NZZ“, kann man durch­aus auf die Idee kom­men, dass die ein­sei­tig nega­ti­ve Sicht vie­ler Deut­scher viel mit Irra­tio­na­li­tät und (Ach­tung!) geziel­ter Mani­pu­la­ti­on der öffent­li­chen Mei­nung zu tun hat (Merz /​Söder).

Das Gere­de von der Deindus­tria­li­sie­rung ist unter dem Aspekt zu betrach­ten, dass sich unse­re Wirt­schaft auf­grund vie­ler (auch schwer zu beein­flus­sen­der) Fak­to­ren längst in einem Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess befin­det. Wenn wir über feh­len­des Wachs­tum kla­gen, könn­ten wir trotz­dem einen Blick auf das soge­nann­te Poten­zi­al­wachs­tum wer­fen. Wie stark könn­te unse­re Wirt­schaft also zule­gen, wenn sie maxi­mal aus­ge­las­tet wäre und wor­an liegt es, wenn dies nicht der Fall ist. Es könn­te am sich immer stär­ker bemerk­bar machen­den Arbeits­kräf­te­man­gel lie­gen. Wir müs­sen mehr tun als dar­auf ver­trau­en, län­ger­fris­tig Arbeits­kräf­te aus dem Aus­land zu gewin­nen. Es ist nötig, Frau­en für Voll­zeit­an­ge­bo­te zu gewin­nen und älte­re Men­schen län­ger im Beruf zu hal­ten. Dazu braucht es viel Fle­xi­bi­li­tät und auf alle Fäl­le weni­ger Büro­kra­tie. Nichts Neu­es – eigent­lich. Aber wird auch wirk­lich dar­an gear­bei­tet? Kita-Ange­bo­te müss­ten aus­ge­baut wer­den. Dafür sind wie­der­um mehr Fach­kräf­te nötig – auch Geld. Das Teil­ha­be­ge­setz kann hel­fen. Wei­ter­bil­dung und ande­re Maß­nah­men könn­ten die etwas rück­läu­fi­ge Zahl von rund 2 Mio. vakan­ten Stel­len in unse­rem Land wei­ter reduzieren. 

Die Zunah­me von Fir­men­neu­grün­dun­gen liegt über dem Niveau der Vor-Coro­na-Zeit. Eigent­lich sind die bis­he­ri­gen Daten kein Anlass zur Sor­ge (Insol­ven­zen). Es fin­det nach Exper­ten ein längst über­fäl­li­ger Pro­zess statt, der durch die Maß­nah­men zur Pan­de­mie künst­lich hin­aus­ge­zö­gert wurde. 

Die Infla­ti­on ist von 5,9 jetzt auf 2,9 % gesun­ken. Wahr­schein­lich wer­den die Zin­sen im Som­mer von der EZB gesenkt. Das könn­te auch bei uns zu einer Bele­bung der Wirt­schaft füh­ren. Jeden­falls fin­det das gewöhn­lich nach Zins­sen­kun­gen statt.

Der erfor­der­li­che Struk­tur­wan­del hat also längst ein­ge­setzt und wir erle­ben eine rasan­te Beschleu­ni­gung mit. Dass die damit ein­her­ge­hen­den Ver­än­de­run­gen bei vie­len auf Ableh­nung und Gegen­wehr sto­ßen, ist in die­sem Land (Alters­struk­tur) kei­ne Überraschung!

Die Ener­gie­kos­ten sin­ken. Die Strom­prei­se lie­gen im EU-Ver­gleich im Mit­tel­feld. Die Behaup­tun­gen aber, dass Deutsch­land die teu­ers­ten Strom­prei­se hät­te, bleibt bestehen. Das sind die Sto­ry von denen nicht nur die AfD, son­dern lei­der auch BSW, Lin­ke und die Uni­on zu pro­fi­tie­ren hoffen. 

Die Steu­er­last unse­rer Unter­neh­men ist viel zu hoch. Sie liegt 10 % über dem EU-Durch­schnitt. Wenn die Steu­ern gene­rell, aber spe­zi­ell in Deutsch­land gesenkt wür­den, könn­te es zu einem neu­en Steu­er­un­ter­bie­tungs­wett­be­werb kom­men. Ich hal­te Steu­er­sen­kun­gen aller­dings für die bes­se­re Alter­na­ti­ve zu Habecks Sub­ven­ti­ons­po­li­tik. Sie kommt natur­ge­mäß nur weni­gen Unter­neh­men zugu­te und der Staat soll­te sich nach mei­ner Über­zeu­gung auf Rah­men­be­din­gun­gen kon­zen­trie­ren und nicht vor­täu­schen, als ob er die Unter­neh­men zu neu­en Ufern füh­ren könn­te. Das kön­nen die­se immer schon bes­ser. War­um ler­nen das man­che eigent­lich nie?

Inves­ti­tio­nen soll­ten nach Mög­lich­keit von pri­va­ter Sei­te erfol­gen und nicht zuvor­derst durch den Staat. Für unser Land gilt momen­tan, dass wir durch die exis­tie­ren­de Unsi­cher­heit Stand­ort­nach­tei­le haben. Das müss­te so nicht sein, weil für die­sen Pes­si­mis­mus kein Anlass besteht. Ich erin­ne­re an die hohe Inves­ti­ti­on von Micro­soft in unse­rer Regi­on. Hier wer­den 3,2 Mrd. $ inves­tiert, und zwar ohne Sub­ven­tio­nen. Öffent­li­che Inves­ti­tio­nen in die Infra­struk­tur des Lan­des las­sen auf­grund der Ver­wei­ge­rungs­hal­tung von FDP (in der Regie­rung) und Uni­on (2/​3 Mehr­heit) auf sich war­ten. Ich bin gespannt, wie das Finanz­pro­blem von der Uni­on gelöst wird, wenn sie die Regie­rung irgend­wann beerbt. Merz wird sich über das von ihm und sei­nen Man­nen her­bei­ge­führ­te har­te Urteil des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­rich­tes noch sehr ärgern. 

Im Hin­blick auf Inno­va­tio­nen steht Deutsch­land gar nicht schlecht da. Wir haben immer noch ein hohes Aus­bil­dungs­ni­veau, es wer­den vie­le Paten­te ange­mel­det, wenn­gleich die­se Zahl lei­der rück­läu­fig ist. Trotz­dem hält Deutsch­land den zwei­ten Rang hin­ter der USA bei den Patent­an­mel­dun­gen. Unse­re For­schung bzw. ihre Ergeb­nis­se sind aus­ge­zeich­net. Lei­der man­gelt es wei­ter am erfor­der­li­chen Risi­ko­ka­pi­tal, um die guten For­schungs­er­geb­nis­se in die Umset­zung mit wirt­schaft­li­chem Nut­zen zu bringen. 


Links:

  1. Deindus­tra­li­sie­rung in Deutsch­land: Schlag­wort oder Rea­li­tät? NZZ
  2. Kon­junk­tur: Wie es wirk­lich um die deut­sche Wirt­schaft steht | ZEIT ONLINE

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.
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7 Gedanken zu „Der Strukturwandel in Deutschland ist im vollen Gange. Das Tempo macht vielen Sorgen.“

  1. Su 5. März 2024 um 09:30

    Tem­po? 😂

  2. Da hast du dir ja eine Rie­sen­ar­beit gemacht! Und wie meist bei so umfas­sen­den Arti­keln: Es sind so vie­le Aspek­te ange­spro­chen, dass es nicht unbe­dingt dazu ein­lädt, noch den eige­nen Senf dazu zu geben!

    Erin­nert mich an den Bericht, den mir mal ein Freund von einem gro­ßen Mee­ting eines Mega-Unter­neh­mens gab: Es stand eine Mil­li­ar­den­in­ves­ti­ti­on in Chi­na zur Debat­te – das wur­de ein­fach durch­ge­wun­ken. Nicht aber der Plan, einen gro­ßen über­dach­ten Fahr­rad­park­platz auf dem Werks­ge­lä­de zu errich­ten – mit einer Inves­ti­ti­ons­sum­me von (ist lan­ge her) nur ein paar tau­send Euro. Das wur­de aus­führ­lich bespro­chen, ganz ein­fach weil das The­ma sehr begrenzt und nicht all­zu kom­plex war. 🙂

  3. Was Tech­ni­sches neben­bei: Weil hier so schreck­li­che Mons­ter neben mei­nem Namen ange­zeigt wer­den, hab ich neu­lich ver­sucht, Grava­tar wie­der mit einem Foto und die­ser Mail­adres­se in Betrieb zu neh­men. Als das fer­tig war, hab ich bemerkt, dass bei Blogs auf Word​press​.com dann immer das Ein­log­gen erzwun­gen wer­den soll­te – ner­vig, ich habs wie­der gelöscht.

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