Wie sollen sich junge Menschen in dieser zerrissenen Welt noch zurechtfinden?

Wel­che Aus­wir­kun­gen haben all die Ver­wir­run­gen und Ver­ir­run­gen auf unse­ren Nach­wuchs? Ori­en­tie­rung bie­ten auch die Älte­ren nicht. Auch sie sind ratlos.

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Ich den­ke oft dar­über nach, ob ich es mir nicht bei exis­ten­zi­el­len Fra­gen des Zeit­ge­sche­hens zu ein­fach mache. Sicher, ich habe eine Mei­nung zu vie­len Din­gen. Selbst zu sol­chen, zu denen ich sie mir ver­knei­fen soll­te. Nicht, weil sie mich nicht direkt betref­fen, son­dern weil ich kaum in der Lage bin, mir ein dif­fe­ren­zier­tes Bild über die tat­säch­li­che Situa­ti­on zu machen. Aber vie­le Sachen beschäf­ti­gen mich und he, ich bin Blog­ger. Da schrei­be ich über das, was mich beschäf­tigt. Egal, was ande­re dar­über denken.

Einmal deutsche Staatsraison bitte

Der Nah­ost-Kon­flikt ist dafür ein Bei­spiel. Dass es (seit Mer­kel) zur deut­schen Staats­rai­son gehört, für das Exis­tenz­recht Isra­els ein­zu­tre­ten, war mir ziem­lich egal. Solan­ge ich nicht befürch­ten muss­te, dass unser Land in die­sen Dau­er­kon­flikt hin­ein­ge­zo­gen zu wer­den. Dabei waren wir, auf­grund unse­rer Geschich­te, längst untrenn­bar mit dem jüdi­schen Volk ver­bun­den. Was liegt näher als, abge­se­hen von allen Lip­pen- und Fei­er­tags­be­kennt­nis­sen, für das Exis­tenz­recht ein­zu­ste­hen, das von einer feind­li­chen Umge­bung seit Jahr­zehn­ten bedroht ist?

Hamas-Barbaren

Seit dem 7. Okto­ber 2023 hat sich der Dau­er­kon­flikt auf­grund der bar­ba­ri­schen Akti­vi­tä­ten des hass­erfüll­ten, men­schen­ver­ach­ten­den Mul­lah-Regimes in Tehe­ran die Lage dra­ma­tisch verändert. 

Die Hamas-Ter­ro­ris­ten wur­den von den regime­treu­en Men­schen­fein­den im Namen Allahs zum Töten und Ver­ge­wal­ti­gen gedrillt und in tak­ti­scher Raf­fi­nes­se geschult, um den Israe­lis mög­lichst ver­hee­ren­den Scha­den zuzufügen. 

Wir hör­ten und sahen zum Teil die schreck­li­chen Din­ge, die jüdi­schen Men­schen mit unvor­stell­ba­rer, bar­ba­ri­scher Grau­sam­keit bei­gebracht wur­den. Ein wei­te­rer Zivi­li­sa­ti­ons­bruch, den Men­schen an ande­ren Men­schen begingen. 

Die Opfer nicht vergessen

Dass dies nicht mit dem gleich­zu­set­zen ist, was die Betrof­fe­nen und Ange­hö­ri­gen erlit­ten und emp­fun­den haben, ist für mich klar. Trotz­dem war und bleibt die­ses Dra­ma, das Men­schen ande­ren Men­schen im 21. Jahr­hun­dert anta­ten, in den Köp­fen der Men­schen präsent.

Viel wur­de vom Selbst­ver­tei­di­gungs­recht Isra­els nach die­sem Tag gere­det. Dass damit ein bei­spiel­lo­ser Ver­nich­tungs­krieg gegen die Hamas mit unver­hält­nis­mä­ßig hoher Betrof­fen­heit unschul­di­ger Opfer ver­bun­den sein wür­de, konn­te man ahnen. Netan­ja­hu und sei­ne Regie­rung wuss­ten das. Sie konn­ten nicht zulas­sen, dass wei­te­re Anschlä­ge durch die Hamas-Ter­ro­ris­ten mög­lich blieben. 

Apokalyptische Vergeltung

Also wur­de das Ter­ri­to­ri­um des Gaza-Strei­fens in Schutt und Asche gelegt. Immer mit dem immer unglaub­wür­di­ger schei­nen­den Zusatz, die Zivil­be­völ­ke­rung mög­lichst zu schüt­zen. Alle, die auch nur halb­wegs eine Vor­stel­lung davon haben, wie es sein wür­de, wenn eine hoch tech­ni­sier­te Armee mit ihren Waf­fen in die­sem geo­gra­fisch begrenz­ten Gebiet „ope­rie­ren“ wür­de, haben hohe Opfer­zah­len befürch­ten müs­sen. Aus Gaza gibt es für die Bevöl­ke­rung kein Ent­rin­nen. Es war und ist ein Gefäng­nis. Die Bevöl­ke­rung ist jung. Das erklärt die hohen Opfer­zah­len und Kin­dern und Jugendlichen. 

Ich kom­me nun zum eigent­li­chen Punkt. Obwohl ich die Lage für die Men­schen in Gaza, wie ich glau­be, eini­ger­ma­ßen rea­lis­tisch ein­schät­ze, schaf­fe ich es nicht, mich klar auf die Sei­te der Israe­lis oder auf die der Paläs­ti­nen­ser zu stel­len. Die vie­len toten Kin­der und die dar­ben­de Bevöl­ke­rung des Gaza-Strei­fens ins­ge­samt wer­den von den Israe­lis nicht geschont. Im Gegen­teil. Netan­ja­hu und sei­ne Leu­te wol­len eine mög­lichst nach­hal­ti­ge Ver­nich­tung der ohne­hin nicht gut aus­ge­bau­ten Infra­struk­tur des Gaza-Strei­fens errei­chen. Dass sie mit die­sen Maß­nah­men Men­schen­le­ben neh­men und die Zukunft der Über­le­ben­den ad absur­dum füh­ren, nimmt die Regie­rung Isra­els in Kauf. Es regt sich Wider­stand. Ein Ende des Grau­ens ist den­noch unabsehbar. 

Auf deutschen Straßen tobt ein Mob

Die Mei­nungs- und Ver­samm­lungs­frei­heit gel­te „für alle Men­schen, auch wenn sie die deut­sche und israe­li­sche Regie­rungs­po­li­tik kri­ti­sie­ren“. Die Gren­ze wer­de „durch straf­ba­re Hand­lun­gen und nicht durch poli­tisch unlieb­sa­me Aus­sa­gen mar­kiert“ (Amnes­ty Inter­na­tio­nal).

Quel­le taz

Dass es Men­schen gibt, die einen Paläs­ti­na-Kon­gress durch­füh­ren woll­ten, kann ich ver­ste­hen. War­um er aus­ge­rech­net in Deutsch­land statt­fin­den soll­te, ver­mag ich nicht zu beur­tei­len. Viel­leicht woll­ten die Initia­to­ren tes­ten, wie ernst das Gere­de von der deut­schen Staats­rai­son in der Bevöl­ke­rung genom­men wird. Nun – die Behör­den, mög­li­cher­wei­se auf Anwei­sung sei­tens der Poli­tik – waren mit der Durch­füh­rung des Kon­gres­ses nicht so rich­tig ein­ver­stan­den und ver­hin­der­ten ihn kurzerhand. 

Auf der Demons­tra­ti­on am Sams­tag muss­te die Poli­zei, so berich­tet die Gewerk­schaft dju, Jour­na­lis­ten vor körper­lichen Angrif­fen schüt­zen. Ein Red­ner habe ein ARD-Team als „zio­nis­ti­sche Lüg­ner“ beschimpft und Medi­en und Ver­la­ge wie t‑online, Sprin­ger, „Focus“ und B.Z. als „Drecks­pres­se“ bezeich­net. Die Teil­neh­mer der Ver­samm­lung habe er auf­ge­for­dert, „jeden die­ser Lüg­ner zu foto­gra­fie­ren und zu ver­öf­fent­li­chen“, und ihm Bil­der von Jour­na­lis­ten zuzu­sen­den, damit er sie „demü­ti­gen“ kön­ne.

Quel­le FAZ

Was zu erwar­ten war, sind die unter­schied­li­chen Reak­tio­nen von kon­ser­va­ti­ven und libe­ra­len, lin­ken Kräf­ten im Land. Ich emp­feh­le in die­sem Zusam­men­hang die Lek­tü­re die­ses FAZ-Arti­kels und – als Gegen­pol – die­sen aus der Taz.

Tweet: nach dem derzeitigen Stand der Ermttlungen wird gegen Sie folgende Beschuldigung erhoben
nach dem der­zei­ti­gen Stand der Ermttlun­gen wird gegen Sie fol­gen­de Beschul­di­gung erhoben

Linke gemeinsam mit Palästinensern 

Wie stark radi­ka­li­sie­ren die von vie­len, nicht nur direkt betrof­fe­nen Men­schen, als mensch­li­che Zumu­tung emp­fun­de­ne Gescheh­nis­se in Nah-Ost? Das mag man an den Aus­ein­an­der­set­zun­gen in Deutsch­land erken­nen. Deutsch­land wird von Akti­vis­ten, nicht nur von paläs­ti­nen­si­schen, son­dern – wie an die­sem Bei­spiel zu sehen ist – auch jüdi­schen, in einer Art und Wei­se ver­ein­nahmt, die ich nicht tole­rie­ren kann. Wenn lin­ke Akti­vis­ten gemein­sam mit Paläs­ti­nen­sern im Land Pres­se­ver­tre­ter als Drecks­pres­se beschimp­fen und kör­per­lich angrei­fen, unter­schei­den sich die­se Leu­te für mich kein Stück mehr von den Pegi­da- oder AfD-Anhän­gern. Unse­re Demo­kra­tie, soviel ist sicher, gerät durch die­se Fana­ti­ker immer stär­ker unter Druck. 

Recruiting von Nachwuchsterroristen

Was dar­aus wird, so ver­mu­te ich, sind immer mehr ziem­lich jun­ge Leu­te, die auch bei uns in Deutsch­land ori­en­tie­rungs­los wer­den und sich von skru­pel­lo­sen Ver­tre­tern bestimm­ter poli­ti­scher und reli­giö­ser Inter­es­sen­grup­pen als Nach­wuchs­ter­ro­ris­ten rekru­tie­ren las­sen. Die zuneh­men­de Radi­ka­li­sie­rung hat damit zu tun, dass vie­le nicht mehr wis­sen, was rich­tig und was falsch ist. Auch nicht die Erwach­se­nen. Wie sol­len sich in die­ser Lage jun­ge Men­schen zurechtfinden? 

Die von den Israe­lis aus­ge­lös­te Apo­ka­lyp­se im Gaza-Strei­fen garan­tiert der Hamas und ande­ren Ter­ror­or­ga­ni­sa­tio­nen den Nach­wuchs, den Isra­els Men­schen so gar nicht gebrau­chen kön­nen und wohl auch nicht wol­len. Aus heu­ti­ger Sicht ist jedoch die­se Tat­sa­che die ein­zig siche­re Fol­ge der mili­tä­ri­schen Maß­nah­men, mit ent­schie­den zu vie­len Toten und unvor­stell­ba­rem Elend.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Berlin Hamas Israel Proteste Terror

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4 Gedanken zu „Wie sollen sich junge Menschen in dieser zerrissenen Welt noch zurechtfinden?“

  1. Dei­ne Ein­gangs­fra­ge stel­le ich mir auch oft, wobei mir dabei noch viel mehr The­men ein­fal­len als Israel/​Hamas/​Gaza.
    Jun­ge Men­schen ori­en­tie­ren sich ganz wesent­lich an ihrer Peer­group. Bei mir war das nicht anders: Eigent­lich war ich unpo­li­tisch, jedoch stark affi­ziert von der Kul­tur­re­vo­lu­ti­on (Hip­pies, Sexu­el­le Frei­heit, Love & Peace und und und) der 70ger-Jah­re. Ganz ohne tie­fe­res Nach­den­ken war mei­ne jugend­li­che „Sze­ne“ dann auch pro Paläs­ti­na (Tuch um den Hals!), ein­fach weil die Staats­dok­trin der Eltern­ge­nera­ti­on gefühlt zwang­haft pro Isra­el stand. Bezüg­lich der deut­schen Ver­gan­gen­heit war nicht nur mein Cre­do: Was hab denn bitt­schön ICH damit zu tun? Dar­aus bin ich spä­ter raus­ge­wach­sen und hab’ rea­li­siert, was UNSERE Ver­ant­wor­tung ist, aller­dings auch erst nach vie­len Jah­ren der Igno­ranz gegen­über dem Thema.
    Irgend­wie geht man gefühls­mä­ßig davon aus, dass die eige­nen Wachs­tums­pro­zes­se auch gesell­schaft­li­che sind, das aber ist lei­der falsch! Na klar, denn die Jun­gen von heu­te sind auch nicht wei­ser als wir damals…

  2. Vie­le Eltern sind nicht mehr in der Lage, ihren Kin­dern fes­te Struk­tu­ren zu geben. Das hat viel mit falsch ver­stan­de­ner Bezie­hung zum Kind zu tun. Eltern soll­ten weder Kum­pel noch über­vor­sich­ti­ge Auf­pas­ser ihrer Kin­der sein. Wer­te wie Loya­li­tät, Dis­zi­plin und Ver­läss­lich­keit sind wich­tig für die spä­te­re Zukunft. Ich erle­be das Mus­ter zukunfts­ängst­li­cher Jun­gen­d­li­cher immer wie­der gleich.

    Die Eltern sol­cher Jun­gen­d­li­cher haben sich ent­we­der über­haupt nicht geküm­mert, oder gehö­ren zur Frak­ti­on der Heli­ko­pter und Kum­pelel­tern. Den Jun­gen­d­li­chen feh­len dann die „Leit­plan­ken“ fürs Leben, sie kom­men mit den ein­fachs­ten Din­gen nicht zurecht. Auf der ande­ren Sei­te fehlt Ihnen oft­mals das Selbst­be­wus­stein, nach einem geschei­ter­ten Ver­such wie­der aufzustehen. 

    Eltern müs­sen zudem ler­nen, dass sie die ers­te Per­son sind, von dem Kin­der bereits früh Ver­hal­tens­wei­sen ler­nen. Auch das ver­ges­sen vie­le Eltern. Eltern, die mit 35 Jah­ren immer noch nicht erwa­chen sind, set­zen Kin­der in die Welt, die kei­ne Chan­ce haben, jeweils erwach­sen zu werden. 

    Dane­ben feh­len oft­mals die Her­aus­for­de­run­gen in der Grup­pe, sei es beim Fuß­ball oder sonst wo. Kon­flik­te, wich­ti­ge Rei­be­rei­en, um dar­an zu wach­sen, Freund­schaf­ten, Riva­li­tät, all das wird oft­mals in PC-Games ver­la­gert. Den Jun­gen­d­li­chen fehlt es damit oft an Grundsätzen.

    Ist zwar ein bischen off-topic, passt aber auch zur Überschrift 🙂

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