Globalisierung und ihre Schattenseiten: Warum deutsche Unternehmen ins Ausland abwandern

In diesem Artikel wird die populistische Rhetorik von Gabor Steingart behandelt, die regelmäßig in seinen Kolumnen im Focus zu finden ist. Es wird angesprochen, wie seine Angriffe auf die deutsche Regierung und speziell auf die Grünen das Vertrauen in die Demokratie untergraben und welche Rolle die Medien dabei spielen.

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Der Troubadour deutscher Kapitalistengesänge und Antagonist des Arbeiterliedes im Land heißt Gabor Steingart. Kein anderer Wirtschaftsjournalist gibt sich dem Jammern über den Niedergang der deutschen Wirtschaft mit vergleichbarer Inbrunst hin. Dass der Focus Steingart, einem weiteren erklärten Feind der Grünen, die passende Kolumne willfährig andient, passt für mich ins Gesamtbild.

Wenn man Enttäuschung in Gold verwandeln könnte, wäre das Verwaltungsgebäude der BASF eine Kathedrale. So aber ist sie das Denkmal einer untergehenden Zeit. Die Politik wird diese vorsätzliche Ignoranz gegenüber den ökonomischen Interessen ihrer Firmen und Bürger eines Tages teuer bezahlen – womöglich mit der Demokratie selbst.

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Angriffe auf die Grünen und die SPD

Immerhin spricht Steingart auch im Beitrag überwiegend von »der Politik«, mal nicht von Habeck oder Scholz, von der SPD oder den Grünen. Sie sind sein bevorzugtes Ziel. Auf die Idee, dass die von ihm so wortreich beklagten Fehler und Versäumnisse auch bei den Kapitalisten, den CEOs und Vorständen selbst zu suchen ist, kommt Steingart gar nicht. Die dummen Politiker allein tragen für ihn die Verantwortung. So einfach ist das nicht.

Als sich die Deutsche Wirtschaft wie die aller kapitalistisch geprägten Länder Ende der 80-er/Anfang der 90-er Jahre aufmachte, sich an die Spitze der Bewegung der Globalisierung zu setzen, waren Bedenken der Journaille sicher laut und vernehmlich. Aber sie hatten keine Durchschlagskraft, es sollte viele Gewinner und nur wenige Verlierer geben. Wir haben dazugelernt. Selbst stabile Demokratien sind an ihre Grenzen gekommen, weil auch die Auswirkungen der globalisierten Welt, genauer gesagt des entfesselten Kapitalismus, ihre Gesetze und somit ihren Preis haben. Die Populisten der Welt haben jetzt ihre Chance und sie nutzen sie. Die immer existierenden Gegenpole von Reich und Arm haben sich in einer Weise entwickelt, dass zuletzt immer intensiver, über ökonomische Ungleichheit lamentiert wird. Aber es verändert sich (bisher) nichts.

Manche machen sich vom Acker

Deutsche Firmen, wie nicht zuletzt die Autokonzerne oder BASF und Bayer, aber bestimmt auch etliche unserer Mittelständler und Hidden Champions sind dem Weg der Großkonzerne mit den wunderbaren Verheißungen der Globalisierung gefolgt. Ist es da nicht logisch, dass eines Tages die Konsequenz die sein würde, was nun von manchen Experten beklagt wird? Zuerst dachten die Kapitalisten an die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte in Osteuropa, dann — mit wachsenden Entfernungen — an die Etablierung verlängerter Werkbänke. Wie weit ist danach der Weg, die Zelte im Stammland des Unternehmens abzubrechen und andere Weidegründe zu suchen? Schließlich liegt bei bald 8 Mrd. Menschen auf dieser Erde das Potenzial anderswo, jedenfalls nicht mehr in Europa.

Nicht so plötzlich, wie es den Anschein hat, bemerken die besonders erfolgreichen Staaten, dass solche Veränderungen nicht nur Licht, sondern viel Schatten mit sich bringen.

Derisking ist nur der Versuch einer Korrektur

Nach der Pandemie war zunächst von Decoupling und dann von Derisking die Rede, weil sich so manche der lange bewährten Lieferketten danach als äußerst anfällig erwiesen haben. Allerdings könnten diese Bestrebungen auch mit einer gewissen Veränderungsbereitschaft so mancher Konzerne zu tun gehabt haben. Na, es gibt bestimmt gute Gründe, den Firmensitz eines Unternehmens ins Ausland zu verlagern. Schließlich ziehen Rinder, falls ihre Weideplätze nicht eingezäunt sind, weiter, wenn diese abgegrast sind. Warum sollten sich Kapitalisten anders verhalten, wenn es am Heimatmarkt schwierig wird?

Was also möchte uns einer wie Steingart sagen? Außer, dass er solche Geschichten erzählt, um das Gefühl weiter zu bestärken, dass unser Land von Idioten regiert wird. Ach, hat das Alice Weidel, AfD, nicht mal im Bundestag gesagt? Gut, ich nehme es zurück.

Ich höre Bekenntnisse von Unternehmern, Jungen und Alten, die über mein Bild entsetzt wären und die nach ganz anderen Prinzipien handeln. Die gibt es auch noch und sie haben es zurzeit nicht einfach. So viel Wahrheit muss sein.

Brudermüllers Klagen

BASF hat unter der sechsjährigen Ägide von CEO Brudermüller (er war 18 Jahre im Vorstand) Abermilliarden verdient. In den letzten Jahren lief es auf dem Heimatmarkt nicht mehr so gut. Laut genug geschimpft hat Brudermüller. Die Ursachen dafür sind, auch wenn Steingart und andere mit gleicher Denkweise etwas anderes propagieren, auch, aber längst nicht nur, im Handeln dieser Regierung begründet. Die Älteren erinnern sich: Wir waren Ende der 1990-er Jahre bereits einmal der »kranke Mann Europas«. Es ist nicht schön, dass wir beim Wachstum und bei anderen Kennzahlen nicht ganz vorn dabei sind. Andererseits dürften wir uns an die hinteren Ränge — jedenfalls bei gewissen Gelegenheiten (ESC) — gewöhnt haben.

Vielleicht wird uns unsere Fußballnationalmannschaft bei der hiesigen EM überraschen? Solchen positiven Ereignissen im Sport sprechen manche Wunderkräfte zu.

Die Globalisierung hat unserem Staat geholfen, eine Spitzenposition im internationalen Bereich einzunehmen und für längere Zeit zu verfestigen. Dass es jetzt große und bekannte deutsche Unternehmen gibt, die ihre Chancen in anderen Ländern und Regionen der Welt wahrnehmen, kann uns nicht überraschen. Aber logischerweise beunruhigen diese Nachrichten viele.

Das ständige Herumgenöle von Leuten wie Steingart, die keine echte Sorge um unser Land haben, sondern denen ich andere Intentionen unterstelle, sollten wir nicht zu ernst nehmen. Ist es nicht unklug, wenn »die« Leute denen glauben, die ständig der amtierenden Regierung die Schuld an allem geben, was in diesen Zeiten nicht oder schlecht läuft? Das hießt allerdings nicht, dass alles gut oder ich überzeugt wäre, dass diese Regierung gute Arbeit leistet.

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2 Gedanken zu „Globalisierung und ihre Schattenseiten: Warum deutsche Unternehmen ins Ausland abwandern“

  1. Das ständige Herumgenöle von Leuten […], die keine echte Sorge um unser Land haben, […] sollten wir nicht zu ernst nehmen.
    Ist es nicht unklug, wenn »die« Leute denen glauben, die ständig der amtierenden Regierung die Schuld an allem geben, was in diesen Zeiten nicht oder schlecht läuft?
    Das hießt allerdings nicht, dass alles gut oder ich überzeugt wäre, dass diese Regierung gute Arbeit leistet.

    Gilt erstgenanntes nicht umsomehr für uns selbst? 😉
    …wobei ich den letzten Satz als Widerspruch zu vorgenanntem verstehe…

  2. Kein Widerspruch. Gabor Steingart spricht für die, die ich als Kapitalisten bezeichne. Und wie das immer so ist im Leben: Jeder hat auch mal einen Punkt, bei dem er richtig liegt. Das meinte ich, wenn es um das Urteil über diese Regierung geht. Dieser Mann ist einseitig bis zum Abwinken und macht sich in meinen Augen deshalb unglaubwürdig.

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