AfD-Verbot: Ein umstrittener Weg zur Sicherung der Demokratie

Das Ver­bot der AfD ist ein kom­ple­xes und heik­les The­ma, das tief­grei­fen­de Kon­se­quen­zen für unse­re Demo­kra­tie haben könn­te. Es gilt, die Balan­ce zwi­schen dem Schutz der Demo­kra­tie und der Wah­rung demo­kra­ti­scher Prin­zi­pi­en zu finden.

6 Minute/n


Merken

2

Die Alter­na­ti­ve für Deutsch­land (AfD) pola­ri­siert seit ihrer Grün­dung die deut­sche Gesell­schaft. Ihre poli­ti­sche Aus­rich­tung und ihre teils extre­men Posi­tio­nen haben mehr­fach Debat­ten über ein mög­li­ches Ver­bot der Par­tei aus­ge­löst. Die­se im Kern unde­mo­kra­ti­schen Über­le­gun­gen sind nach den Wahl­er­fol­gen der AfD bei den Euro­pa­wah­len erneut entflammt.

Wenn unse­ren eta­blier­ten Par­tei­en zur AfD nichts ande­res mehr ein­fal­len will, als ein Ver­bots­an­trag, ist nichts gewon­nen. Ich fürch­te, das Gegen­teil wäre der Fall. Vie­le Men­schen sind ent­setzt über das Abschnei­den der Par­tei bei den Euro­pa­wah­len. Die deut­sche Wahl­kar­te zeigt, wenn man nicht ganz nahe an sie her­an­tritt, nur noch schwar­ze und blaue Sek­to­ren. Das Kon­ser­va­ti­ve hat die Repu­blik im Griff. 

Europawahl 2024 Screenshot Tagesschau
Euro­pa­wahl 2024 Screen­shot Tagesschau

Die Wahlergebnisse im Osten sind nur der Anfang

Die Höl­le öff­net sich bei den Land­tags­wah­len im Osten. Eine aktu­el­le Umfra­ge von Infra­test dimap zeich­net ein immer weni­ger Men­schen erschüt­tern­des Bild. 

Die AfD wird (was längst kei­ne Über­ra­schung mehr ist) die stärks­te Par­tei im thü­rin­gi­schen Land­tag. Aus dem Stand kommt die Wagen­knecht-Par­tei mit ihren nicht weni­ger popu­lis­ti­schen Ver­spre­chun­gen fast schon auf den zwei­ten Rang, gleich zwei Pro­zent­punk­te hin­ter der CDU. Es gibt Chan­cen, dass SPD und Grü­ne nicht mehr in den Land­tag kom­men, weil sie die 5%-Hürde verfehlen.

Wahlrecht Umfrage Infratest dimap
Wahl­recht Umfra­ge Infra­test dimap

Untaugliches gegen Unmögliches

Lei­der fällt dem Par­tei­estab­lish­ment, unse­rer soge­nann­ten poli­ti­schen Eli­te, nichts ande­res dazu ein, als erneut ein AfD-Ver­bot auf die Tages­ord­nung zu set­zen. Der ehe­ma­li­ge Ost­be­auf­trag­te der Bun­des­re­gie­rung, Wan­der­witz, CDU, beab­sich­tigt einen AfD-Ver­bots­an­trag ein­zu­brin­gen. Ein Bünd­nis hat sich gebil­det, das eben­so ent­schlos­sen ist, die AfD zu ver­bie­ten. Ich ken­ne ein paar Namen, die zum Bünd­nis (Gewerk­schaf­ter, His­to­ri­ker und Akti­vis­ten) gehö­ren. Fällt den Lin­ken wirk­lich nichts ande­res ein als ein Verbot?

Ich rege mich stän­dig über die AfD auf. Die Aus­sa­gen ihrer Rädels­füh­rer und Sym­pa­thi­san­ten sind für mich wie für vie­le ande­re Men­schen schier uner­träg­lich. Aber hieß es nicht auch, dass Demo­kra­ten auch extre­me Mei­nun­gen aus­hal­ten müssen? 

Ande­rer­seits gibt es Argu­men­te für ein AfD-Verbot

  1. Ver­fas­sungs­feind­lich­keit – Die AfD wird oft als ver­fas­sungs­feind­lich ein­ge­stuft. Ver­tre­ter der Par­tei haben wie­der­holt die frei­heit­lich-demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung infra­ge gestellt. Ein Ver­bot könn­te die Demo­kra­tie schüt­zen, indem es extre­mis­ti­sche Ten­den­zen eindämmt.
  2. Rechts­extre­mis­mus – Eini­ge Mit­glie­der der AfD ver­tre­ten rechts­extre­me Posi­tio­nen. Der Ver­fas­sungs­schutz beob­ach­tet Tei­le der Par­tei, die als extre­mis­tisch gel­ten. Ein Ver­bot könn­te ver­hin­dern, dass rechts­extre­me Ideen wei­ter Ver­brei­tung finden.
  3. Schutz der Demo­kra­tie – Die Demo­kra­tie muss sich gegen ihre Fein­de weh­ren kön­nen. Ein Ver­bot der AfD könn­te als prä­ven­ti­ve Maß­nah­me die­nen, um anti­de­mo­kra­ti­sche Kräf­te zu stop­pen, bevor sie grö­ße­ren Scha­den anrichten.
  4. Spal­tung der Gesell­schaft – Die AfD trägt durch ihre Pole­mik und ihren Popu­lis­mus zur gesell­schaft­li­chen Spal­tung bei. Ein Ver­bot könn­te die­se destruk­ti­ve Dyna­mik abschwä­chen und die gesell­schaft­li­che Kohä­si­on fördern.
  5. Radi­ka­li­sie­rungs­po­ten­ti­al – Ein Ver­bot könn­te ver­hin­dern, dass die Par­tei wei­ter­hin radi­ka­le und poten­zi­ell gewalt­be­rei­te Anhän­ger anzieht. Dies könn­te zur Stär­kung der inne­ren Sicher­heit beitragen.


Neben die­sem Demo­kra­tie­prin­zip (auch extre­me Mei­nun­gen aus­hal­ten) besitzt die Mei­nungs­frei­heit gene­rell in unse­rer Bevöl­ke­rung den über Jahr­zehn­te müh­sam erkämpf­ten Rück­halt, den die­se mehr­heit­lich ver­tei­di­gen wird. Wenn­gleich man davon aus­ge­hen kann, dass vie­len die­ses urde­mo­kra­ti­sche Prin­zip im Fall der Fäl­le nicht vehe­ment ver­tei­di­gen wür­de (dafür sorgt aus mei­ner Sicht schon die sub­op­ti­ma­le, sprich ein­sei­ti­ge Nach­rich­ten­la­ge durch den ÖRR), steht die Mehr­heit dazu. 

Keine Märtyrerrolle für die AfD

Die AfD könn­te in eine Mär­ty­rer­rol­le schlüp­fen und künf­ti­ge Regie­run­gen wären in der Lage, unter Bezug auf die­sen Prä­ze­denz­fall auch ande­re vom Main­stream abwei­chen­de poli­ti­sche Par­tei­en zu ver­bie­ten. Ich erin­ne­re mich gut an die Art und Wei­se, in der die eta­blier­ten Par­tei­en zu Beginn der 1980er-Jah­re mit den Grü­nen „umge­gan­gen“ sind. Es war schlimm. 

Dass wir mit dem Ver­bot einer poli­ti­schen Par­tei, die einen so hohen Rück­halt in Tei­len der Bevöl­ke­rung hat, dazu bei­tra­gen könn­ten, dass sich eine außer­par­la­men­ta­ri­sche Oppo­si­ti­on eta­bliert, betrach­te ich als wei­te­re Gefahr für unse­ren frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Rechtsstaat. 

Politische Bildung verhindert keine politischen Fehler

In vie­len Dis­kus­sio­nen taucht das Argu­ment auf, dass poli­ti­sche Bil­dung ein Ansatz zur Ver­hin­de­rung extre­mer poli­ti­scher Mei­nun­gen sei. Gab es kei­ne poli­tisch extre­men Per­sön­lich­kei­ten, die über hohe Bil­dung (anzu­neh­men wäre auch eine poli­ti­sche) ver­fü­gen, die Unheil über die Welt brachten? 

Fer­ner könn­te man for­dern, dass Men­schen zu Kos­mo­po­li­ten erzo­gen wer­den, also zu Men­schen, die durch eige­nen Umgang und Erfah­run­gen mit ande­ren Völ­kern und Kul­tu­ren den Berüh­rungs­ängs­ten und all­ge­gen­wär­ti­gem Unver­ständ­nis, ent­ge­gen­zu­wir­ken. Ich hal­te das grund­sätz­lich für eine gute Idee. Mir sind die Ansät­ze zu theo­re­tisch und des­halb wenig Erfolg ver­spre­chend. Gegen die AfD und ihre poli­ti­schen Ansät­ze der Abgren­zung kommt sie zu spät.

Alte Werte neue Stärke

Ich bin über­zeugt, eine Rück­be­sin­nung auf Wer­te wie Tole­ranz, Geduld, Respekt und Rück­sicht könn­te vie­le unse­rer Pro­ble­me lösen. Wir spre­chen gern über Wer­te, aber wir leben sie nicht mehr in dem Maße, wie es erfor­der­lich wäre. Eine wehr­haf­te Demo­kra­tie ent­steht nicht, in dem wir Anders­den­ken­de vor­füh­ren und per­ma­nent aus­gren­zen. Die Debat­te, von mir aus die Aus­ein­an­der­set­zung muss nicht zu Belei­di­gun­gen füh­ren und zum Dau­er­streit, der sogar Fami­li­en ent­zweit. Aber sie ist natür­li­cher Bestand­teil jeder Demo­kra­tie. War­um haben wir das vergessen?

Das Ver­bot der AfD ist ein kom­ple­xes und heik­les The­ma, das tief­grei­fen­de Kon­se­quen­zen für unse­re Demo­kra­tie haben könn­te. Es gilt, die Balan­ce zwi­schen dem Schutz der Demo­kra­tie und der Wah­rung demo­kra­ti­scher Prin­zi­pi­en zu fin­den. Ein umfas­sen­der Ansatz, der auf Bil­dung, Inte­gra­ti­on, Beob­ach­tung und zivil­ge­sell­schaft­li­ches Enga­ge­ment setzt, könn­te eine nach­hal­ti­ge­re Lösung bie­ten als ein simp­les und aus mei­ner Sicht für uns alle sehr schäd­li­ches Verbot.

Gio­van­ni di Loren­zo hat die­sen eben­so kur­zen wie über­zeu­gen­den Text zu mög­li­chen ande­ren Lösungs­an­sät­zen geschrieben:

An die Stel­le der poli­ti­schen Ana­ly­se, der Selbst­kri­tik und Kurs­kor­rek­tur tritt dann eben: die gro­ße Bestür­zung. Anschau­lich zeigt sich das in die­sen Tagen an den Reak­tio­nen der deut­schen Sozi­al­de­mo­kra­ten. Ein offen­bar ent­geis­ter­ter SPD-Vor­sit­zen­der bezeich­ne­te die AfD als Nazi­par­tei. Dann behaup­te­te er, die Aus­gangs­la­ge für die nächs­ten Wah­len sei nun güns­ti­ger – denn jetzt sei­en alle „wach­ge­rüt­telt“. Als ob sich die Wäh­ler der radi­ka­len Rech­ten davon beein­dru­cken lie­ßen.

Quel­le

Diesen Beitrag teilen:
0CDD5CFF 182F 485A 82C6 412F91E492D0
Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: AfD Demokratie Verbot

Quelle Featured-Image: a torn german map with vivid color effects display...

Letztes Update:

Anzahl Wörter im Beitrag: 1061
Aufgerufen gesamt: 503 mal
Aufgerufen letzte 7 Tage: 30 mal
Aufgerufen heute: 1 mal

2 Gedanken zu „AfD-Verbot: Ein umstrittener Weg zur Sicherung der Demokratie“

  1. Queen All 28 19. Juni 2024 um 07:31

    Ich den­ke, der rich­ti­ge Ansatz wäre, sich mal anzu­schau­en, war­um so vie­le Men­schen über­haupt ihr Kreuz­chen ent­spre­chend set­zen. Vie­le füh­len sich mit ihren Pro­ble­men von der Poli­tik allei­ne gelas­sen. Genau die­se Pro­ble­me gilt es aber anzu­ge­hen, sonst wird sich mit einem Ver­bot nichts ändern. Ein Ver­bot heißt doch nur, dass man die­se Wäh­ler nicht hören will und wei­ter­hin ein­fach igno­riert. Ein echt schwa­ches Signal aber auch nicht anders zu erwar­ten (für Pro­test­wäh­ler hät­te es aber echt genug Alter­na­ti­ven zur Alter­na­ti­ve gegeben!).

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


✅ Beitrag gemerkt! Favoriten anzeigen
0
Share to...
Your Mastodon Instance