German Defense Minister Boris Pistorius giving a s resized
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Krieg und Freiwilligkeit: Die Zukunft der deutschen Verteidigungspolitik

Verteidigungsminister Boris Pistorius’ Vorschläge zur Stärkung der deut­schen Verteidigungsfähigkeit sto­ßen auf Skepsis, wäh­rend die Frage nach dem natio­na­len Zusammenhalt und der Bereitschaft zur Verteidigung des Landes zuneh­mend an Bedeutung gewinnt.

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Aus mei­ner Partei hört man ein­mal mehr Widersprüchliches. Verteidigungsminister Boris Pistorius ver­sucht, das Land kriegs­tüch­tig zu machen. Dazu braucht es mehr Soldaten – natür­lich auch Soldatinnen. Seine Ideen hat er nun vorgetragen. 

Die Hölle hat sich geöff­net (nicht nur bei X), und es war nicht anders zu erwar­ten. Wer will sich heu­te noch in die Schützengräben (Sorry für das anti­quier­te Bild) bege­ben und sich für Kaiser und Vaterland opfern? Angeblich befin­den sich 5 – 600.000 ukrai­ni­sche Männer irgend­wo in Europa. Die haben sich abge­setzt, um dem Gemetzel an der Front zu ent­ge­hen. Hätte ich es in ihrer Lage anders gemacht? Eher nicht. Allein bin ich mit die­ser Einstellung sicher nicht.

Nur – was heißt das für die Verteidigungsfähigkeit einer Nation? 

Ich fürch­te, Pistorius wird mit sei­ner Initiative, die auf Freiwilligkeit beruht, wenig errei­chen. Allerdings hat­te ich auch nicht damit gerech­net, dass so vie­le jun­ge Menschen die AfD oder ande­re demo­kra­tie­kri­ti­sche Krawallos wäh­len. Vielleicht ent­steht gera­de eine neue Neigung zum Nationalismus? Die ist uns Deutschen seit dem Ende des 2. Weltkrieges abhan­den gekom­men, und zwar mit Unterstützung unse­rer aus­län­di­schen Freunde, nicht nur in Europa. 

Mit mei­nen Lebenserfahrungen aus 70 Jahren kann ich mir ehr­lich gesagt nicht ansatz­wei­se vor­stel­len, was es bedeu­tet, was die Menschen in der Ukraine, in Gaza oder im Sudan erlei­den. Taucht man nur kurz und auch nur theo­re­tisch in das ein, was über die Bilder und Berichte, die uns über die Medien errei­chen, hin­aus ver­mit­telt wird, wächst die Angst und doch gleich­zei­tig so etwas wie eine unheim­li­che Gewissheit, dass unser ver­gleichs­wei­se ruhi­ges und kom­for­ta­bles Leben abhan­den­kom­men könnte. 

Genau sol­che Verlustängste sind wahr­schein­lich für vie­les von dem ver­ant­wort­lich, womit wir Menschen die zwi­schen­mensch­li­che Atmosphäre nicht nur hier in Deutschland belas­ten. Einerseits bekla­gen wir das, ande­rer­seits schei­nen die Auslöser für die Irritationen wei­ter zuzunehmen.

Heute lese ich, dass der Chef der Atlantikbrücke und ehe­ma­li­ger Bundesminister, Sigmar Gabriel, SPD, auch mit dem Säbel ras­selt. Ja, mich erin­ner­te sei­ne Aussage im Stern-​Interview an das, was Macron kürz­lich über „Bodentruppen in Russland“ ver­lau­ten ließ. Das hat doch viel von Sandkastenspielen klei­ner Jungen, die sich ein­an­der ihre Panzer abspens­tig machen und dann zu flen­nen begin­nen, wenn sie von den Erwachsenen aus­ge­schimpft werden.

Die Bürger sind nicht blöd. Wenn ein erfah­re­ner, wenn auch aus­ge­mus­ter­ter Politiker, sol­che Dinge an Putins Adresse sagt, wie „Stopp die­sen Krieg – oder wir tra­gen ihn zu dir.“ pro­vo­ziert das Reaktionen (und nicht nur bei X). Dass Gabriel über­zeugt ist, dass wir mehr Druck auf Russland aus­üben müs­sen, ist nicht neu und erzeugt beim Publikum (nicht nur der AfD) genau einen Teil der Gefühle, die ich schon beschrie­ben habe.

Egal, wie man das kon­kret beschrei­ben mag, es läuft immer dar­auf hin­aus, dass unse­re Bevölkerung einen Mut ent­wi­ckeln müss­te, der sich in den letz­ten Jahrzehnten (gewünsch­ter Weise) gegen­über alten Zeiten zurück­ent­wi­ckelt hat. Aber füh­len wir uns die­sem Land gegen­über so stark ver­bun­den, dass wir dafür frei­wil­lig unser Leben ein­set­zen würden? 

Ich weiß nicht, ob bei so einer heik­len Frage Rückgriffe in die Geschichte hel­fen wür­den. Es gab erfolg­rei­che, aller­dings auch nie­der­ge­schla­ge­nen Widerstand gegen Aggressoren. Ich erin­ne­re nur an die Aufstände in Nordafrika (afri­ka­ni­scher Frühling), die wir mit viel Sympathie und wenig spä­ter in bösem Erwachen zur Kenntnis zu neh­men hat­ten. Wir woll­ten mal wie­der Demokratie leh­ren und haben viel Anteil am schreck­li­chen Elend der Region. Vom US-​Krieg gegen den Irak, der anhand von Lügen von Geheimdiensten und Regierungschefs geführt wur­de und bis heu­te die Region desta­bi­li­siert, gar nicht zu reden. 

Wir wis­sen viel (viel­leicht zu viel) über das Zustandekommen von Kriegen, um sol­chen mar­ki­gen Worten wie denen eines Roderich Kiesewetter oder gera­de wie­der Sigmar Gabriel etwas mit­zu­neh­men, dass unse­re Verteidigungsfähigkeit stär­ken würde. 

Meine kri­ti­schen Bemerkungen zu dem Thema bedeu­ten ande­rer­seits nicht, dass ich den Einsatz unse­rer Bundeswehrsoldaten nicht schät­ze. Jedenfalls steht für mich außer Frage, dass ich nicht erle­ben will, wie mir nahe­ste­hen­de Menschen sich für Deutschland in einem Einsatz gegen die neu­en Aggressoren auf der Welt opfern. 

Einerseits sehe ich, dass die Ukrainer für Freiheit und Demokratie kämp­fen und dazu aus sich her­aus bereit sind. Aber wer will schon beur­tei­len, zu wel­chem Teil die­ser hel­den­haf­te, herz­zer­rei­ßen­de Einsatz auf Propaganda oder Druck von oben beruht? 

Ich kann mir ein­fach nicht vor­stel­len, die­ses Grauen in unse­rem Land zu erle­ben. Ich weiß ein­fach nicht, wie ich reagie­ren wür­de bzw. ob ich dazu bereit wäre, mein Leben und das mei­ner Liebsten für einen Kampf gegen einen Aggressor zu geben. 

Solche Befindlichkeiten sind eine schlech­te Voraussetzung für die Einführung einer wie auch immer gear­te­ten Wehrpflicht. Wie den­ken Sie darüber?


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2 Gedanken zu „Krieg und Freiwilligkeit: Die Zukunft der deutschen Verteidigungspolitik“

  1. Ich bin für eine Wehrpflicht, aller­dings in einer rei­nen mög­lichst euro­päi­schen Verteidigungsarmee. Wir haben sei­ner­zeit gute Erfahrungen mit der Wehrpflicht gemacht, die Bundeswehr reprä­sen­tier­te den Querschnitt der Bevölkerung. 

    Viele sind über die Wehrpflicht hin­aus dabei­ge­blie­ben, wie ich im übri­gen eine Zeitlang auch. Für eine schlag­kräf­ti­ge Armee braucht es aber mehr als die Wehrpflicht und ja, auch wenn sich das nicht schön anhört: Für die Ausbildung jun­ger Soldaten muss (zumin­dest in den Kampfeinheiten) der Anspruch einer bedin­gungs­lo­sen Härte, d.h. das was in einem demo­kra­ti­schen Land gera­de noch an das Herantasten psy­chi­scher und phy­si­scher Leistungsgrenzen mög­lich ist, Ausbildungsgrundlage sein. Nur so kann einem mög­li­chen krie­ge­ri­schem Akt ernst­haft begeg­net wer­den, bes­ten­falls sogar zur Abschreckung führen. 

    Verbundenheit zum eigen Land gehört genau­so dazu, wie Rückhalt in der Bevölkerung für die Soldaten. Zudem braucht eine Armee ein gewis­ses Maß an Traditionalismus. Ob die­se Dinge jun­gen Leute heu­te noch anspre­chen, darf getrost hin­ter­fragt wer­den. Ich jeden­falls bin mir da nicht so sicher.

🕊️ Ein gutes Wort kann Wunder wirken.

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