Einfach irre! Fast 400.000 Leute wollen aufgrund eines nicht gegebenen Elfers die Wiederholung eines EM-Fußballspiels

Viel­leicht zählt der Wert, ein guter Ver­lie­rer zu sein, heu­te auch schon nichts mehr? Eben­so wie Tole­ranz, Geduld oder Respekt.

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Man schätzt sich nicht wirk­lich. Die­sen Ein­druck bekam ich ver­stärkt, als ich die Kom­men­ta­re las, die nach dem Aus­schei­den der tür­ki­schen Natio­nal­mann­schaft im EM-Vier­tel­fi­na­le gegen die Nie­der­lan­de geschrie­ben wur­den. Ist das nicht trau­rig? So vie­le Mil­lio­nen tür­kisch-stäm­mi­ger Men­schen mit und ohne deut­schen Pass leben mit uns. 

Trotz­dem scheint sich die latent spür­ba­re und doch nur gele­gent­lich auf­flam­men­de Abnei­gung zu ent­wi­ckeln. Das scheint vor allem bei denen, die schon in 3. oder 4. Gene­ra­ti­on in Deutsch­land leben, der Fall zu sein. Mein Gefühl wur­de zuletzt durch die hef­ti­gen Dis­kus­sio­nen rund ums The­ma Fuß­ball (Wolfs­gruß, Ras­sis­mus, Aus­län­der­feind­lich­keit sei­tens der auto­ch­to­nen Bevöl­ke­rung gepaart mit „typi­scher“ Unfreund­lich­keit) ver­stärkt. Das darf nicht wahr sein! Nach all den Jahr­zehn­ten bricht ein nicht gera­de klei­ner Teil unse­rer Bevöl­ke­rung mit den Wer­ten unse­res Grund­ge­set­zes und zieht die Scha­ria als Grund­la­ge des Zusam­men­le­bens vor.

Mir hat die tür­ki­sche Fuß­ball­na­tio­nal­mann­schaft gut gefal­len. Fuß­bal­le­risch. Es wur­de tol­ler, enga­gier­ter Fuß­ball gespielt. Dass der tür­ki­sche Prä­si­dent es sich nicht neh­men las­sen woll­te, sei­ne Mann­schaft im Vier­tel­fi­na­le anzu­feu­ern, war in Ord­nung. Auch, wenn ich zuge­ben muss, dass ich ihn am liebs­ten von hin­ten sehe. Aber ande­re Prä­si­den­ten tun das schließ­lich auch, war­um also nicht auch Erdoğan? Ja, er ist anders und wir frem­deln mit sei­ner Per­son nicht erst seit ges­tern. Er regiert die­ses Land nicht aber er lässt es nicht blei­ben, über sei­ne Com­mu­ni­ty erheb­li­chen Ein­fluss zu neh­men. Dar­über, dass natio­na­lis­ti­sche Krei­se in Deutsch­land die­sen Ein­fluss kri­ti­sie­ren, darf ich mich nicht wun­dern und tue es auch nicht.

Mir hat nicht gefal­len, wie das tür­ki­sche Publi­kum im Ber­li­ner Olym­pia­sta­di­on (mit 71.000 Zuschau­ern aus­ver­kauft!) die Spie­ler der Nie­der­lan­de bei jedem Ball­be­sitz so laut aus­ge­pfif­fen haben, wie ich das selbst bei Bun­des­li­ga­spie­len von Mann­schaf­ten, deren Fans sich herz­lich abge­neigt sind, nicht gehört habe. Übri­gens, auch dann nicht, wenn ein Spie­ler der geg­ne­ri­schen Mann­schaft den Ball führt, der sich gera­de etwas hat zuschul­den kom­men lassen.

Jetzt ist das Event fast zu Ende und wir leben wei­ter neben­ein­an­der her. Dar­an ändert auch nichts, wenn hier und da (in man­chen Fäl­len und in mei­nen Augen mit­un­ter etwas zu bemüht) die tür­ki­schen Freun­de erwähnt wer­den. Ich war eben bei einem tür­ki­schen Rei­fen­händ­ler, dem ich schon seit Jah­ren ver­traue. Da arbei­ten über­wie­gend Tür­ken. Auch ein paar Deut­sche sind dort beschäf­tigt. Es läuft offen­bar gut, die Kund­schaft ist, soweit ich es beur­tei­len kann, zufrie­den. Ich habe neben dem geschäft­li­chen Text die Euro­pa­meis­ter­schaft nicht ein­mal ange­spro­chen. War­um eigent­lich nicht? Ich fürch­te, wir haben uns wenig zu sagen. Und ich emp­fin­de es so, dass mei­ne Bar­rie­re kei­ne Aus­nah­me ist.

Ich las heu­te, dass es eine Online-Peti­ti­on gibt, deren Ziel ein Wie­der­ho­lungs­spiel Spanien:Deutschland ist. 400.000 Leu­te sol­len die­se gezeich­net haben. Sind die bekloppt oder doch nur schlech­te Ver­lie­rer? Viel­leicht auch bei­des? Was hät­ten die gesagt, wenn die Dänen auf­grund des uns zuge­spro­che­nen Elfers die­sen Affen­tanz auf­füh­ren würden?

Mich hat an den Pro­fis im Sport (über­all auf der Welt) immer beson­ders ange­spro­chen, wenn die­se sich als gute Ver­lie­rer erwie­sen. Das waren oft genau die­je­ni­gen, die bis zum Schluss alles gege­ben haben und (viel­leicht auch des­halb) häu­fig das bes­se­re Ende für sich hat­ten. Aber wenn sie ver­lo­ren hat­ten, waren sie fair und anstän­dig. Kein Nach­tre­ten, kei­ne Tira­den. Ich den­ke ins­be­son­de­re an Boris Becker, der gera­de in die­ser Hin­sicht für mich ein leuch­ten­des Bei­spiel und Vor­bild war. Er gab nie auf und – wenn er ver­lo­ren hat – war er fair und anstän­dig. Man muss nicht immer von frü­her ™ reden. Aber manch­mal drän­gen sich die Ver­glei­che auf. Übri­gens ken­ne ich das posi­ti­ve Ver­hal­ten von der deut­schen Natio­nal­mann­schaft über die vie­len Jahr­zehn­te, die ich ihre Spie­le gese­hen habe, eben­falls. Die ers­te WM, die ich (sehr) aktiv ver­folgt habe, fand 1966 statt. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Fußball-EM

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