Es ist zum Haare raufen, wie mittlerweile fast jeder rechts der Mitte daherkommt und jammert, seine Meinungsfreiheit sei bedroht! Da haben wir einen wie Julian Reichelt, der – um es mal vorsichtig auszudrücken – nicht gerade als das strahlende Vorbild journalistischer Tugend bekannt ist.
Nachdem er mit seinen Springer-internen-Eskapaden die Schlagzeilen dominiert hat, beschloss er via NIUS und seinen Jüngern, sich als Vorkämpfer für die freie Meinungsäußerung zu inszenieren und rief sogar das Bundesverfassungsgericht an, um dort „sein Recht“ einzufordern.
Und zu meinem Entsetzen bekam er auch noch recht! Man könnte über das alles lachen, wenn die massiven Aktivitäten von NIUS und all den anderen wie Pilze entstandenen rechten Medien nicht so abgründig und demokratiegefährdend wären.
Journalisten und ihre Verantwortung. Nicht von allen wird sie wahrgenommen.
Heißt die heutige Parole dieses Journalistendarstellers, dass wir in Deutschland die Restraketenvorräte der Bundeswehr mobilisieren und gegen einen, wie Reichelt sagt, der „islamistischen Mob“ in Stellung bringen sollten? Würde dieser Claudio Casula diesen markanten Claim: „Mehr Netanjahu wagen“ auch dann benutzt haben, wenn der israelische Ministerpräsident mit seiner todbringenden Offensive gegen Hamas und Hisbollah, in den letzten Wochen nicht so überaus erfolgreich gewesen wäre. Dieser Erfolg hat bekanntlich sehr viel mehr Zivilisten (u.a. Frauen und Kinder) als Terroristen das Leben gekostet.
Staatsraison um jeden Preis?
Dass wir in Deutschland, angeblich ja aus Gründen der „Staatsraison„, diesen Wahnsinn des Herrn Netanjahu unterstützen, kann ich persönlich immer weniger nachvollziehen. Deshalb stehe ich den Protesten von überwiegend jungen Palästinensern und linken Studentengruppen heute anders gegenüber als zu Beginn. Am Anfang war ich nur wütend darüber, dass die weltpolitischen Ereignisse sich auf Deutschland auswirken. Das zeigte lediglich, wie wenig ich verstanden hatte oder dass mich als 70-Jährigem diese damit verbundene „Unruhe“ gegen die private Hutschnur ging. Wie können die Ausländer es wagen, auf unseren Straßen zu demonstrieren und auf diese Art und Weise auch dafür zu sorgen, dass die Migrationsfrage auch durch diese Ereignisse weiter eskaliert wurde. Vielleicht versteht das jemand?
Ich habe mich von dieser Haltung verabschiedet. Es leben viele Menschen in unserem Land, die von den Ereignissen im Nahen Osten persönlich sehr direkt betroffen sind oder so fühlen. Die Ungerechtigkeit, die die israelischen Maßnahmen für die Menschen in den Regionen mit sich gebracht haben, hat jedes Maß verloren. Ich finde auch nicht, dass wir Deutsche aufgrund unserer Vergangenheit schweigen oder einseitig Position beziehen sollten. Deutschland hat keinen Einfluss auf Israel. Wie sollte das anders sein, wenn selbst die Amerikaner Netanjahu nicht von seinen Racheaktionen abhalten konnten? Trotzdem sollten wir nicht schweigen – aus welchen Gründen auch immer!
Leben in Gaza und im Libanon
Andererseits hätten die Terroristen (Hamas und Hisbollah) genug Zeit gehabt, die Lage zu entspannen und damit aktiv zur Verbesserung der Lebensumstände ihrer Bevölkerung beitragen können. Die Hamas hätte die Geiseln freilassen müssen und die Hisbollah hätte nicht seit dem 8. Oktober 2023 Israel ständig mit Raketen beschießen müssen. Dass angeblich eine Wiederholung der Gräuel der Hamas durch die Hisbollah geplant gewesen sein soll, passt auch nicht zur vielleicht unterstellten Friedensliebe der Terrorfürsten in Gaza und dem Libanon.
Verteidiger der Meinungsfreiheit
Und jetzt stehen sie da – die selbst ernannten Verteidiger der Meinungsfreiheit – und blasen ins Horn, als gäbe es tatsächlich einen Angriff auf diese Freiheit. Es gibt diesen Angriff nicht. Die Leute lassen sich bereitwillig instrumentalisieren, ja sogar gegen die Demokratie in Stellung bringen. Dabei dürfen all die Organe der Recht(s)schaffenheit schon immer und weiterhin ihre kruden Theorien und Verschwörungen in die Welt hinausposaunen, ohne dass sie jemand daran hindern würde. Und das tun sie ja auch: ob in Talkshows, auf Twitter oder in ihren Blogs. Es gibt den ÖRR, der in der Tat manche krasse Abweichler vom Mainstream nicht mehr berücksichtigt.
Skeptisch und kritisch sein
Das sehe ich persönlich kritisch, weil sie und ihre Anhänger diese Tatsache verwerten. Man sieht manche Leute kaum noch. Aber es gibt ja all diese Kanäle, die ihnen weiterhin offenstehen. Deshalb halte ich es für lächerlich, wenn behauptet wird, abseitige Meinungen würden unterdrückt, während sie im Land auf vielen Kanälen zu hören sind! Gut, ich pflege mir diesen Mist nicht anzuschauen, ich bevorzuge immer noch den ÖRR und lasse mich dafür anmachen. Auch von denen, die außer wachsendem Frust null Nutzen aus dem Konsum von Springer-Produkten oder weiter rechts gelagerten Medienprodukten ziehen dürfen. Hauptsache, man ist nach dem Konsum noch frustrierter und in seiner festgefahrenen Meinung bestärkt.
Es gibt mittlerweile viele Journalisten und Influencer, die einander darin überbieten, die Bundesregierung zu kritisieren. Diese Art von außerparlamentarischer „Opposition“ dürfte es in diesem Ausmaß nie gegeben haben. Bei YouTube oder anderswo unterhalten sie ihre eigenen Kanäle, die sie zum Teil mit durchaus beachtlichem technischen Aufwand betreiben.
Düstere Bilder einer verlorenen Gesellschaft
Sie malen düstere Bilder von einer Gesellschaft, die angeblich in der Meinungsdiktatur erstickt. Aber halt, Moment mal – sie selbst sind der lebende Beweis dafür, dass das Gegenteil der Fall ist! Jeder von ihnen kann seine Tiraden ungehindert verbreiten, erntet Applaus von seinen Anhängern, und wenn jemand widerspricht? Dann heißt es sofort: „Meinungsfreiheit in Gefahr! Zensur! Cancel Culture!“
Insgesamt finden solche Techniken allerdings schon statt. Ob man diese unter „Cancel Culture“ zusammenfassen sollte. Mir fällt das Beispiel ein, als der Ex-AfD-Chef nach seinem Austritt aus der AfD wieder unterrichten wollte. Es gab massiven Widerstand, der – ich weiß es gar nicht – möglicherweise inzwischen aufgegeben wurde. Linke Gruppen unter den Studenten wollten von Prof. Lucke nicht mehr unterrichtet werden. Dieser und andere Fälle scheinen zu belegen, dass dieser Begriff nicht grundlos in die öffentliche Diskussion gelangt ist.
Cancel Culture von links und rechts
Nehmen wir allerdings die ganze „Cancel Culture“-Debatte, ist das Thema komplexer und würde besser differenziert behandelt. Als plakative Parole ist sie nicht geeignet. Nicht von rechts und nicht von links. Diese wird ja so dargestellt, als ob jeder, der mal etwas Kontroverses sagt, sofort mundtot gemacht würde. In Wahrheit geht es doch darum, dass die Menschen – endlich! – anfangen, Verantwortung für das zu übernehmen, was sie sagen. Wenn jemand öffentlich menschenverachtenden Unsinn verbreitet und dafür Kritik erntet, dann ist das keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, sondern schlicht die Konsequenz, die auf ein Fehlverhalten erfolgen kann! Aber das verstehen solche Herrschaften nicht. Sie übersehen dabei geflissentlich, dass es sich bei solchen Kategorien um ein gesamtgesellschaftliches „Instrument“ zu handeln scheint.
WIR wollen alles sagen dürfen, aber ja keine Kritik kassieren.
Ein weiteres Beispiel: Alice Weidel von der AfD beklagte kürzlich, dass „das System“ die AfD mundtot machen wolle, weil sie angeblich keine Interviews in den Öffentlich-Rechtlichen bekäme. Doch gleichzeitig tummeln sich AfD-Politiker regelmäßig in Talkshows, verbreiten ihre Thesen und geben Interviews, die von Millionen gesehen werden. Wo genau ist denn da die angebliche Unterdrückung?
Es ist absurd, wie leicht manche Leute zu beeinflussen sind. Diese laute Minderheit aus Influencern, Journalisten und Verschwörungstheoretikern hat es geschafft, ihre Anhänger zu überzeugen, dass sie in einer Diktatur leben, obwohl sie in Wahrheit in einer der freiesten Gesellschaften der Welt leben. Sie dürfen alles sagen – aber wehe, man widerspricht ihnen, dann kreischen sie sofort: „Zensur!“ Aber Meinungsfreiheit bedeutet nun mal nicht, dass man keine Konsequenzen tragen muss, wenn man Unsinn verzapft.
Fassen wir zusammen: Diese sogenannte „eingeschränkte Meinungsfreiheit“ ist in Wahrheit nichts anderes als das Gejammer von Leuten, die nicht damit klarkommen, dass sie für ihre Meinungen kritisiert werden. Sie wollen alles sagen dürfen – aber niemand darf etwas gegen sie sagen. Das ist doch eine echte Farce.
Und dann lese ich das:
Auf solche Ereignisse wie dieses (sie sind zahlreich) weiß niemand eine gute Antwort. Remigrationsforderungen sind leicht gestellt. Aber wie sollen diese umgesetzt werden?
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