Es gibt sie, diese Siebengescheiten, die schon immer gewarnt haben, dass das nicht gut gehen wird. Das sind jene Universalgelehrten – auch gern mit Doktor- oder Professorentiteln, die sich allerdings, wenn es eng wird und Mitmachen gefragt wäre, sehr zügig aus der Verantwortung stehlen.
Hochkonjunktur hatten solche Muster intellektueller Redlichkeit nach der Immobilienkrise Ende der 2000-er Jahre und natürlich nachfolgenden Euro-Krise. Seitdem wird vor dem Absturz gewarnt. Mal ist es der Euro, mal die Weltwirtschaft. Jetzt ist es die deutsche Wirtschaft. Nun, irgendwas ist ja immer. Man muss nur warten können. Dann ergibt sich schon eine Gelegenheit, in weisen Worten und gern im Überschwang einer augenscheinlich angeborenen Überheblichkeit, ein echtes Fass aufzumachen.
Das erleben wir bei Twitter, Facebook und Co., eigentlich auf allen Social-Media-Kanälen. Was dort an mieser Stimmung „vorbeischaut“ ist kaum zu ertragen. Es geht dort meist nicht darum, irgendetwas zu erfahren oder womöglich seinen Horizont zu erweitern. Den meisten geht es darum, ihren Frust möglichst blau-braun gefärbt in diese übel riechende und längst überlaufenden Jauchegruben zu kippen. Ob es Zufall ist, dass manche von denen Blautöne als Basis ihrer Corporate Identity gewählt haben?
Wie auch immer: Leute wie Dr. Markus Krall sind willkommene Stichwortgeber für all die frustrierten, notleidenden deutschen Mitbürger, deren Frust ja doch kaum mehr in Worte zu fassen ist.
In einer Veranstaltung, deren Anfang ich mir bei YouTube zugemutet habe, äußerte sich dieser Herr erneut über diejenigen, die wir alle (Nichtwähler halten sich die Ohren zu!) irgendwann einmal gewählt haben. Sogar die FDP kam über 5 %. Warum eigentlich?
Markus Krall: Ökonom, Publizist und Gründungsvorstand der Atlas-Initiative – ist wieder im Goldgeschäft tätig. War da nicht mal was? „Capital“ brachte es schon damals auf den Punkt.
Markus Krall ist wieder im Goldgeschäft aktiv – „Goldkleber-Stimmung“, wie man so sagt.
Doch wie steht er zu Deutschland? Ich glaube persönlich: gar nicht.
Die Hiobsbotschaften überschlagen sich derzeit, und die jüngste ifo-Konjunkturprognose für Herbst 2024 eröffnet mit der Schlagzeile: „Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise fest.“ Das ist zumindest eine klare Einsicht. Weiter heißt es, dass wir es mit einer strukturellen Krise zu tun haben.
Hier also ein kleiner Auszug aus dem Video, das ich mir zum Teil zugemutet habe:
Herr Krall, handelt es sich um Turbulenzen oder befinden wir uns schon im Sinkflug? Wie steht es um den Wirtschaftsstandort Deutschland?
„Alles, wovor diejenigen gewarnt haben, die die Folgen dieser falschen Politik frühzeitig erkannt haben, ist eingetreten. Falsche Politik führt zu schlechten Ergebnissen. Und da wir derzeit von der schlechtesten Politikergeneration regiert werden, die Deutschland je hatte, erleben wir die Herrschaft der Kakistokratie – die Auswahl der schlechtesten einer Gesellschaft. Besonders dramatisch ist, dass diese Politiker sich auch noch für besonders klug halten. Die Auswahl der Schlechtesten einer Gesellschaft, die sich auch noch für besonders schlau halten. Ja, das sind die, deren Selbstbewusstsein in reziproker Relation zum Können steht.
Krall erläutert weiter:
Das Selbstbewusstsein der politischen Akteure steht in umgekehrter Relation zu ihrem Können. Je lauter und selbstbewusster sie auftreten, desto weniger Kompetenz steckt dahinter. Die wirklich intelligenten Personen werden bewusst ausgegrenzt, da sie zu Recht als Gefahr wahrgenommen werden.
Herr Krall und seine Freunde im Geiste zählen sich selbstredend zu denen, die es immer schon wussten. Solche Leute waren mir mein Leben lang unheimlich. Meistens sind es diese wie Krall gestrickten Charaktere, die ich als furchtbar narzisstische Versionen all derjenigen betrachte, die es am Ende vielleicht sogar gut meinen, aber anhand mangelnder Möglichkeiten ein ums andere Mal scheitern. Jedenfalls bekommen solche Leute selten ein Mandat. Und wenn, scheitern sie (s. die ebenfalls anwesende Frauke Petry).
Diese Leute irritieren, in dem sie behaupten, die intellektuelle Elite habe sich inzwischen auf den Weg gemacht, Deutschland zu verlassen. Es gehen nicht die Friseure oder die Lidl-Verkäuferinnen, erläutert Professor Ulrike Guérot. Dabei möchte sie doch so gern bürgerliches Verantwortungsbewusstsein ins Land zurückholen.
Dieses ekelhafte Übermaß an Selbstüberschätzung muss man als einfacher Mann erst einmal verdauen.
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Das Problem ist ja, dass sich Dinge immer am besten aus der Vergangenheit voraussagen lassen 🙂 Nach dem Motto: Das habe ich schon immer gewusst, lässt sich leicht auf den Putz hauen. Viele verstehen wahrscheinlich auch das Wesen einer Demokratie nicht. Natürlich kann man mit Recht behaupten, dass der oder die Politikerin sicher nicht die Idealbesetzung für ein bestimmtes Amt ist. Politiker werden gewählt, nicht nach Fähigkeiten, sondern nach Gefühl. Das ist ja auch der Grund, weshalb in den entscheidenden Gremien zig Berater vorab tätig werden. (Hoffe ich jedenfalls, manchmal hat man tatsächlich das Gefühl von Beratungsresistenz)
Das das naturgemäß in einigen Fällen schiefgeht, ist klar. Auf der anderen Seite kann ja jeder, der sich berufen fühlt, politisch aktiv werden.
So ist es, Peter. Vorhersagen sind eben schwierig, sofern sie die Zukunft betreffen. Im Prinzip richten sich die drastischen Beleidigungen die Krall gegen unsere Politiker und Institutionen ablässt implizit gegen uns Wähler. Wahrscheinlich ist dieses Bewusstsein der Grund dafür, dass ich den Mann nicht ab kann. Dieser Krall wollte auch mal eine Partei gründen, meine ich gehört zu haben. Hoffentlich bleibt uns der Typ dort erspart oder er verkriecht sich dorthin, wo er eigentlich hingehört. Nämlich zur Werteunion oder gleich zur AfD.
Mit dem Aufzeigen von guten Entwicklungen und Lösungen erzeugt man keine schlechte Stimmung, sondern gute Stimmung. Menschen mit guter Stimmung und Zuversicht sind unabhängiger und weniger manipulierbar als Menschen in Angst und Hoffnungslosigkeit.
Deswegen brauchen Politik und Wirtschaft diese „Apologeten des Untergangs“. Sie halten Menschen in Sorgen und Befürchtungen und damit jederzeit verfügbar für die Proklamation von einfachen Lösungen. Und für die Fokusverschiebungen weg von den tatsächlichen Problemen und hin zu den Problemen, für die man passende, plakativ einfache „Lösungen“ im Koffer hat. Siehe das sogenannte Migrationsproblem.
Oder kurz, weil lange bekannt:
Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten – vor allem für diejenigen, die populistisch Politik darauf aufbauen. Dazu reicht in aller Regel das mit Titeln und akademischen Graden vorgezeigte Schein-Expertentum aus, wenn die Alarmismus-Show medial entsprechend aufgeblasen wird.
Alles richtig, Boris. Das zentrale Problem mit diesen Leuten ist, dass ihnen viele Glauben schenken und sich entsprechend konditionieren lassen.
Du sprichst das Thema Migration an – ein Bereich, der mich persönlich beschäftigt. Am 1. Advent habe ich mit einigen Frauen zusammengesessen, die ich seit Jahrzehnten kenne. Früher hatten alle eine durchweg positive Haltung zur Migration. Doch das hat sich geändert. Heute berichten sie von negativen Erfahrungen, auch am eigenen Leib.
Es reicht nicht mehr aus, so zu tun, als seien diese Menschen grundlos „auf die andere Seite“ gewechselt. Die Realität hat sie geprägt. Es gibt zu viele schlechte Erfahrungen, die nicht ignoriert werden können.
Dass gerade dieses Thema unsere Gesellschaft so stark gespalten hat, fällt vielen schwer zu akzeptieren – auch mir. Noch schwieriger ist es, denjenigen recht zu geben, die diese Entwicklung schon 2015 vorausgesehen haben.