Merkels Buch hat ungefähr 720 Seiten. Die erste Auflage (400.000 Exemplare) ist verkauft. Die 2. wird gerade gedruckt (200.000). Die Springer-Leute (Welt) freuten sich kurz nach der Veröffentlichung darüber, dass (zunächst) nur 30.000 Exemplare verkauft wurden. Die „Junge Freiheit“ (Rechtsextrem) saugte Nektar, als Amazon die Rezensionen für das Buch abstellte. Ganz nach dem Motto: So geht man heute in Deutschland mit der Meinungsfreiheit um…
So hat eben jeder sein Vergnügen, allerdings mit durchaus wechselnden Vorzeichen.
Talkshow Gästin Angela Merkel
Einsicht in die Angela Merkel insbesondere von Nationalisten und Konservativen vorgeworfenen Fehler (Atomausstieg, Flüchtlingskrise, Corona, Russland, Nord Stream 2) war nicht zu erwarten. So viel wussten wir vorher.
Ich fand toll, wie sie die Talkshows der Republik bereichert hat. Und dann noch der Besuch bei Obama. Das nenne ich mal gelungene PR. Der Kanzler könnte sich eine Scheibe abschneiden!
Ein Thema will ich kurz herauspicken und beleuchten:
Es geht um den Niedergang Deutschlands und den Anteil, den Merkels Politik daran haben könnte. Es sind Milliarden an Steuereinnahmen hinzugekommen. Inzwischen liegen die Einnahmen fast bei 1 Billion EUR. Vor ungefähr 15 Jahren war es ungefähr die Hälfte. Trotzdem behaupten manche unserer Gegenwartspolitiker, wir müssten die Schuldenbremse lockern. Ich würde mich diesem Wunsch anschließen, weil es nun einmal so ist, dass die Infrastruktur und einige weitere nicht billige Kleinigkeiten in schlechtem Zustand sind.
Öffentliche Meinung antizipiert
Merkel hat gern Volkes Stimme antizipiert. Und das doch mit einigem Erfolg. Jedenfalls legt das ihre lange Amtszeit nahe. Eigentlich nennt man dieses Verhalten ja Populismus. Aber das ist nicht das Thema.
Vielmehr frage ich mich in diesen Tagen, wie die Alternativen hinsichtlich des Energiehungers unserer Wirtschaft wohl hätten aussehen können. Deutschland ist ein rohstoffarmes Land. Das weiß ich schon seit meiner Schulzeit. Während Bildung und Wissen unserer Bevölkerung als Konterpart dazu gehandelt wurden, haben wir an dieser Voraussetzung kaum etwas zu ändern vermocht.
Altpolitiker und die deutschen Interessen
Deshalb haben unsere Altpolitiker schon im Kalten Krieg die Idee entwickelt, Erdöl aus der damaligen Sowjetunion zu beziehen. Das hat erstaunlich geräusch- und problemlos funktioniert, selbst in nicht gerade seltenen Krisenzeiten dieser Ära.
Dass sich Deutschland mehr und mehr in eine Abhängigkeit von Russland begeben hat, ist eine Binse. Das kann nachgelesen werden und ja – vermutlich sind unsere Politiker zu sorglos mit den Risiken umgegangen. Die Grünen wussten das schon immer besser. Darauf reiten sie seit Jahren herum. Geschenkt!
Billige Energie auch aus politischen Gründen beibehalten
Dass Merkel in ihrem Buch erklärt, dass es nicht nur die Wirtschaft gewesen ist, die billige Energie gefordert hat, sondern dass sie auch aus politischen Gründen nichts an dieser komfortablen Lage (in Deutschland haben alle profitiert!) ändern wollte, gibt sie frank und frei zu. Sie wollte die Verbindung zu Russland und Putin nicht aufs Spiel setzen.
Ich verstehe das und die Kritiker sollten sich fairerweise vergegenwärtigen, aus welchem Grund unsere Wirtschaft (und damit wir alle) gerade unter die Räder zu geraten droht.
Stromkosten sind es nicht allein
Es sind nicht die von grüner Politik verursachten zu hohen Stromkosten, sondern die Energiekosten insgesamt, die unserer Wirtschaft massiv zusetzen. Dass auch Managementfehler (VW, Ford etc.) eine Rolle spielen, sei ebenfalls erwähnt.
Wie kann es sein, dass wir allen Ernstes Merkel für ihre Versäumnisse zur Verantwortung ziehen möchten (die AfD und ihre Banausen drohen ihr gar mit Gefängnis), auf der anderen Seite jedoch diesen einfachen Zusammenhang zwischen der heutigen Politik mit ihren hohen (vorrangig) moralischen Ansprüchen zwar Genüge tut, unsere ureigensten Interessen jedoch dabei völlig außer Acht lässt?
Wir haben unsere industrielle Basis und noch weitaus mehr aus Solidarität mit der Ukraine aufgegeben.
Ein bleibendes Problem, trotz erneuerbarer Energie
Für mich steht fest, die Energiekosten werden für deutsche Unternehmen ein Problem bleiben und somit den Ausgangspunkt für den Niedergang unserer wirtschaftlichen Prosperität bilden. Ich glaube, dass die anderen Kriterien (wie Steuern, Bürokratie, Fachkräftemangel) nicht den gleichen Rang haben wie die Energiekosten.
Als Putin den wahnsinnigen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat, konnte es vielen im Land nicht schnell genug gehen, die Energielieferungen aus Russland zu unterbinden. Es gab vereinzelt Warner, die u.a. die Frage stellten, was geschehen würde, wenn sich herausstellte, dass die Sanktionen unserem Land mehr schaden als Putins Russland. Wenn sich die Lage weiter verschlechtert, würde ich mich nicht wundern, wenn von diesen Folgen wieder keiner etwas geahnt haben will. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Umfragen vor Angela Merkels Atomausstieg. Aber das ist ein anderes Thema.
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Ich sehe das auch so, die Energiekosten sind das, was die Industrie am meisten umtreibt. Aus meiner Sicht gibt’s da nur zwei Möglichkeiten: Die Kosten werden an den Kunden weitergegeben oder sie werden staatlich subventioniert. Das ist eine heftige Abwägung, denn an der Industrie hängen über 7 Mio. Arbeitsplätze. Frau Merkel jetzt alles in die Schuhe schieben zu wollen, ist typisch, ich hatte von den üblichen Verdächtigen nichts anderes erwartet.
Die Politik ist jetzt gefordert, sich ernsthaft Gedanken zu machen, welchen Weg wir hier in der Bundesrepublik gehen wollen. Aus meiner Sicht ist eine Subventionierung der Energie (Strom und Gas) alternativlos. Denn wenn die Industrie abzieht, geht der Wohlstand gleich mit, davon bin ich überzeugt.
@Peter Lohren:
Reichen für diese langfristige und große Subventionierung unserer Unternehmen die Mittel? Ich kann mir nicht vorstellen, dass das funktionieren könnte. Kurzfristig schon, langfristig eher nicht. Wir werden nie mit den Energiepreisen der USA oder Chinas (u.a. Mitbewerber) konkurrieren können. Man könnte sagen, wie Alsleben (INSM) es in seinem Artikel im Handelsblatt beschreibt, uns normalen Bürgern diese Sicht aber in die Schuhe schiebt: Deutschland ist im Arsch.
Es gibt kein Zurück zur billigen Energie. Deshalb wird es auf Sicht nur weniger Wohlstand geben. Angekündigt war das im Kontext der Bekämpfung des Klimawandels. Was das allerdings für die Bürger des Landes bedeutet, erfahren wir nun ganz konkret und auf schmerzhaftem Weg.