Irgendeiner muss den Anfang machen. Warum nicht Deutschland?

Die deut­sche Regie­rung hat einen Vor­schlag gemacht, der dazu bei­tra­gen kann, dass nicht wie­der Hun­dert­tau­sen­de von Flücht­lin­gen nach Euro­pa kommen.

4 Minute/n


Merken

0

Der Vor­schlag, den Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­rin, Anne­gret Kramp-Kar­ren­bau­er, zum Krieg der Tür­ken gegen die Kur­den der Öffent­lich­keit unter­brei­tet hat, wirkt wie aus der Hüf­te geschos­sen. Ob er nach all­dem zei­gen soll, dass Deutsch­land doch die Füh­rungs­rol­le über­neh­men will, vor der wir uns (alle!) bis­her mit ziem­lich schlech­ten Ergeb­nis­sen her­um­drü­cken? Und damit mei­ne ich durch­aus nicht nur die Frech­hei­ten, die wir uns von Erdo­gan bie­ten lassen.

Ein wenig sou­ve­rä­ner Ein­druck ent­stand ges­tern Abend, weil AKK erneut deut­li­che rhe­to­ri­sche Schwä­chen zeig­te. Wir sind dar­an zwar schon gewöhnt. Aber in die­sem Fal­le hät­te ich mir mal einen wirk­lich „sat­tel­fes­ten“ Vor­trag gewünscht. 

Die Kri­tik der Medi­en ist schon inso­fern berech­tigt. Vor allem aber soll­te man kei­nen Para­dig­men – Wech­sel ver­kün­den, ohne einen über­zeu­gen­den Vor­trag zur Begrün­dung. Sor­ry, wenn ich so deut­lich aus­drü­cke! Das ist mir zu typisch für die gegen­wär­ti­ge Regie­rung. Man muss sich schämen.

Wie reagieren Erdogan und Putin?

Dass AKK in die Initia­ti­ve die Tür­kei und Russ­land ein­bin­det und gleich­zei­tig sagt, dass sie mit den Ame­ri­ka­nern, den Fran­zo­sen und den Bri­ten gespro­chen hat, zeigt die Halb­her­zig­keit die­ser Initia­ti­ve. Ver­sucht die Bun­des­re­gie­rung das Heft des Han­delns nicht völ­lig aus der Hand zu geben? Dabei hat sie doch genau das längst gemacht. 

Heu­te reden Putin und Erdo­gan über den Kon­flikt. Es wäre wich­tig gewe­sen, dass die bei­den Prä­si­den­ten vor­her Aus­führ­li­che­res von AKK gehört hät­ten – bes­ser noch: von der Kanzlerin.

Wahre Motive

Ich glau­be, das es der Deut­schen Regie­rung weni­ger dar­um geht, im Kon­flikt zwi­schen der Tür­kei und den Kur­den Initia­ti­ve zu zei­gen. Es gibt ego­is­ti­sche (und nach­voll­zieh­ba­re) Grün­de dafür, wes­halb die Regie­rung in die Vor­hand kom­men möchte. 

Ich habe in die­sem Zusam­men­hang schon über Erdo­gans Idee geschrie­ben, die syri­schen Flücht­lin­ge aus der Tür­kei in die so genann­te Sicher­heits­zo­ne umzu­sie­deln. Es ist im euro­päi­schen, vor allem auch im deut­schen Inter­es­se, dass nicht wie­der Hun­dert­tau­sen­de von Flücht­lin­gen nach Euro­pa kom­men. Die­se Gefahr ist ange­sichts der wach­sen­den Span­nun­gen zwi­schen der tür­ki­schen Bevöl­ke­rung und den syri­schen Flücht­lin­gen real. Die­se hat bekannt­lich auch aus wirt­schaft­li­chen Grün­den zuge­nom­men. Inso­fern ist Erdo­gans Dro­hung, dass er die Flücht­lin­ge nach Euro­pa schickt, durch­aus ernst zu nehmen. 

Unse­re Regie­rung und die Oppo­si­ti­on spre­chen zwar davon, dass Zwangs­um­sied­lun­gen von Flücht­lin­gen uner­wünscht sei­en. Aber wir wis­sen, dass sol­che mora­li­schen Vor­be­hal­te nur für die Kulis­se bestimmt sind. Wir reden doch stän­dig über Flucht­ur­sa­chen. Dann soll­te der Wunsch vie­ler Flücht­lin­ge in Hei­mat­nä­he zu blei­ben, schon ernst genom­men wer­den. Die Mög­lich­kei­ten einer Sicher­heits­zo­ne im Nor­den Syri­ens wird nicht erst seit ges­tern dis­ku­tiert und wur­de auch nicht von den Tür­ken erfun­den. Immer wie­der gab es Vor­schlä­ge, Sicher­heits­zo­nen ein­zu­rich­ten, um dort syri­sche Flücht­lin­ge (auch im wohl­ver­stan­de­nen eige­nen Inter­es­se) eine Per­spek­ti­ve zu geben. Dass das Erdo­gan-Pro­jekt von der EU bezahlt wer­den soll (ca. 24 Mil­li­ar­den Euro!) mag für man­chen wie eine wei­te­re Unver­schämt­heit des Dik­ta­tors wirken. 

Menschenwürde /​europäische Werte

In Wahr­heit wäre die euro­päi­sche Betei­li­gung an einer men­schen­wür­di­gen Unter­brin­gung syri­scher Flücht­lin­ge auch dann eine Alter­na­ti­ve, wenn die­se mit nicht mit ganz frei­wil­li­gen Umsied­lun­gen ein­her­gin­gen. Wir wis­sen seit Lan­gem, dass vor allem die dem UNHCR feh­len­den Gel­der (Ver­sor­gung der Flücht­lin­ge) zum Flücht­lings – Run 2015 führten.

Wenn AKK’s Vor­schlä­ge auf ein posi­ti­ves Echo tref­fen soll­ten, wäre den Kur­den hin­sicht­lich ihres Ter­ri­to­ri­ums nicht gehol­fen. Viel­leicht könn­ten die Euro­pä­er, sofern sie den deut­schen Vor­schlag unter­stüt­zen, mit einer zeit­lich befris­te­ten mili­tä­ri­schen Prä­senz dafür sor­gen, dass es inner­halb der ca. 480 km lan­gen und 38 km tie­fen Sicher­heits­zo­ne fried­lich bleibt. Die Fra­ge ist offen, ob das Gebiet für Erdo­gans Pro­jekt in man­cher­lei Hin­sicht (aktu­el­le Besied­lung, Boden, Infra­struk­tur) geeig­net wäre. Kön­nen dort neben den heu­ti­gen Städ­ten und Sied­lun­gen die geplan­ten 140 Dör­fer und zehn Städ­te mit Schu­len, Kran­ken­häu­sern und Moscheen ent­ste­hen? Über alle Fra­gen, die damit zu tun haben, könn­te man reden und end­lich etwas tun, was den Men­schen dort wirk­lich hilft.

Wo ist Merkel?

Wes­halb die Kanz­le­rin die­sen deut­schen Vor­schlag nicht selbst in die Öffent­lich­keit gebracht hat, ist mir schlei­er­haft. Allein die Tat­sa­che, dass und wie Anne­gret Kramp-Kar­ren­bau­er, die Öffent­lich­keit infor­mier­te, gibt zu den­ken und schwächt die Erfolgs­aus­sich­ten von vorn­her­ein. Dass der Plan inner­halb der Regie­rung nicht ein­mal mit dem Koali­ti­ons­part­ner abge­stimmt war, über­rascht fast schon nicht mehr. 

Avan­ti Dilet­tan­ti.

Diesen Beitrag teilen:
0CDD5CFF 182F 485A 82C6 412F91E492D0
Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Europa EuropäischeUnion Kurden Türken

Quelle Featured-Image: Standardbild...

Letztes Update:

Anzahl Wörter im Beitrag: 741
Aufgerufen gesamt: 30 mal
Aufgerufen letzte 7 Tage: 5 mal
Aufgerufen heute: 1 mal

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


✅ Beitrag gemerkt! Favoriten anzeigen
0
Share to...
Your Mastodon Instance