Wissen aber nicht verstehen.

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Die Vorstellung ist ver­stö­rend, dass die Generationen, die aktu­ell die Erde bevöl­kern, viel­leicht Zeitzeugen eines Wandels sind, der zur Kürze unse­rer indi­vi­du­el­len Lebenszeit über­haupt nicht pas­sen will. Wieso ver­än­dern sich bis­her als gemä­ßigt gel­ten­de Klimazonen so schnell in Regionen mit tod­brin­gen­den Unwettern?

Wer ver­fügt über das Vorstellungsvermögen, dass aus­ge­rech­net wir Zeitzeugen von Veränderungen auf unse­rer Erde sind, die die Zukunft unse­rer Spezies infra­ge stellen?

Der Kölner sagt gern: Et jeht immer wig­ger. Und was, wenn nicht, wenn alles ganz anders ist und die Erde Signale sen­det, dass sie so nicht wei­ter­ma­chen kann? Wie ein sich auf­bäu­men­des Pferd, das sei­nen Reiter abwirft? 

Mein Vater hat die­sen Spruch gefühlt tau­send­mal gesagt. Meistens hing er noch ein „Jong” hin­ten­dran. Er war 1922 gebo­ren und ist im Mai 2003 im Alter von 80 Jahren gestor­ben. Er war von 1939 bis 1945 im Krieg und von 1945 bis 1949 in rus­si­scher Kriegsgefangenschaft. Er wuss­te, was Hoffnung ist. Vermutlich brach­te der köl­sche Spruch das auf den Punkt. Was er wohl zu der Entwicklung unse­rer Welt gesagt hät­te? Er hat wie vie­le ande­re Menschen in sei­nem viel­leicht wich­tigs­ten Lebensabschnitt, sei­nen zwan­zi­ger Lebensjahren, so viel Leid und Not erfah­ren, dass ich die­sen von ihm viel zitier­ten Spruch nicht als Fatalismus, son­dern als Ausdruck von Lebensklugheit inter­pre­tiert habe.

Vielleicht hat das Bonmot Ewigkeitswert. Die Menschheit könn­te zwar irgend­wann von die­sem Planeten ver­schwin­den, weil sie es mit ihrer Ignoranz fer­tig­brach­te, die eige­nen Lebensgrundlagen zu zer­stö­ren, trotz­dem gin­ge es wei­ter. Bloß ohne uns.

Manche Lebensformen mögen geeig­net sein, sich lebens­feind­li­chen Verhältnissen anzu­pas­sen. Von Kakerlaken habe ich so etwas mal gele­sen. Die Evolution hat auch beim Menschen zu Anpassungen geführt, aber man­che Voraussetzungen und Grundlagen, die Universum und unse­re Erde für unser Leben geschaf­fen haben, wer­den wir durch Anpassungsfähigkeit nicht aus­glei­chen kön­nen, den­ke ich. 

Exkurs:


Die Außentemperatur gehört sicher dazu. In bestimm­ten Regionen der Welt herr­schen Temperaturen von weit über vier­zig Grad. In der Sahara, der größ­ten Wüste der Erde (9 Mio. km²), herr­schen im Sommer Temperaturen von 30° Celsius, Höchsttemperaturen von 37° wer­den häu­fig über­schrit­ten. „Als die hei­ßes­ten Orte der Welt gal­ten bis­her das Death Valley in den USA und El Aziziyah in Libyen am Rande der Sahara. Dort wur­den 1913 und 1922 die bis­lang höchs­ten Werte regis­triert: 56,7 und 58,0 Grad Celsius.” (Quelle: Wikipedia). In der Sahara leben fünf Millionen Menschen. 60 % der Menschen dort sind sess­haft, der Rest sind Nomaden und Halbnomaden. Die Temperaturschwankungen zwi­schen Tag und Nacht sind gra­vie­rend. Nachts kön­nen in man­chen Gebieten bis zu Minus 16 Grad gemes­sen wer­den.

Für die Bevölkerung vie­ler Anrainerstaaten sind Erdöl und Erdgas wirt­schaft­lich beson­ders bedeut­sam. Der durch den Kampf gegen den Klimawandel bevor­ste­hen­de Bedeutungsverlust der Existenzgrundlagen könn­te einen Exodus aus die­sen Gebieten nach sich ziehen. 

Der ener­vie­ren­de TV-​Arzt Dr. Hirschhausen erklärt gern auf pla­ka­ti­ve Art. So weist er gern dar­auf hin, dass Fieberthermometer nur bis 41° anzei­gen, weil der Mensch höhe­re Körpertemperaturen nicht über­le­ben wür­de. Das ist wahr. 

Ich fra­ge mich aller­dings, wie es sein kann, dass wir gern in Urlaubsgebiete rei­sen, in denen auch gern mal deut­lich mehr als 40° gemes­sen wer­den. Trotzdem ist klar, dass die­ser sagen wir populär-​wissenschaftliche Ansatz einen wah­ren Kern hat. Menschen, die unser mode­ra­tes Klima über Generationen gewohnt sind, sind für ein dau­er­haf­tes Leben bei hohen Temperaturen nicht vor­be­rei­tet. Die hohen Temperaturen der letz­ten 3 Jahre haben nach­weis­lich vie­le tau­send Menschenleben gefordert. 

Die Frage, ob wir uns groß­flä­chig etwa mit Klimaanlagen oder tech­ni­schen Innovationen vor sol­chen Auswirkungen schüt­zen könn­ten, muss man nicht posi­tiv beantworten.

Die Veränderungen, die die meis­ten Wissenschaftler den Folgen des Klimawandels zuschrei­ben und die wir in Echtzeit mit­an­se­hen müs­sen, sind in ihren Dimensionen erschreckend. 

Ich fra­ge mich, ob sie erschre­ckend und häu­fig genug sind, um das in Gang zu set­zen, was wir, die gesam­te Menschheit errei­chen müss­te, um die Folgen für unse­re Spezies und alle ande­ren Lebensformen auf unse­rer Erde zu mil­dern oder – wün­schens­wer­ter Weise – zu vermeiden. 

Der Blick in vie­le Länder zeigt eine unge­wöhn­li­che Häufung von Extremwetterereignissen. Ich glau­be, ein Zusammenhang mit dem men­schen­ge­mach­ten Klimawandel kann inzwi­schen nicht mehr ernst­haft bestrit­ten wer­den. Mir ist aber klar, dass der oft auch ideo­lo­gisch moti­vier­te Streit trotz­dem wei­ter­ge­hen wird. 

China, Russland und Indien hät­ten aber einen rasche­ren Ausstieg aus der Kohle abge­lehnt. Der deut­sche Umwelt-​Staatssekretär Flasbarth sprach von sehr schwie­ri­gen Verhandlungen. UN-​Klimachefin Espinosa rief die G20-​Staaten dazu auf, bei der Weltklimakonferenz im November in Glasgow mehr Entschlossenheit zu zeigen.

China, Russland und Indien blo­ckie­ren Klimaziele bei G20-​Treffen | BR24

Beim G‑20 Treffen der Umweltminister haben Russland, China und Indien deut­lich pro­tes­tiert, als es um die Kohleförderung und ‑Verbrennung ging. Hier habe ich das schon mehr­fach ange­spro­chen und dafür immer nur Relativierungen als Echo erhalten. 

Russland, China und Indien könn­ten sich beim bald anste­hen­den G‑20 Gipfel noch besin­nen. Denn bei die­sen Ländern geht es „ledig­lich” um einen frü­he­ren Ausstiegstermin. Ich per­sön­lich bin aus den in mei­nen ande­ren Beiträgen beschrie­be­nen Gründen aller­dings skep­tisch. Es gibt eine wei­te­re Nation, die sich beim Kohleausstieg nega­tiv verhält. 

Australien will den Kohleabbau wei­ter for­cie­ren. Statt aus der Kohle aus­zu­stei­gen, beab­sich­tigt die aus­tra­li­sche Regierung die Förderung bis 2030 um 17 % zu stei­gern. Australien emit­tiert übri­gens 1,6 Prozent Kohlendioxid. Diese offi­zi­el­le Zahl, die die aus­tra­li­sche Regierung gern als Argument in Diskussionen ein­führt, wur­de durch eine neue Analyse infra­ge gestellt. Hiernach sind von Australien alles in allem 3,6 % aller Kohlendioxid-​Emissionen zu ver­ant­wor­ten. Australien för­dert fast 30 % der Kohle, die welt­weit abge­baut wird und ca. 20 % des welt­weit gehan­del­ten Erdgases. 

Bemerkenswert war die Überschrift eines Artikels von BUND aus dem ver­gan­ge­nen Jahr. Die kata­stro­pha­len Brände in Australien waren noch im Gange. BUND titel­te: „Australien brennt – und Deutschland macht wei­ter in Kohle?

Diese Leute vom BUND tun also so, als wäre es das deut­sche Unternehmen Siemens, das eine Verantwortung zu tra­gen hät­te, die doch in Wahrheit dem aus­tra­li­schen Volk bzw. der dor­ti­gen Regierung zukommt. Im Kampf um den Klimaschutz ist man­chen Leuten offen­bar jedes Mittel recht. Das fin­de ich falsch, denn es führt dazu, dass wir im eige­nen Land Geschlossenheit bei die­sem wich­ti­gen Anliegen verlieren.

Über Siemens’ Mithilfe beim Bau einer neu­en Kohlemine in Australien wur­de ange­sichts der dor­ti­gen ver­hee­ren­den Brände viel dis­ku­tiert in den ver­gan­ge­nen Tagen. Aber auch hier, bei uns in Deutschland, soll trotz Kohleausstieg noch ein neu­es Kohlekraftwerk ans Netz gehen. Das müs­sen wir ver­hin­dern – auch, um den Menschen in Australien zu helfen.

Australien brennt – und Deutschland macht wei­ter in Kohle? – BUND e.V.

Wir sehen, dass die erneu­er­ba­ren Energien, einen deut­lich gerin­ge­ren Anteil haben, als es lan­ge behaup­tet wur­de. Wie will die Politik es schaf­fen, den Anteil der erneu­er­ba­ren Energieträger so deut­lich zu ver­grö­ßern, dass auf Stromzulieferungen aus dem Ausland (Atomkraft, Kohle) wirk­lich ver­zich­tet wer­den kann? Ist das ange­sichts einer wach­sen­den Gegenöffentlichkeit über­haupt rea­lis­tisch? Es ist unfair, Laschet vor­zu­hal­ten, den Ausbau von Windrädern zu blo­ckie­ren. Schließlich exis­tie­ren in ande­ren Bundesländern fast iden­ti­sche Bestimmungen hin­sicht­lich der Abstände zu Siedlungen. 

Die Grünen lie­gen in den Umfragen immer noch zwi­schen 18 % und 19 %. Das ist ange­sichts der Katastrophe schon irri­tie­rend. Ich hat­te erwar­tet, dass die Ausschläge deut­li­cher wären und die CDU erheb­li­che Verluste erlei­den, wäh­rend die Grünen deut­lich zule­gen wür­den. Hervorragend fand ich Annalena Baerbocks Entscheidung, die Krisengebiete ohne Medienbegleitung zu besu­chen. Daran hät­ten sich ande­re Politiker viel­leicht ein Beispiel neh­men kön­nen? Andererseits könn­te man aller­dings sagen, dass sie auch in die­ser Sache wenig Professionalität an den Tag gelegt hätte. 

Ihre Stellungnahmen und Reaktionen auf die Katastrophe dran­gen weni­ger durch als die der Wettbewerber jeg­li­cher Couleur. Die konn­ten ihre Nasen nicht oft genug in den Kameras sehen. Ich emp­fand den Umgang der Grünen mit dem Unglück als vor­bild­lich. Hoffentlich wer­den sie auch davon profitieren!


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2 Gedanken zu „Wissen aber nicht verstehen.“

  1. Dieses für das Überleben der Menschheit wich­ti­ge Thema soll­te kom­plett ohne Parteipolitik und Ideologien bespro­chen wer­den. Das, was sich abspielt, inter­es­siert sich nicht für Parteien und ähn­li­chen Firlefanz. Hier soll­ten Wissenschaftler zum Zug kom­men und jede Regierung soll­te sich bewusst dar­über sein, dass ein schnel­ler Zug gera­de unge­bremst und sehen­den Auges gegen eine mas­si­ve Wand fährt.

    Wir brau­chen Lösungen, kein Geschwätz, kei­ne Relativierungen und vor allem kei­ne Wissenschaftsleugner.

🐞 Auch kleine Gesten zählen.

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