Sorry, your browser does not support inline SVG. Horst Schulte

7 Minuten

Wissen aber nicht verstehen.

Die Vorstellung ist verstörend, dass die Generationen, die aktuell die Erde bevölkern, vielleicht Zeitzeugen eines Wandels sind, der zur Kürze unserer individuellen Lebenszeit überhaupt nicht passen will. Wieso verändern sich bisher als gemäßigt geltende Klimazonen so schnell in Regionen mit todbringenden Unwettern?

Wer verfügt über das Vorstellungsvermögen, dass ausgerechnet wir Zeitzeugen von Veränderungen auf unserer Erde sind, die die Zukunft unserer Spezies infrage stellen?

Der Kölner sagt gern: Et jeht immer wigger. Und was, wenn nicht, wenn alles ganz anders ist und die Erde Signale sendet, dass sie so nicht weitermachen kann? Wie ein sich aufbäumendes Pferd, das seinen Reiter abwirft?

Mein Vater hat diesen Spruch gefühlt tausendmal gesagt. Meistens hing er noch ein „Jong“ hintendran. Er war 1922 geboren und ist im Mai 2003 im Alter von 80 Jahren gestorben. Er war von 1939 bis 1945 im Krieg und von 1945 bis 1949 in russischer Kriegsgefangenschaft. Er wusste, was Hoffnung ist. Vermutlich brachte der kölsche Spruch das auf den Punkt. Was er wohl zu der Entwicklung unserer Welt gesagt hätte? Er hat wie viele andere Menschen in seinem vielleicht wichtigsten Lebensabschnitt, seinen zwanziger Lebensjahren, so viel Leid und Not erfahren, dass ich diesen von ihm viel zitierten Spruch nicht als Fatalismus, sondern als Ausdruck von Lebensklugheit interpretiert habe.

Vielleicht hat das Bonmot Ewigkeitswert. Die Menschheit könnte zwar irgendwann von diesem Planeten verschwinden, weil sie es mit ihrer Ignoranz fertigbrachte, die eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören, trotzdem ginge es weiter. Bloß ohne uns.

Manche Lebensformen mögen geeignet sein, sich lebensfeindlichen Verhältnissen anzupassen. Von Kakerlaken habe ich so etwas mal gelesen. Die Evolution hat auch beim Menschen zu Anpassungen geführt, aber manche Voraussetzungen und Grundlagen, die Universum und unsere Erde für unser Leben geschaffen haben, werden wir durch Anpassungsfähigkeit nicht ausgleichen können, denke ich.

Exkurs:


Die Außentemperatur gehört sicher dazu. In bestimmten Regionen der Welt herrschen Temperaturen von weit über vierzig Grad. In der Sahara, der größten Wüste der Erde (9 Mio. km²), herrschen im Sommer Temperaturen von 30° Celsius, Höchsttemperaturen von 37° werden häufig überschritten. „Als die heißesten Orte der Welt galten bisher das Death Valley in den USA und El Aziziyah in Libyen am Rande der Sahara. Dort wurden 1913 und 1922 die bislang höchsten Werte registriert: 56,7 und 58,0 Grad Celsius.“ (Quelle: Wikipedia). In der Sahara leben fünf Millionen Menschen. 60 % der Menschen dort sind sesshaft, der Rest sind Nomaden und Halbnomaden. Die Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht sind gravierend. Nachts können in manchen Gebieten bis zu Minus 16 Grad gemessen werden.

Für die Bevölkerung vieler Anrainerstaaten sind Erdöl und Erdgas wirtschaftlich besonders bedeutsam. Der durch den Kampf gegen den Klimawandel bevorstehende Bedeutungsverlust der Existenzgrundlagen könnte einen Exodus aus diesen Gebieten nach sich ziehen.

Der enervierende TV-Arzt Dr. Hirschhausen erklärt gern auf plakative Art. So weist er gern darauf hin, dass Fieberthermometer nur bis 41° anzeigen, weil der Mensch höhere Körpertemperaturen nicht überleben würde. Das ist wahr.

Ich frage mich allerdings, wie es sein kann, dass wir gern in Urlaubsgebiete reisen, in denen auch gern mal deutlich mehr als 40° gemessen werden. Trotzdem ist klar, dass dieser sagen wir populär-wissenschaftliche Ansatz einen wahren Kern hat. Menschen, die unser moderates Klima über Generationen gewohnt sind, sind für ein dauerhaftes Leben bei hohen Temperaturen nicht vorbereitet. Die hohen Temperaturen der letzten 3 Jahre haben nachweislich viele tausend Menschenleben gefordert.

Die Frage, ob wir uns großflächig etwa mit Klimaanlagen oder technischen Innovationen vor solchen Auswirkungen schützen könnten, muss man nicht positiv beantworten.

Die Veränderungen, die die meisten Wissenschaftler den Folgen des Klimawandels zuschreiben und die wir in Echtzeit mitansehen müssen, sind in ihren Dimensionen erschreckend.

Ich frage mich, ob sie erschreckend und häufig genug sind, um das in Gang zu setzen, was wir, die gesamte Menschheit erreichen müsste, um die Folgen für unsere Spezies und alle anderen Lebensformen auf unserer Erde zu mildern oder – wünschenswerter Weise – zu vermeiden.

Der Blick in viele Länder zeigt eine ungewöhnliche Häufung von Extremwetterereignissen. Ich glaube, ein Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimawandel kann inzwischen nicht mehr ernsthaft bestritten werden. Mir ist aber klar, dass der oft auch ideologisch motivierte Streit trotzdem weitergehen wird.

China, Russland und Indien hätten aber einen rascheren Ausstieg aus der Kohle abgelehnt. Der deutsche Umwelt-Staatssekretär Flasbarth sprach von sehr schwierigen Verhandlungen. UN-Klimachefin Espinosa rief die G20-Staaten dazu auf, bei der Weltklimakonferenz im November in Glasgow mehr Entschlossenheit zu zeigen.

China, Russland und Indien blockieren Klimaziele bei G20-Treffen | BR24

Beim G-20 Treffen der Umweltminister haben Russland, China und Indien deutlich protestiert, als es um die Kohleförderung und -Verbrennung ging. Hier habe ich das schon mehrfach angesprochen und dafür immer nur Relativierungen als Echo erhalten.

Russland, China und Indien könnten sich beim bald anstehenden G-20 Gipfel noch besinnen. Denn bei diesen Ländern geht es „lediglich“ um einen früheren Ausstiegstermin. Ich persönlich bin aus den in meinen anderen Beiträgen beschriebenen Gründen allerdings skeptisch. Es gibt eine weitere Nation, die sich beim Kohleausstieg negativ verhält.

Australien will den Kohleabbau weiter forcieren. Statt aus der Kohle auszusteigen, beabsichtigt die australische Regierung die Förderung bis 2030 um 17 % zu steigern. Australien emittiert übrigens 1,6 Prozent Kohlendioxid. Diese offizielle Zahl, die die australische Regierung gern als Argument in Diskussionen einführt, wurde durch eine neue Analyse infrage gestellt. Hiernach sind von Australien alles in allem 3,6 % aller Kohlendioxid-Emissionen zu verantworten. Australien fördert fast 30 % der Kohle, die weltweit abgebaut wird und ca. 20 % des weltweit gehandelten Erdgases.

Bemerkenswert war die Überschrift eines Artikels von BUND aus dem vergangenen Jahr. Die katastrophalen Brände in Australien waren noch im Gange. BUND titelte: „Australien brennt – und Deutschland macht weiter in Kohle?

Diese Leute vom BUND tun also so, als wäre es das deutsche Unternehmen Siemens, das eine Verantwortung zu tragen hätte, die doch in Wahrheit dem australischen Volk bzw. der dortigen Regierung zukommt. Im Kampf um den Klimaschutz ist manchen Leuten offenbar jedes Mittel recht. Das finde ich falsch, denn es führt dazu, dass wir im eigenen Land Geschlossenheit bei diesem wichtigen Anliegen verlieren.

Über Siemens‘ Mithilfe beim Bau einer neuen Kohlemine in Australien wurde angesichts der dortigen verheerenden Brände viel diskutiert in den vergangenen Tagen. Aber auch hier, bei uns in Deutschland, soll trotz Kohleausstieg noch ein neues Kohlekraftwerk ans Netz gehen. Das müssen wir verhindern – auch, um den Menschen in Australien zu helfen.

Australien brennt – und Deutschland macht weiter in Kohle? – BUND e.V.

Wir sehen, dass die erneuerbaren Energien, einen deutlich geringeren Anteil haben, als es lange behauptet wurde. Wie will die Politik es schaffen, den Anteil der erneuerbaren Energieträger so deutlich zu vergrößern, dass auf Stromzulieferungen aus dem Ausland (Atomkraft, Kohle) wirklich verzichtet werden kann? Ist das angesichts einer wachsenden Gegenöffentlichkeit überhaupt realistisch? Es ist unfair, Laschet vorzuhalten, den Ausbau von Windrädern zu blockieren. Schließlich existieren in anderen Bundesländern fast identische Bestimmungen hinsichtlich der Abstände zu Siedlungen.

Die Grünen liegen in den Umfragen immer noch zwischen 18 % und 19 %. Das ist angesichts der Katastrophe schon irritierend. Ich hatte erwartet, dass die Ausschläge deutlicher wären und die CDU erhebliche Verluste erleiden, während die Grünen deutlich zulegen würden. Hervorragend fand ich Annalena Baerbocks Entscheidung, die Krisengebiete ohne Medienbegleitung zu besuchen. Daran hätten sich andere Politiker vielleicht ein Beispiel nehmen können? Andererseits könnte man allerdings sagen, dass sie auch in dieser Sache wenig Professionalität an den Tag gelegt hätte.

Ihre Stellungnahmen und Reaktionen auf die Katastrophe drangen weniger durch als die der Wettbewerber jeglicher Couleur. Die konnten ihre Nasen nicht oft genug in den Kameras sehen. Ich empfand den Umgang der Grünen mit dem Unglück als vorbildlich. Hoffentlich werden sie auch davon profitieren!

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2 Gedanken zu „Wissen aber nicht verstehen.“

  1. Dieses für das Überleben der Menschheit wichtige Thema sollte komplett ohne Parteipolitik und Ideologien besprochen werden. Das, was sich abspielt, interessiert sich nicht für Parteien und ähnlichen Firlefanz. Hier sollten Wissenschaftler zum Zug kommen und jede Regierung sollte sich bewusst darüber sein, dass ein schneller Zug gerade ungebremst und sehenden Auges gegen eine massive Wand fährt.

    Wir brauchen Lösungen, kein Geschwätz, keine Relativierungen und vor allem keine Wissenschaftsleugner.

    Antworten
  2. Vollkommen deiner Meinung. Es sollte jetzt DIE Wissenschaft das Wort haben. Alle ökonomischen und ökologischen Kompetenz muss zusammengebracht werden und die Politik hat auf diese zu hören. Wenn das global doch nur möglich wäre. Aber du siehst, wie selbst angesichts der aktuellen Erkenntnisse (nicht nur in D) die großen Verschmutzer China, Indien und Australien sich dazu verhalten. Es ist deprimierend.

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