Wieso sollte ein Schwarzer deutsche Volksmusik singen, während weißen Sängern die Dreadlocks verboten werden?

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Als heu­te bei Twitter der Hashtag #RobertoBlanco auf­tauch­te, bekam ich zuerst einen Schreck. Er wird doch nicht? Nein, Gott sei Dank nicht. Ein Rest von Humor in Deutschland kur­siert also noch. Und damit mei­ne ich nicht, den bei mir erzeug­ten Schrecken.

Heute Morgen las ich, dass eine Berner Mundartband ihren Auftritt in der Schweiz abge­bro­chen hat­te, weil sich eini­ge Besucher des Konzerts „nicht wohl” fühl­ten. Dieses Unwohlsein hat­te damit zu tun, dass ein Mitglied (oder meh­re­re) Dreadlocks tru­gen und Reggae spielten. 

Das Publikum war dar­auf nicht vor­be­rei­tet. Ein kras­ser Fall von kul­tu­rel­ler Aneignung also. Nun fand die­ses Konzert (das war übri­gens schon am 18.07.2022) in Bern statt, zum Glück also nicht in Deutschland. 

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Der Abbruch des Konzerts wur­de erzwun­gen, heißt es bei Focus. Eine Diskussion mit dem Publikum führ­te nicht zu einer Einigung. 

„Wir begeg­nen allen Kulturen mit Respekt. Wir ste­hen aber auch zu der Musik, wel­che wir spie­len, zu unse­rem Erscheinungsbild und zu unse­rer Art, wie wir sind.“ Link fol­gen

Reggae-​Konzert abge­bro­chen: Musiker wol­len nun über „kul­tu­rel­le Aneignung“ reden – Aus aller Welt – FOCUS online

Wir ken­nen die­se elen­de Debatte aus Deutschland. Erst vor ein paar Monaten wur­de eine wei­ße dre­ad­lock­tra­gen­de Musikerin von einer Veranstaltung, die FFF ver­an­stal­tet hat, aus­ge­la­den, weil sie nicht bereit war, auf ihre Haarpracht zu ver­zich­ten. Ich woll­te das zuerst gar nicht glau­ben. Und doch. FFF ver­tei­dig­te die Position. 

Dreadlocks als Symbol der Freiheit und des eth­ni­schen Stolzes

Mir gehen die aktu­el­len Debatten so auf den Zeiger, dass ich hier damit begon­nen habe, aus die­sem Wahnsinn aus­zu­stei­gen. Hier wird nicht mehr gegen­dert und über ande­re Aktivitäten eines Teils unse­rer woken Jugend möch­te ich mich am liebs­ten über­haupt nicht mehr äußern. 

Wahrscheinlich mer­ken die­se Leute über­haupt nicht, wie sehr sie mit ihren extre­men Positionen den Vormarsch von kon­ser­va­ti­ven, rech­ten oder sogar rechts­ra­di­ka­len Ansichten för­dern. Es wird ihnen im Zweifel ja völ­lig egal sein, weil sie sich ganz sicher sind, die ein­zig wah­re Wahrheit zu ken­nen. Sie machen es Leuten wie Broder oder Tichy, Reitschuster u.s.w. zu leicht.

Bei Twitter haben man­che mit dem Hashtag #RobertoBlanco reagiert. Mir ist schon klar, dass die­je­ni­gen ihre Frage, ob man dem von uns „ver­ein­nahm­ten” Schlagerstar ange­sichts sei­ner Hautfarbe beim Vortrag des einen oder ande­ren Liedes nicht kor­rek­ter­wei­se eben­falls kul­tu­rel­le Aneignung vor­hal­ten müss­ten, nicht nur wit­zig mein­ten, son­dern wohl auch pro­vo­zie­ren woll­ten. Ich selbst fand die Frage aller­dings tat­säch­lich sau­ko­misch. Sie darf ange­sichts sol­cher Idiotendebatten, die ent­setz­li­cher Weise nicht nur in Deutschland von­stat­ten­ge­hen, auch gestellt werden. 

Sollte deut­sches Liedgut, wie „Ein biss­chen Spaß muss sein” oder „Der Puppenspieler von Mexiko” von einem schwar­zen Mann, der in Tunesien gebo­ren ist, vor­ge­tra­gen wer­den? Eine sol­che Frage wäre doch schwers­tens ras­sis­tisch moti­viert. Oder habe ich wie­der nicht auf­ge­passt? Bestimmt! 

Warum been­den wir sol­che ver­meint­lich pro­gres­si­ven Entwicklungsschritte nicht und set­zen alles dar­an, zu einem führ­ba­ren Dialog zu kom­men, an dem sich mög­lichst vie­le Menschen betei­li­gen können?


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3 Gedanken zu „Wieso sollte ein Schwarzer deutsche Volksmusik singen, während weißen Sängern die Dreadlocks verboten werden?“

  1. Was ja schön in Bezug auf Roberto Blanco ist, dass der ers­te Blanco-​Hit, den du genannt hast (Ein biss­chen Spaß…), ihm sozu­sa­gen auf den Leib geschrie­ben wur­de­und damit ein ori­gi­nä­rer Blanco-​Schlager ist. Der zwei­te Hit (Puppenspieler) ist ein Cover eines ame­ri­ka­ni­schen Hits von Leon Carr für den Briten Tom Jones.

    Man könn­te jetzt also sagen, dass der ers­te Hit Blanco-​Original ist, er ihn also sin­gen darf. Der zwei­te dage­gen wäre eine „kul­tu­rel­le Aneignung” eines Kulturguts eines wei­ßen Nachkommen von Einwanderern nach Amerika (WNVENA) für einen wei­ßen Briten durch einen schwar­zen ein­ge­bür­ger­ten Deutschen. Worüber jetzt eine län­ge­re inten­si­ve Debatte geführt wer­den muss, ob Blanco die­sen Hit über­haupt sin­gen darf (auch wenn er für ihn ein­ge­deutscht wur­de, was selbst schon eine… du ver­stehst, was ich meine?)

    Tatsächlich fin­de ich aller­dings, dass man sich die­sen gan­zen iden­ti­täts­ideo­lo­gi­schen Quatsch bes­ser in die Haare (oder deut­sche Dreadlocks) schmie­ren soll­te, denn all das führt am Ende in kul­tu­rel­le Segregation und belebt die gan­zen offen­sicht­lich unaus­rott­ba­ren Rassismen immer und immer weiter.

    Dieser gan­ze Unsinn kos­tet so vie­le Menschen sinn­los Lebenszeit, die man sinn­voll ver­brin­gen könn­te… z.B. könn­te man sich mal bequem aufs Sofa set­zen und zwei Stunden lang auf den aus­ge­schal­te­ten Fenseher gucken…

    So wer­den wir näm­lich Rassismus garan­tiert nicht los…

    Übrigens, was ich auch noch nicht wusste:

    Roberto Blanco ist Sohn kuba­ni­scher Eltern, in Tunis (Tunesien) gebo­ren und wur­de 1971 als Deutscher ein­ge­bür­gert. Seine Hautfarbe ist mit Sicherheit der unin­ter­es­san­tes­te und irrele­van­tes­te Aspekt, mit dem man sich beschäf­ti­gen könnte…

    Antworten
  2. Dieser gan­ze Unsinn kos­tet so vie­le Menschen sinn­los Lebenszeit, die man sinn­voll ver­brin­gen könn­te… z.B. könn­te man sich mal bequem aufs Sofa set­zen und zwei Stunden lang auf den aus­ge­schal­te­ten Fenseher gucken…

    wohl wahr. Solche Debatten tra­gen wohl lei­der mit dazu bei, dass vie­le Leute in Deutschland Angst davor haben, dass das Land bald aus­ein­an­der­bre­chen könn­te. Sie las­sen sich auf wun­der­ba­re Weise von Rechten instru­men­ta­li­sie­ren. Ich behaup­te, sie tra­gen zu dem bei, was man­che sich unter Polarisierung vor­stel­len. Völlig unnö­tig, die­se gan­ze Scheiße.

    Ich war mit Stolz Indianer (mit präch­ti­gem Kopfschmuck und „natür­lich” rot geschminkt. Ich war einer von den Guten. Jetzt wirs­te dafür zur Sau gemacht. Ich bin ein­fach zu alt für die­sen Mist.

    Antworten
🌻 Freundlichkeit kostet nichts – bringt aber viel.

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