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Titel, Teaser und die Wahrheit hinter der Paywall

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In der Grundschule erhielten wir den Auftrag, Überschriften aus der Tageszeitung unserer Eltern auszuschneiden und den Inhalt der Artikel am nächsten Tag zu referieren. Der Lehrer wollte so auf die Widersprüche zwischen Zeitungstitel und Artikelinhalt aufmerksam machen. Man kann sein Vorgehen nur als gelungen betrachten. Schließlich habe ich die Lektion nach weit über 50 Jahren nicht vergessen.

Es hat sich in dieser Beziehung bis heute nicht viel geändert. Immer noch liegen oft Welten zwischen den Titeln eines Artikels und seinem Inhalt. Die Zeitung mit den vier Buchstaben ist hierfür das berüchtigtste Beispiel, glaube ich.

Das Problem ist nicht einmal bei den Natives gelöst, auch sie konsumieren Nachrichten vielfach ohne jeden Sinn für Quellenkritik. Mit der Einführung digitaler Medien hatten viele naiverweise erwartet, dass sich die Achtsamkeit in dieser Hinsicht stark verbessert. Wahrscheinlich muss man vom Gegenteil ausgehen. Es gibt TV-Beiträge, die die Verhältnisse an unseren Schulen zeigen. Die Schlussfolgerungen sind ernüchternd.

Es ist nun einmal leider nicht so, dass sich allein die Tatsache negativ niederschlägt, dass Titel und Artikelinhalt stark voneinander abweichen bzw. die falsche Interpretation eines Titels ganze Debatten in eine unerwünschte Richtung lenken. Die Nutzung der asozialen Medien hat dies stark befördert. Hinzu kommt, dass die immer stärker verbreiteten Paywalls der Online-Angebote dem User via Titel und Teaser etwas vorgaukeln, das der komplette Artikel nicht im Ansatz bestätigt. So gestellte Fallen haben sich als hypererfolgreiche Clickbaits erwiesen. Traffic und den Werbeeinnahmen sind diese Methode sehr förderlich. Schlimm ist, dass auch seriöse Online-Angebote ehemals angesehener Tageszeitungen hier keine Ausnahme machen.

Ich bin dafür, dass guter Journalismus bezahlt wird und möchte mir mit diesem Artikel auch nichts herausnehmen, was mir nicht zusteht. Ich meine die Bewertung, was ein guter oder schlechter Artikel ist. Aber die Differenz zwischen dem, was sich die Marketingfritzen (Algorithmen) ausgedacht haben, um die Leser anzulocken und dem, was an Substanziellem (vielleicht sogar Langweiligem) geboten wird, ist erheblich. Das halte ich für sehr kritikwürdig, denn es schadet letzten Endes unserer Demokratie. Viele begreifen das, wenn sie die Art von Debatten verfolgen, die bei Twitter stattfinden. Das kann nicht gut gehen. Und es wird immer schlimmer, was in diesen Krisenzeiten wohl auch nicht überraschend ist.

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Horst Schulte
Herausgeber, Blogger, Autor und Hobby-Fotograf
Seit 2004 blogge ich über Politik und Gesellschaft – also seit die meisten noch SMS statt Tweets geschrieben haben. Mit 70 Jahren lebe ich immer noch im schönen Bedburg, direkt vor den Toren Kölns, und schreibe über alles, was die Welt bewegt (oder mich zumindest vom Sofa aufstehen lässt).

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